Angelika Vitanza-Lima

Im Freibad

 
Endlich! Sie hatten den Eingang des Freibades erreicht. War das wieder eine Prozedur gewesen, ehe sie hier angekommen waren! Jesses, diese ständige Tortur, ehe sie die Sachen gepackt hatten und vor allem, ehe ihre Gören sich bequemten, sich für ihr eigenes Vergnügen aufzurappeln. Herrgott, man musste sie aber auch ständig zu ihrem Glück zwingen! Das Wetter war herrlich, die Sonnentage waren gezählt. Sie wollte diesen Tag noch einmal so richtig genießen. Dass die Kinder aber auch immer solch ein Gezeter machen mussten,ehe sie sich bewegten! Beinahe hätte sie die gepackte Schwimmtasche mitsamt Proviant vom Balkon geschmissen. Damit waren die Gnädigsten denn doch nicht so ganz einverstanden, und ruckzuck waren sie mit einem Mal startklar. Na also! Es konnte losgehen - Mutter, bepackt wie ein Esel, die holden Grazien, ganz Schickimicki, in ihren Bikinis hinterher.
 
Waaas - zu Fuß? Ohne Auto? Ja, dass der Papa sich aber auch erdreistete, mit dem Auto zur Arbeit zu fahren! Nun mussten sich seine ach so armen Ableger doch tatsächlich ganza zwanzig Minuten lang auf Schuster Rappen abquälen. Oje, das konnte ja heiter werden! War es auch! Dem Muttertier mit Schwerstgepäck lief der Schweiß aus allen Poren. Das Gemotze der Familienbrut beschleunigte den Austritt dieser Flüssigkeit. Eigentlich musste sie schon völlig ausgetrocknet sein, und ihre Arme hatten inzwischen wahrscheinlich bereits die doppelte Länge erreicht. Recht praktisch, um ein paar saftige Ohrfeigen zu verteilen. Von wegen saftig! Der Saft war raus! Was hatte sie sich da nur wieder eingebrockt! Klarer Fall von "hatse nich alle"!
 
Auch das noch - das durfte doch nicht wahr sein! Andere verfügten scheinbar über den gleichen Ideenreichtum wie sie. Stau vor der Kasse! "Der ADAC meldet...!" Lange Gesichter und der eindeutige Ausdruck von "ich habe das doch gleich gewusst" in den Augen ihrer Kinder... Wie war das noch mit dem Saft? Verflucht - nix mehr drin! Also, in aller Ergebenheit und Demut warten und dabei am besten meditieren. "Du bist gaaanz ruhig, du bist die ausgeglichenste, gütigste, sanfteste Mutter der Welt! Omm...!" Wer's glaubt, wird selig! Jetzt ging die Familienfehde wieder los. Die Kinder hatten anscheinend noch Saft satt, und trotz kurzer Arme wurde das Ziel nicht verfehlt. Hoffentlich waren sie bald k.o., dann bräuchte sie nur noch die Lieferanschrift anzugeben, und sie wäre aus dem Schneider.
 
Gottseidank! Sie durften bezahlen! Der Kampf hatte noch so gerade ein unblutiges Ende genommen. Schnell noch Ball und Badmintonspiel dem Esel um die Ohren geknallt, und schon waren sie am Kartenhäuschen vorbei. Sie brachte es gerade noch fertig, das Wechselgeld zu verstauen. Mit neuer Hoffnung wankte sie zu einem Platz, der bestimmt auch den Gören genehm wäre. Ja, Pustekuchen! "So weit weg vom Wasser?" Sie war schon drauf und dran, die Decke unter der Dusche zu platzieren, was natürlich mit lautstarkem Protest abgelehnt wurde. Tja, so wurden Kompromisse geboren! Mit einer letzten Anwandlung von liebevoller Fürsorge breitete die völlig entkräftete Mutter die flauschige Unterlage aus, legte sorgfältig ein paar Strandtücher darauf, und ehe sie sich's versah, war die Meute in alle Winde verstreut - ihre Klamotten auch! Verflucht war der Moment der Schwäche, der diese Saat hatte aufgehen lassen!
 
Frau Muttertier klaubte die einzelnen Wäscheknäuel auf, legte sie ordentlich über die Kühltasche, und dann konnte sie es sich endlich gemütlich machen. RUHE - FREIHEIT! Ach, war das schöööön! "MAMA!!!" Wie lange war's schön? Ganze fünf Minuten... wenn's hochkam! Verfluchte Bande, was war denn jetzt schon wieder? "HUNGER!" Nein, das durfte doch nicht wahr sein! Jetzt schon? Vorwurfsvolle Blicke straften der Rabenmutter Gedanken. Schuldbewusst rückte sie das Frittengeld heraus. Pflichtbewusst fragte sie die Hochwohlgeborenen, ob sie denn alleine essen könnten. Sie konnten! Während sie an der Imbissbude Schlange stehen mussten, flüchtete Muttern unter die kalte Dusche, und dann ging es mit einem kühnen Köpper - na, hoffentlich sah das wenigstens graziös aus - ins kühle Nass. Puh! Das war knapp an der Zwangsjacke vorbei! Mindestens zehn Bahnen schaffte sie. Der Frust musste sich im Schwimmbecken aufgelöst haben, war bestimmt schon auf den Grund gesunken. Na, besser der als sie! Hach, tat das gut,sich mal so richtig freizuschwimmen! Die Kraft war wieder in ihre Arme zurückgekehrt, dafür hatte sie, als sie zur Decke zurückging, Gummibeine.
 
Dort saßen bereits ihre "Engelchen", ganz brav, als könnten sie kein Wässerchen trüben, und stocherten in ihren Fritten herum. Sie hatten noch nicht ganz die Hälfte vertilgt, als sie auch schon die Gabeln fallen ließen und sich erhoben. Wie? Was sollte das denn jetzt? Ganz einfach - KEIN HUNGER! Schwupps, weg waren sie! Sie schaute ihnen hinterher, den beiden lachenden, hüpfenden, süßen Mädchen, mit den lustig wippenden Pferdeschwänzen - während sie langsam Fritte für Fritte in sich hineinstopfte. Was für eine Idylle...
 
Angelika Vitanza-Lima - 25.08.2001

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