Das
Blumenmädchen
Sonnenstrahlen
schienen auf das Beet, vor dem sie stand.
Ihr Blick war reglos auf die Blumen vor ihr gerichtet. Ein paar
Besucher liefen hinter ihr vorbei, interessiert nahmen sie die
Pflanzen in Augenschein.
Sie störte
sich nicht daran, starrte nur weiter auf das Beet.
Rosen blühten
darin, eine Blüte schöner als die andere. Mit ihren
stachligen Halmen schienen sie in einen unerbittlichen Kampf um den
Platz verharrt zu sein.
Alle, nur eine
nicht.
Inmitten des
Beetes stand eine Blume die nicht zu den anderen passen wollte.
Und es war keine
Rose, das erkannte sie auf den ersten Blick. Eine Orchidee stand
dort, unberührt von den Rosen um sie herum. Ihre Blüte war
noch geschlossen, doch versprach sie eine schöne Blume zu
werden.
Sie fragte sich
insgeheim, wieso die Rosen den unerwünschten Eindringling nicht
schon längst in ihrem Platzhunger verdrängt hatten. Aber
dort stand sie, unberührt...
Sie kniete
nieder. Ihr Finger berührten sanft die Knospe., malten einen
Kreis darum. Sie schloss die Augen. Ein wohliger Schauer rieselte
über ihren Augen, wie schon zu oft, wenn sie es getan hatte.
Nur zwei Worte
kamen ihre Lippen. „Öffne dich!“
Sie atmete die
Luft tief ein. Und dieses Mal waren es nicht nur die Rosen. Ihnen war
ein anderer, fremder hinzugefügt, süß, weich wie eine
Wolke.
Sie seufzte, als
sie wie von fern das Klingeln hunderter winzig kleiner Glocken hörte,
vom Wind heran getragen. Es war schon so oft passiert, dass es für
sie kaum mehr besonders war, als sie die leise Stimme in ihrem Kopf
hörte. Und doch war etwas anders. Was jedoch vermochte sie nicht
zu sagen.
Wer bist du?
Die Stimme klang sanft und jung,
wie die einer schönen jungen Nachtigall... Ein Schauder lief
über ihren Rücken. Noch nie hatte sie eine Stimme gehört,
die so schön war. Und noch dazu die einer Blume...
Sie
lächelte leise. Ein Mädchen.
Ja.
Aber wieso... Ich meine... Die Orchidee stockte, schien nicht
mehr zu wissen, was sie sagen wollte.
Ich möchte
dir nur helfen.
Das
kannst du nicht. Ihre Stimme klang sehr traurig als sie jetzt
weiter sprach. Sie hassen mich. Ich bin ein Außenseiter,
deshalb habe ich mich verschlossen. Aber ich versteh sie nicht. Ich
bin doch auch nur eine Blume! Was kann ich denn dafür, wo mein
Samen hinfiel.
Sie
musste unwillkürlich wieder lächeln. Ihre Finger strichen
sanft über die frischen Blütenblätter. Nein, du
bist nicht nur irgend eine Blume. Du bist schöner als sie, sie
verehren dich wie eine Königin.
Aber... Ich
will doch gar nicht... ,
Nein, du
wurdest einfach in diese Position gesetzt, das weiß ich. Aber
siehst du: Sie streiten. Schlichte ihren Zwist. Hilf ihnen. Sei ihre
Königin. Aber sei eine, die sie lieben können, für die
sie sich vereinen, ein Volk werden. Lass sie schön werden.
Sie sind
schön!
Aber sie
können noch schöner werden. Du weißt es.
Einen
winzigen Moment zögerte sie, dann seufzte sie. Du hast recht.
Ich werde ihnen helfen. Aber ich werde es für dich tun. Du warst
die erste die mich so genommen hat, wie ich bin..
Und das werden
sie auch sobald du dein wahres Ich gezeigt hast.
Danke. Wie
soll ich dir nur jemals danken?
Das brauchst
du nicht. Ich hab es doch gern getan...
Trotzdem...
Von
Weitem hörte sie Stimmen, Stimmen, die sie kannte... Ich muss
jetzt gehen... Mach's gut... Ich hoffe wir sehen uns bald wieder...
Ja.
Mach's gut... Die Orchidee klang traurig, fast schon weinerlich
als sie sich von ihr verabschieden musste. Sie konnte fast schon
sehen, wie ihre Tränen fielen.
Sie
seufzte nicht einmal leise. Ich muss. Tut mir Leid.
Damit
strich sie der Orchidee noch einmal sanft über den Kopf, dann
ließ sie los.
Im
selben Moment da ihren Hand nicht mehr mit der Orchidee verbunden
war, wurde auch das Klingeln der Glocken leiser und verstummte
schließlich ganz.
Einen
Moment noch blieb sie vor dem Beet hocken, lauschte den Schritten
und leisen Gesprächen der Besucher. Hoffentlich würde die
Kleine es schaffen sich zu behaupten... Schon allein um der Orchidee
willen. Sie war doch viel zu allein, so. Und das Beet würde auch
viel schöner werden...
Sie
konnte nur hoffen...
Sie
seufzte und öffnete die Augen. Ihr Blick viel auf die große
Blüte vor ihren Augen. Prächtig und in ihrer ganzen Pracht
strahlte sie dort unter all den Rosen. Und ihr wahr als hätten
alle Rosen ihr den Kopf zugewandt und würden sie in Stiller
Bewunderung beobachten. Oh, ja. Die Kleine war eine Königin, ob
sie es nun wollte oder nicht...
Die
Stimmen kamen näher, die Stimmen die sie kannte.
Sie
seufzte noch einmal, dann richtete sie sich auf und klopfte sich den
Schmutz von der Hose.
Zwei
Jungs kamen um die Ecke gebogen, gefolgt vom Rest ihrer Schulklasse.
Ein paar von ihnen warfen ihr einen kurzen bewunderten Blick zu und
wandten sich dann schnell wieder ab, damit sie es ja nicht
entdeckte...
Ein
Schmunzeln trat auf ihre Lippen und wieder dachte sie an die
Orchidee. Vielleicht war ja auch sie wie die Kleine. Eine Königin?
Vielleicht musste auch sie ja nur darauf hingewiesen werden?
Wieder
lächelte sie, dann schloss sie sich den Anderen an. Aber jetzt
wusste sie, was sie war. Zu was man sie gemacht hatte, ohne ihr
Zutun. Und sie würde es nutzen um das Beet noch zu verschönern.
(c) Sabrina Hofmann