Sabrina Hofmann

Das Blumenmädchen

Das Blumenmädchen

Sonnenstrahlen schienen auf das Beet, vor dem sie stand. Ihr Blick war reglos auf die Blumen vor ihr gerichtet. Ein paar Besucher liefen hinter ihr vorbei, interessiert nahmen sie die Pflanzen in Augenschein.
Sie störte sich nicht daran, starrte nur weiter auf das Beet.
Rosen blühten darin, eine Blüte schöner als die andere. Mit ihren stachligen Halmen schienen sie in einen unerbittlichen Kampf um den Platz verharrt zu sein.
Alle, nur eine nicht.
Inmitten des Beetes stand eine Blume die nicht zu den anderen passen wollte.
Und es war keine Rose, das erkannte sie auf den ersten Blick. Eine Orchidee stand dort, unberührt von den Rosen um sie herum. Ihre Blüte war noch geschlossen, doch versprach sie eine schöne Blume zu werden.
Sie fragte sich insgeheim, wieso die Rosen den unerwünschten Eindringling nicht schon längst in ihrem Platzhunger verdrängt hatten. Aber dort stand sie, unberührt...
Sie kniete nieder. Ihr Finger berührten sanft die Knospe., malten einen Kreis darum. Sie schloss die Augen. Ein wohliger Schauer rieselte über ihren Augen, wie schon zu oft, wenn sie es getan hatte.
Nur zwei Worte kamen ihre Lippen. „Öffne dich!“
Sie atmete die Luft tief ein. Und dieses Mal waren es nicht nur die Rosen. Ihnen war ein anderer, fremder hinzugefügt, süß, weich wie eine Wolke.
Sie seufzte, als sie wie von fern das Klingeln hunderter winzig kleiner Glocken hörte, vom Wind heran getragen. Es war schon so oft passiert, dass es für sie kaum mehr besonders war, als sie die leise Stimme in ihrem Kopf hörte. Und doch war etwas anders. Was jedoch vermochte sie nicht zu sagen.
Wer bist du? Die Stimme klang sanft und jung, wie die einer schönen jungen Nachtigall... Ein Schauder lief über ihren Rücken. Noch nie hatte sie eine Stimme gehört, die so schön war. Und noch dazu die einer Blume...
Sie lächelte leise. Ein Mädchen.
Ja. Aber wieso... Ich meine... Die Orchidee stockte, schien nicht mehr zu wissen, was sie sagen wollte.
Ich möchte dir nur helfen.
Das kannst du nicht. Ihre Stimme klang sehr traurig als sie jetzt weiter sprach. Sie hassen mich. Ich bin ein Außenseiter, deshalb habe ich mich verschlossen. Aber ich versteh sie nicht. Ich bin doch auch nur eine Blume! Was kann ich denn dafür, wo mein Samen hinfiel.
Sie musste unwillkürlich wieder lächeln. Ihre Finger strichen sanft über die frischen Blütenblätter. Nein, du bist nicht nur irgend eine Blume. Du bist schöner als sie, sie verehren dich wie eine Königin.
Aber... Ich will doch gar nicht... ,
Nein, du wurdest einfach in diese Position gesetzt, das weiß ich. Aber siehst du: Sie streiten. Schlichte ihren Zwist. Hilf ihnen. Sei ihre Königin. Aber sei eine, die sie lieben können, für die sie sich vereinen, ein Volk werden. Lass sie schön werden.
Sie sind schön!
Aber sie können noch schöner werden. Du weißt es.
Einen winzigen Moment zögerte sie, dann seufzte sie. Du hast recht. Ich werde ihnen helfen. Aber ich werde es für dich tun. Du warst die erste die mich so genommen hat, wie ich bin..
Und das werden sie auch sobald du dein wahres Ich gezeigt hast.
Danke. Wie soll ich dir nur jemals danken?
Das brauchst du nicht. Ich hab es doch gern getan...
Trotzdem...
Von Weitem hörte sie Stimmen, Stimmen, die sie kannte... Ich muss jetzt gehen... Mach's gut... Ich hoffe wir sehen uns bald wieder...
Ja. Mach's gut... Die Orchidee klang traurig, fast schon weinerlich als sie sich von ihr verabschieden musste. Sie konnte fast schon sehen, wie ihre Tränen fielen.
Sie seufzte nicht einmal leise. Ich muss. Tut mir Leid.
Damit strich sie der Orchidee noch einmal sanft über den Kopf, dann ließ sie los.
Im selben Moment da ihren Hand nicht mehr mit der Orchidee verbunden war, wurde auch das Klingeln der Glocken leiser und verstummte schließlich ganz.
Einen Moment noch blieb sie vor dem Beet hocken, lauschte den Schritten und leisen Gesprächen der Besucher. Hoffentlich würde die Kleine es schaffen sich zu behaupten... Schon allein um der Orchidee willen. Sie war doch viel zu allein, so. Und das Beet würde auch viel schöner werden...
Sie konnte nur hoffen...
Sie seufzte und öffnete die Augen. Ihr Blick viel auf die große Blüte vor ihren Augen. Prächtig und in ihrer ganzen Pracht strahlte sie dort unter all den Rosen. Und ihr wahr als hätten alle Rosen ihr den Kopf zugewandt und würden sie in Stiller Bewunderung beobachten. Oh, ja. Die Kleine war eine Königin, ob sie es nun wollte oder nicht...
Die Stimmen kamen näher, die Stimmen die sie kannte.
Sie seufzte noch einmal, dann richtete sie sich auf und klopfte sich den Schmutz von der Hose.
Zwei Jungs kamen um die Ecke gebogen, gefolgt vom Rest ihrer Schulklasse. Ein paar von ihnen warfen ihr einen kurzen bewunderten Blick zu und wandten sich dann schnell wieder ab, damit sie es ja nicht entdeckte...
Ein Schmunzeln trat auf ihre Lippen und wieder dachte sie an die Orchidee. Vielleicht war ja auch sie wie die Kleine. Eine Königin? Vielleicht musste auch sie ja nur darauf hingewiesen werden?
Wieder lächelte sie, dann schloss sie sich den Anderen an. Aber jetzt wusste sie, was sie war. Zu was man sie gemacht hatte, ohne ihr Zutun. Und sie würde es nutzen um das Beet noch zu verschönern.
 
(c) Sabrina Hofmann 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.07.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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