Ein lautes Pochen an der Tür ließ Sariel aufhorchen. Ein
Blick auf die Wanduhr verriet ihm dass der Abend bereits fortgeschritten war.
Leicht missmutig aufgrund der ungeplanten Unterbrechung stellte er sein
Weinglas beiseite, ließ das aufgeschlagene Buch auf dem Sessel zurück und begab
sich die Treppe hinab, um dem unbekannten Störenfried die Tür zu öffnen.
Der Kerzenschein, sowie das schwache Leuchten der Kohlebecken außerhalb des
Hauses, tauchten Leander Handsome`s schlanke Gestalt in ein ätherisches Licht.
Bedingt durch die durchgehend dunkle Kleidung des Elfen hatte Sariel für einen
Moment den Eindruck als schwebe Leanders Gesicht im Nichts. „Oh, guten Abend
Leander.. Was verschafft mir die Ehre?“ Nur langsam gewöhnten sich Sariel`s
Augen an die Lichtverhältnisse. Er wollte einen Schritt beiseite treten und
Leander hereinbitten. “Folge mir bitte in mein Haus, ich muss noch einige
Gegenstände zusammensuchen“, kam ihm Leander zuvor.
Der Satz, wenn auch höflich formuliert, klang in Sariel Ohren mehr nach einem
Befehl denn nach einer Bitte. Ehe er jedoch weitere Fragen stellen konnte war
Leander bereits aus dem kleinen Lichtkreis hinaus und somit in die Dunkelheit
verschwunden. Eilig schloss Sariel die Tür und folgte dem Elf.
Wortlos verschwand Leander in den oberen Räumen seines Hauses und überlies es
Sariel unten zu warten. Diese distanzierte ja fast schon abweisende Art sah
Leander nicht ähnlich. Sariel ließ sich auf einem der Sessel nieder und begann
über den Grund für Leanders Verhalten nachzugrübeln. Von oben drangen die
Geräusche von sich öffnenden und schließenden Truhen, auf-und zugehenden
Schranktüren sowie Schubladen die hinaus- und wieder hineingeschoben worden
herunter. Die Flüche, welche diese Geräusche begleiteten ließen Sariel wissen,
dass was immer Leander dort oben suchen mochte, gefunden hatte er es noch
nicht.
Wenige Augenblicke später begann Leander die Schränke und Truhe im unteren
Stockwerk zu durchsuchen, noch immer leise vor sich hin murmelnd und fluchend.
“ Verrätst du mir was du derart verzweifelt suchst?“
„Mein Elfenschwert“, antwortete Leander knapp.
2 Worte nur, die genügten um eine Welle der Aufregung und Vorfreude durch
Sariel`s Körper zu jagen. Darum ging es also. Leander hatte sein Versprechen,
dass er Sariel vor einigen Monden gegeben hatte nicht vergessen: Er würde
Sariel den Umgang mit dieser seltenen Waffe lehren.
„Ich werde ich auf Aiyeona unterrichten, zuvor jedoch benötige ich noch einige
Utensilien vom Schattenwinkler Markt.“ Leander richtete sich auf, und wandte sich
Sariel zu. „Lass uns aufbrechen“.
Die Vorstellung auf Gebiet des Königreiches zu reisen dämpfte Sariels
Vorfreude. Der Elf jedoch ließ sich nicht davon abbringen. Sariel`s
halbherzigen Einwand wischte er mit einer Handbewegung zur Seite.
Ruhigen Schrittes betraten die beiden den Markt von Schattenwinkel. Nun
verstand Sariel die Gelassenheit Leanders. Im Stillen verfluchte er sich nicht
selbst daran gedacht zu haben. Der Angriff auf die Stadt und das Verbrennen der
Ernte, hatte die Bevölkerung in Aufruhr versetzt. Klagend und fluchend machten
die Einwohner der Stadt ihrem Unmut Luft.
Niemand schenkte den beiden Neuankömmlingen Beachtung.
Im spärlichen Warenangebot der Händler schien Leander gefunden zu haben weshalb
sie hier waren. Auf dem Weg in Richtung Stadttor schlossen sich Elf und Mensch
der protestierenden Menge an.. und heizten mit lauten Unmutsbekündungen gegen
den König das Klima noch weiter auf.
Kurze Zeit nachdem sie der Stadt den Rücken gekehrt hatten, verließ Leander den
staubigen Weg und verschwand in der angrenzenden Flora.
„Versuche mit mir Schritt zu halten..“ vernahm Sariel von einigen Metern weiter
vorne.
Eine Aufgabe die sich als weitaus schwerer herausstellte als Sariel zunächst
angenommen hatte. Während Leander mühelos herab hängenden Ästen sowie
Unebenheiten im Boden auswich und sowohl intuitiv als auch nahezu lautlos
seinen Weg durch den Wald zu finden schien, hatte Sariel bereits nach wenigen
Minuten nicht nur völlig die Orientierung verloren, seinen Umhang an Sträuchern
und Ranken zerrissen, und einen tiefen Kratzer im Gesicht, nein er verursachte
selbst in seinen eigenen Ohren Lärm genug für ein ganzes Regiment.
„Schritt halten“, murmelte er vor sich hin, „der Elf hat leicht reden“
In der Ferne weitete sich der Wald und gab den Blick auf eine Lichtung frei.
Leander lehnte entspannt an einem Baum und sah zu wie Sariel leise murrend
Blätter, Zweige und ähnliches aus Kleidung und Haaren zog. Sowohl Hose,Weste
als auch Hemd des Elfen waren nach wie vor makellos, und hätten jedem Edelmann
an Hofe zur Ehre gereicht. Ein Blick in Leanders ruhiges Gesicht und Sariel
wusste das der Elf diesen Anblick genoss.
„Ehe wir nun nach Aiyeona reisen, bedenke dass du auf dieser Insel ein Gast
bist. Verhalte dich anderen Elfen gegenüber höflich.“, aufgrund Sariel`s
Anblick hatte sich ein amüsierter Unterton in Leanders Anweisung geschlichen. “
Dort auf Aiyeona werden wir uns in der Quelle reinigen ehe wir mit der
Ausbildung beginnen. Du wirst lernen müssen auf deine innere Stimme zu hören und
deiner Intuition zu vertrauen. Zudem werde ich dich elfische Kultur lehren. Nur
wer mit sich selbst sowie seiner Umwelt im Einklang ist vermag es eine solche
Klinge zu führen und den Schwerttanz zu erlernen.“, beendete Leander seine
Ausführung.
Sariel brauchte einige Momente um das Gehörte zu verarbeiten: “Sei dir gewiss
ich bin mir bewusst das ich auf Aiyeona lediglich Gast bin und werde mich
dementsprechend zu verhalten wissen. Was jedoch meinst du mit Schwerttanz?? Ich
bin froh auf diesem unebenen Boden stehen zu können und normal zu gehen ohne zu
stürzen. An Tanz ist nicht zu denken“.
Erneut huschte ein Lächeln über das Gesicht des Elfen: „Glaube mir Sariel.. du
wirst tanzen. Noch etwas, hier auf dieser Lichtung ist die Magie schwach, auf
Aiyeona wird sie um ein vielfaches stärker sein. Du musst lernen sie zu
fühlen“..
„Magie?“, unterbrach Sariel Leanders Ausführungen wenig begeistert, “ Ich
dachte du unterrichtest mich in der Kunst des Schwertkampfes?
“Elfischer Schwertkampf ist eine Art Magie. Er beruht anders als bei Menschen
auf Intuition und Gefühl. Das Schwert und die Hand die es führt müssen eins
sein. Die Klinge ist zugleich Werkzeug als auch Herrin“, erläuterte Leander.
Sariel ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. Diese Art des Kampfes
widersprach allem was er gelernt hatte. Intuition und Gefühl anstelle von
Taktik und Angriffs-und Verteidigungspositionen. Während er in vielen Monaten
unter Thaili gelernt hatte, dass Gefühle in einem Kampf hinderlich und
lediglich das Wissen um Offensiv-und Defensivtaktiken als auch Erfahrung über
Leben und Tod entschieden, erzählte ihm Leander nun das exakte Gegenteil.
Sariel hatte diese Lektionen im Laufe der Jahre derart verinnerlicht, das ihm
ein Kampfstil, welcher rein auf Gefühl und Intuition basierte beinahe undenkbar
und lächerlich erschien. Andererseits erweckte Leander nicht den Eindruck als
habe er ihn hierher geführt um zu scherzen. Sariel schwieg und gemeinsam mit
Leander trat er durch ein magisches Portal.
Einen Lidschlag später standen Mensch und Elf erneut auf einer Lichtung. In der
Magengegend verspürte Sariel ein leichtes Unwohlsein, wie stets wenn er eines
der magischen Portale benutzte.
Die Bäume am Rand dieser Lichtung unterschieden sich jedoch deutlich. Sie
schienen gesünder.. beinahe von innen heraus zu strahlen. Dennoch sahen sie
alle gleich aus.. und Sariel musste sich wieder einmal eingestehen, dass er
nicht den Hauch einer Ahnung hatte wo er sich hier befand. Auf Aiyeona, dessen
war er sich fast sicher. Doch die Elfeninsel war groß und es gab soweit er
sehen konnte keinerlei Orientierungspunkte: Kein Pfad, kein Gebäude und einen
Wegweiser schon gar nicht.
Dies war keinesfalls das Portal durch das er Aiyeona bisher stets betreten
hatte.
Es grenzte für Sariel an ein Wunder das dieser Wald nicht voll herumirrender
Elfen war.
Auch sein Begleiter jedoch schien keine Schwierigkeiten zu haben sich zu
orientieren. Zielstrebig schlug er eine Richtung ein und verließ dicht gefolgt
von Sariel wenig später die Lichtung.
Wie auch in den Wäldern um Schattenwinkel, so schien das unebene Gelände für
Leander auch hier nicht existent zu sein. Sariel hingegen war gezwungen einen
Teil seiner Konzentration darauf zu verwenden nicht zu stolpern oder gar zu
stürzen. Zwar versuchte er die eleganten und lautlosen Bewegungen des Elfen
nachzuahmen, gab sich jedoch keinen Illusionen darüber hin das jeder Elf im
Umkreis von mehreren hundert Metern wohl schon wusste dass ein Mensch auf der
Insel war.
„Da du hier Gast bist, und wir möglicherweise anderen Elfen begegnen kann es
nicht schaden wenn du zumindest etwas elfisch sprechen kannst. Auch lernt man
über die Sprache viel über die dazugehörige Kultur. lies sich Leander gut
gelaunt vernehmen.
Sariel der noch immer darauf bedacht war möglichst lautlos, zumindest nach
menschlichen Maßstäben, mit Leander Schritt zu halten, brachte ein knappes
Nicken zustande als Leander sich kurz zu ihm umwandte.
In Gedanken dachte Sariel an seine Gespräche mit Nahale. Von ihr hatte er wenn
auch nicht viel, so doch zumindest eine Grußformel sowie das ein oder andere
elfische Wort gelernt. Vielleicht würden diese genügen um Leander zu
überraschen.
Leander verlangsamte seinen Schritt und gab Sariel somit Gelegenheit zu ihm
aufzuschließen.
„Aaye.. lautet die übliche Begrüßung“, begann Leander die nächste Lektion, „
Sprich es mir nach.. Aaye“
Sariel der bereits mit der von Nahale gelernten Grussformel herausplatzen
wollte, schloss den Mund wieder. Dann wiederholte er mit einigen
Schwierigkeiten die für seine Zunge ungewohnten Laute. Waren es zu Anfang noch
einzelne Worte oder kurze Sätze die ihn Leander wiederholen lies, so steigerte
sich der Schwierigkeitsgrad und somit die Anzahl der Vokabeln mit jedem
Schritt, den sie durch den Wald gingen. Als sie die ersten Häuser der Elfensiedlung
erreichten, glaubte Sariel sein Kopf müsse jeden Moment platzen. Die Formeln
und Worte hatten sich in seinem Kopf zu einem einzigen Brei vermischt.
Leander jedoch ließ nicht locker und ließ ihn die gelernten Phrasen wiederholen
und wiederholen, verzog jedoch aufgrund der harten und oftmals falschen
Betonung das Gesicht.
Sariel war froh wieder festen und vor allem ebenen Boden unter den Füßen zu
haben. Zumal er sich aufgrund seiner früheren Besuche etwas in der Siedlung
auskannte. Auch an der Quelle, zu der Leander ihn nun führte hatte er bereits
einige ruhige Stunden verbracht.
“Ehe wir beginnen, werden wir uns hier in der Quelle reinigen“, kaum hatte der
Elf geendet begann er auch schon aus seiner Kleidung zu schlüpfen.
Sariel sah ihn ungläubig an als Leander in das Auffangbecken der Quelle
kletterte und begann sich mit dem klaren Wasser zu waschen.
Abwartend blickte der Elf ihn an.“ Worauf wartest du? Zieh deine Sachen aus,
und reinige dich in der Quelle“
“ Gibt es keine Möglichkeit diesen Kampfstil zu erlernen.. ohne… nun.. , Sariel
musterte Leander der sich noch immer in der Quelle wusch, „ ohne diese
Reinigung?
“Nein, die gibt es nicht. Die Reinigung ist erforderlich, und Bestandteil der
Ausbildung“
Sariel gab seinen Widerstand auf, begab sich hinter ein dichtes Gebüsch und
entledigte sich dort seiner Kleidung. Diese legte er zusammen und platzierte
sie auf einer der Holzbänke ehe er eilig in das Quellbecken kletterte und
begann sich mit dem Wasser zu waschen. Im Stillen betete er zum gesamten
Pantheon der Götter, sie mögen verhindern, dass jemand Augenzeuge dieser Szene
würde.
“ Aaye Leander“, erscholl eine melodiöse Stimme in Sariel’s Rücken. In dieser
Sekunde wurde Sariel zweierlei bewusst. Zum einen: Die Götter hatten ihn mal
wieder im Stich gelassen oder für ein Vergehen gestraft dessen er sich nicht
bewusst war. Zum 2ten fühlte er wie sein gesamtes Blut von seinen Zehen bis in
den Kopf schoss und sich dort sammelte.
Leander schien die Reaktion seines Schützlings äußerst amüsant zu finden.
Sariel hingegen wäre am liebsten im Erdboden versunken. Er hatte die Stimme
erkannt. Hatte sie in jüngerer Vergangenheit oft gehört und wusste daher wem
sie gehörte.
Mit seinem nächsten Satz bestätigte Leander Sariel’s Befürchtung: „Aaye Nahale…
Der Rest des Wortwechsels zwischen den beiden Elfen ging im Rauschen unter,
welches das im Kopf angestaute Blut in Sariels Ohren hervorrief, der es noch
immer nicht gewagt hatte sich umzudrehen.
Früher oder später das wusste Sariel, würde er sich umdrehen müssen. So sehr er
auch darüber nachdachte eine andere Möglichkeit gab es nicht. Die
Lebenserwartung von Leander und Nahale überstieg seine eigene bei weitem. Beide
waren sehr geduldig. Es bestand also wenig Hoffnung dass die Elfen einfach
verschwinden würden. Ein Sprung in das Gebüsch kam ebenfalls nicht in Frage. “
Ich habe gewusst, das so etwas passieren würde..“, zischte er Leander zu. Dann
wandte er sich langsam zu Nahale um “ Mae Govannen Nahale“ auch wenn ihm der
formelle Gruß in seiner Situation alles andere als angebracht erschien, wollte
er dennoch nicht respektlos erscheinen.
Mit einem amüsierten Funkeln in den Augen und die Lippen zu einem Lächeln
verzogen quittierte Nahale seinen Gruß mit einem freundlichen Kopfnicken.
Leander erklärte Nahale in knappen Sätzen den Grund für Sariels Anwesenheit.
Nahale schien amüsiert, jedoch nicht überrascht.
Leander schickte sich mittlerweile an aus dem Becken zu klettern, während er
weiterhin mit Nahale plauderte. „Ist diesen Elfen denn nichts peinlich?“,
schoss es Sariel durch den Kopf.
Leander berichtete von seinem Vorhaben Sariel die elfische Sprache
beizubringen, da er beabsichtigte die Anweisungen während der Trainingsstunden
auf elfisch zu erteilen, als er von Sariel unterbrochen wurde: “ Leander,.. was
bedeutet: Würdet Ihr Euch bitte umdrehen auf elfisch?“
Weder Leander noch Nahale konnten ein Lachen unterdrücken.
“ Ich fürchte diese Redewendung existiert in meiner Sprache nicht. Tut mir
leid“ brachte Leander lachend hervor.
Auch wenn Sariel ernste Zweifel daran hatte, das Leander dies wirklich
bedauerte. Er hatte nicht die Absicht den Rest seines Lebens in der Quelle zu
verbringen. Entschlossen und mit reichlich Überwindung kletterte nun auch
Sariel aus dem Quellbecken und schritt mit soviel Würde wie er aufbringen
konnte in Richtung Holzbank.
Über seine eigenen Sachen hatte Leander eine Hose sowie eine Robe aus einfachen
Leinen gelegt. Dankbar schlüpfte Sariel in die Sachen und wandte sich dann den
beiden Elfen zu.
Eine zeitlang versuchte Sariel dem fließenden Wortwechsel zu
folgen, gab es dann jedoch auf.
Zwar glaubte er einige Worte wieder zuerkennen jedoch genügten seine Kenntnisse
der Elfensprache nicht, um auch nur annähernd den Sinn der Unterhaltung zu
folgen.
Er begann im Stillen die Wörter und Sätze zu wiederholen, die er am heutigen
Tage gelernt hatte. Leander blickte kurz zu ihm hinüber und lächelte als er die
angestrengten Falten in Sariel`s Gesicht sah. „Für Heute ist es genug. Ich
werde dich aufsuchen, wenn wir mit den Lektionen fortfahren können.“ „Ein paar
Meter die Straße hinunter befindet sich ein Gasthaus.. schone deine Kräfte. Du
wirst sie noch brauchen“
Das Funkeln in Leanders Augen ließ Sariel keinen Zweifel daran, dass der Elf
die Wahrheit sprach. Angestrengt suchte er in seinem Kopf nach der
Abschiedsformel. Da ihm diese jedoch nicht einfallen wollte verabschiedete er
sich mit einem knappen Kopfnicken von Nahale und Leander und begab sich zum
Gasthaus.
Als die Sonnenstrahlen durch die geöffneten Fensterläden fielen, schlug Sariel
die Augen auf.
Er streckte sich, und stieg aus dem Bett. Auch wenn seine Kammer eher rustikal
als luxuriös eingerichtet war, so konnte er sich dennoch nicht erinnern jemals
so gut geschlafen zu haben. Nachdem er seine Morgenwäsche beendet hatte,
schlüpfte er erneut in die Kleidung die Leander im gestern gegeben hatte, und
stieg die Treppe hinab in den Wirtsraum.
„Guten Morgen“, grüßte er den Besitzer des Gasthauses, der hinter der Theke
stand und Gläser polierte. Dieser jedoch zuckte mit den Schultern und sah ihn
verständnislos an.
Ein leiser Seufzer entrang sich Sariel`s Kehle. Er war es durch die
Gesellschaft von Leander und Nahale gewohnt das Elfen auch die Allgemeine
Sprache beherrschten. Der fragende Gesichtsausdruck des Wirts zeigte deutlich,
dass dies ein Irrtum war.
Sariel lächelte dem Mann zu und versuchte es erneut „Mae Govannen“
Nun lächelte auch der Wirt und erwiderte die Begrüßung
Sariel ließ sich an einem der zahlreichen filigran gearbeiteten Holztische
nieder und überlegte was dieser Tag wohl für ihn bereithalten mochte.
Als er aufblickte stand der Wirt neben ihm und sah in abwartend an. Sariel
begann eilig die gelernten Vokabeln zu einem Satz zusammen zu stellen: „ Amin
merna Inya“
Das amüsierte Lachen das der Wirt daraufhin von sich gab ließ vermuten dass
etwas an dieser Bestellung falsch war.
Der Wirt redete nun auf Sariel ein, während er versuchte seine Worte mit Gesten
zu bekräftigen. Mit seinen Händen formte der Wirt wiederholt etwas das Sariel
an die Silhouette einer Frau erinnerte. Sariel schüttelte den Kopf und rieb
sich mit der Hand über seinen Bauch.
„Mat`?“ fragte der Elf mit einem heiteren Unterton.
Sariel der hoffte dass dies das elfische Wort für Frühstück war nickte dankbar.
Lachend verschwand der Elf wieder hinter der Theke. Sariel beschloss Leander
bei Gelegenheit zu fragen was er beim Wirt bestellt hatte.
Nach einem wohlschmeckenden und ausführlichen Frühstück trat Sariel hinaus auf
die Strasse. Mit dem Aufstieg der Sonne über den Horizont, erwachte die
Elfensiedlung zum Leben. Schon bald stellte Sariel fest das ihn diese neue
Umgebung noch zuviel abverlangte. Von den Unterhaltungen verstand er allenfalls
Fragmente, er war weder mit den Gebräuchen dieses Volkes vertraut, noch
entgingen ihm die zahlreichen Blicke der vorübereilenden Elfen. Wenn auch
keinesfalls unhöflich, so riefen diese Blicke ihm doch ins Gedächtnis das er
als Mensch hier nicht hergehörte.. anders war.
Vielleicht wollte Leander ihn darauf vorbereiten als er sagte „Bedenke, dass du
auf Aiyeona ein Gast bist“. Die Reserviertheit der meisten Bewohner ihm
gegenüber war beinahe körperlich spürbar. Sariel rief sich ins Gedächtnis das
nicht alle Angehörigen des Elfenvolkes Menschen gegenüber so aufgeschlossen
gegenüberstanden wie Nahale und Leander dies taten.
Nach allem was er bisher von den beiden über die Geschichte der Elfen und deren
Begegnungen mit den Menschen erfahren hatte, konnte er es ihnen nicht einmal
verdenken.
Zögerlich wandte Sariel sich in Richtung Taverne, ging einige Schritte und
blieb dann stehen.
Er kannte nur einen Ort außer seiner Kammer auf dieser Insel an dem er in Ruhe
nachdenken konnte: Eine kleine Lichtung unweit der Siedlung.
Wenig später betrat Sariel die Lichtung. Wie bereits bei seinen Besuchen zuvor
schien ihn auch diesmal eine Aura der Ruhe und des Friedens zu umhüllen. Dieser
plötzliche Stimmungswechsel rief Misstrauen in Sariel hervor. Da jedoch das
Gefühl des Unwohlseins in der Magengegend ausblieb entspannte Sariel sich ein
wenig. Hier schienen göttliche keine magischen Kräfte zu wirken. Wenn auch in
den arkanen Künsten alles andere als erfahren, so hatte Sariel doch gelernt
seinem Instinkt in dieser Hinsicht zu vertrauen.
Barfuss, trat Sariel auf die Lichtung und näherte sich dem gigantischen Baum in
deren Mitte.
Trotz Windstille schienen die Blätter dieses Riesen zu flüstern. Sariel warf
einen Blick hinauf in die Krone des Baumes, und ließ ihn dann langsam am Stamm
hinabwandern. Am Fuße des Baumes stand eine Art Tisch.. möglicherweise diente
er als Altar. Eine leichte Verneigung zu Ehren der ihm unbekannten Götter
andeutend, wandte sich Sariel ab und ließ sich auf einem Baumstamm nieder.
Die Ausbildung war anders verlaufen als er es sich vorgestellt hatte. Er hatte
das Schwert bisher nicht einmal in Händen gehalten. Noch nicht einmal gesehen
hatte er es. Leander hatte ihn durch die Wildnis gescheucht, sowie ihn etwas
elfisch gelehrt. Und das dieses Bad in der Quelle…
Mürrisch verdrängte Sariel das peinliche Ereignis und konzentrierte sich auf
das was noch vor ihm lag. Leander hatte ihm gegenüber Meditation erwähnt.
Auch wenn es ihm selbst eine Ewigkeit zurückzuliegen schien, so war Sariel die
Meditation nicht fremd. Selbst Thaili hatte von ihm verlangt seine Innere Ruhe
zu finden ehe er sich auf einen Kampf einließ. „Wer sich von äußeren Einflüssen
oder auch Gedanken ablenken lässt, hat einen Kampf schon verloren“, rief er
sich ihre Worte ins Gedächtnis.
Sariel schloss die Augen und versuchte seine innere Ruhe zu finden. Bald darauf
drangen die Geräusche des Waldes nur noch gedämpft an seine Ohren.
Dann jedoch kehrten seine Gedanken zu jenem Abend an der Quelle zurück und
seine Konzentration war dahin. Was hatte sich Leander nur dabei gedacht..
„Aaye Sariel“, erklang eine Stimme in seinem Rücken.
Aus seinen Gedanken gerissen zuckte Sariel erschrocken zusammen, schlug die
Augen auf und wandte sich der Sprecherin zu.
„Wie macht sie das nur?“, murmelte Sariel, als er Nahale aus dem Schatten eines
Baumes auf die Lichtung treten sah.
Obwohl auf seine Umgebung konzentriert, hatte er die Elfe nicht kommen gehört.
Kein knackender Zweig, kein Rascheln der Blätter und auch kein Knarzen der
Lederrüstung die sie trug. „Aaye Nahale“ erwiderte Sariel, nachdem er seine
Überraschung überwunden hatte.
Lautlos überquerte Nahale die Lichtung und ließ sich neben Sariel nieder. Wie
schon zuvor in ihrer Gegenwart so fiel es Sariel erneut schwer seine Gedanken
unter Kontrolle zu halten. Während Nahale sich nach seinen Fortschritten
erkundigte suchte Sariel verzweifelt nach seiner inneren Ruhe. Erneut musste er
an Nahale`s unerwartetes Auftauchen an der Quelle denken. Während er
verzweifelt im Stillen an einer Formulierung arbeitete um sich für dieses
peinliche Zusammentreffen zu entschuldigen, hörte er Nahale sagen: „Ich werde
mir nur eben was bequemes anziehen“.
Sariel, der annahm, dass die Elfe sich hierfür zurückziehen würde, hob den Kopf
um ihr zuzunicken.
Wie jedoch Leander in der Quelle, so begann nun Nahale vor seinen Augen aus
ihrer Lederkleidung zu schlüpfen. Vor Staunen blieb Sariel der Mund offen
stehen und er wandte eiligst den Blick ab. Als er meinte seinem Blut genügend
Zeit gegeben zu haben sich von seinem Kopf aus wieder im ganzen Körper zu
verteilen, drehte er sich zu Nahale um. Das amüsierte Funkeln in ihren
smaragdgrünen Augen signalisierte, das der Elfe seine peinlich berührte
Reaktion nicht verborgen geblieben war.
Nachdem er der Meinung war Puls, Herzschlag und seine Fähigkeit zu Sprechen
wieder unter Kontrolle zu haben, hob er seinen Blick und musterte die neben ihm
sitzende Elfe.
Eine Flut aus feinstem platinfarbenen Haar, umrahmte ihr schmales,
alterslosschön wirkendes Gesicht, aus welchem ihn die smaragdfarbenen Augen
noch immer amüsiert anblitzten. Das luftige Gewand umfloss ihre schlanke Figur,
offenbarte viel ebenholzfarbene Haut und ließ wenig Platz für Phantasien.
Sariel verbannte die nun folgenden Gedanken aus seinem Kopf und versuchte sich
wieder auf das Gespräch zu konzentrieren. Mensch und Elfe redeten über die
Unterschiede in ihren Kulturen, die verschiedenen Ansichten und Gebräuche als
auch über die Ereignisse der letzten Tage.
„Beunruhigt Euch etwas?“ wandte sich Nahale an Sariel „ihr wirkt angespannt“
Sariel der geahnt hatte, dass sein schauspielerisches Talent nicht ausreichen würde
um die Elfe auf Dauer zu täuschen, und auch keinen Sinn darin sah Nahale zu
belügen, nickte kaum merklich: „ gut möglich“, erwiderte er leise.
Nahale blickte ihn abwartend an.
„ Nun..es fällt mir schwer es in Worte zu fassen“, begann Sariel.
„Versucht es“, erwiderte die Elfe lächelnd.
Sariel seufzte leise und begann zu erzählen:“ Leander sagte es sei für die
Ausbildung erforderlich das ich lerne zu meditieren.. und meinen innere Ruhe
finde, um mich auf die vor mir liegende Aufgabe zu konzentrieren“.
„Aî“
„..und,, in Eurer Gegenwart.. ist es mir schier unmöglich diese innere Ruhe zu
finden oder mich auch nur auf irgendetwas zu konzentrieren“, schloss Sariel.
Nahale blickte ihn mit einem Lächeln an: „ Ist es möglich das ihr Euch zu mir
hingezogen fühlt und nun nicht wisst mit Euren Gefühlen umzugehen?“
„Aî“, lautete Sariel`s leise gegebene Antwort
Sariel erwartete ein Lachen oder zumindest ein Kichern zu
hören. Als jedoch beides ausblieb wagte er es den Kopf zu heben und Nahale
anzuschauen.
Die Elfe lächelte ihn entwaffnend an und erwiderte:"Aî, diese Wirkung
haben Elfen häufig auf Menschen"
Sariel murmelte leise etwas das wie "verständlich"klang,
danach herrschte eine Weile Schweigen auf der Lichtung.
"Sagt mir, warum schämt Ihr euch Eurer Gefühle?"nahm Nahale
das Gespräch wieder auf.
Sariel warf ihr einen prüfenden Blick zu ehe er antwortete:"Ich schäme
mich meiner Gefühle nicht. Momentan jedoch würden sie mich vom Erreichen meines
Zieles abhalten. Daher ist es besser sie zu unterdrücken"
Nun erklang das glockenhelle Lachen auf das Sariel bereits zuvor gewartet
hatte.
"Ihr habt noch sehr viel zu lernen. Es ist weder gut seine Gefühle zu
unterdrücken oder zu ignorieren.. noch ist dies auf Dauer eine Lösung. Ein
typisch menschliches Verhalten. So werdet Ihr niemals eure Innere Ruhe
finden."
Damit sprach Nahale aus was Sariel bereits insgeheim befürchtet hatte. Die
Anziehungskraft, die die Elfe auf ihn ausübte würde womöglich verhindern das er
mit seiner Ausbildung fortfahren konnte.
"..ein typisch menschliches Verhalten",wiederholte Sariel
leise ihre Worte."..menschlich.. das ist wohl auch das größte
Problem.."
Erneut ließ Nahale ein helles Lachen erklingen ehe sie antwortete:"Warum
sollte das ein Problem sein?
Interessiert beobachtete Nahale ihn während Sariel versuchte all seine Bedenken
und Gründe die ihm in den Sinn kamen in Worte zu fassen.
"Nun.. ihr seid eine Elfe..begann Sariel zögerlich.
"Aî"
"...und ich ein Mensch..allein die Lebensspanne verhindert wohl das
sich daraus etwas entwickelt.
Mit Glück und Wohlwollen der Götter sind mir noch 50 Jahre vergönnt. Doch
selbst dann werdet Ihr noch jung und schön sein, während ich..",
Sariel ließ den Satz unvollendet.
"Die Entscheidung ob ich diese Bürde tragen will oder nicht, liegt doch
bei mir. Oder meint ihr nicht"Nahales Stimme klang ruhig und
unbesorgt.
"Dann.. dann ist diese Situation nicht hoffnungslos"Sariel`s
Stimme klang erleichterter als er es beabsichtigt hatte.
"Ich habe nie behauptet sie sei hoffnungslos, das wart Ihr. Wer weiß was
die Zukunft bringt...
Auch wenn der Tonfall der Elfe ungezwungen klang, so machte er doch deutlich
das Nahale an diesem Abend nicht mehr zu diesem Thema sagen würde.
Mensch und Elfe saßen noch eine zeitlang unter dem Sternenhimmel. Schließlich
erhob sich Sariel:Ich werde mich nun auf den Heimweg machen..es ist spät
geworden.
Aî, auch Nahale erhob sich. Einen kurzen Moment standen sie sich in
kurzer Distanz gegenüber. Sariel zögerte jedoch und ließ diesen Moment
verstreichen.
Nahale strich ihm zum Abschied sanft über die Wange "Namaarie Sariel.
Vielleicht sollte unser nächstes Treffen an der Quelle stattfinden...
Sariel war ob dieser Berührung sprachlos. und brauchte einige Zeit um die
Bedeutung dieses Satzes zu erfassen.
Das amüsierte Lachen das er hörte als Nahale die Lichtung verließ, ließ Sariel
vermuten das der Elfe die verspätet eintretende Wirkung ihrer Worte nicht
verborgen geblieben war.
"Namaarie Nahale" murmelte Sariel leise, lange nachdem die
Elfe die Lichtung verlassen hatte, ehe er sich auf den Heimweg in die Siedlung
machte.
Mit der Zeit begann Sariel sich an die ungewohnte Umgebung
zu gewöhnen. Auch der Bevölkerung der Elfensiedlung schien sein Anblick nicht
mehr allzu fremd zu sein. Die Anzahl der Schrammen und Kratzer, die er sich auf
seinen täglichen Ausflügen zuzog nahm rapide ab. Hatte er zu Anfang noch
Stunden gebraucht um jene Lichtung tief in den Wäldern Aiyeonas zu finden, so
gelang ihm dies mittlerweile ohne große Verzögerung.
Nachdenklich betrachtete Sariel den großen Baum, der den Mittelpunkt der
Lichtung bildete. Sowohl Nahale als auch Leander hatten angedeutet das dieser
Baum eine besondere Bedeutung hatte. Auf seine Nachfragen jedoch hatten sie
lediglich erwidert, dass er „noch nicht soweit sei“. Wenn es jedoch eine Eigenschaft
gab, die Sariel nicht zu eigen war, dann war dies Geduld. Mehrere Male
umrundete er daher den gigantischen Stamm und blickte hinauf in die dichte
Krone dieses Riesen. Vorsichtig legte er eine Hand auf den Stamm. „Ich werde
noch erfahren welches Geheimnis dich umgibt“, murmelte Sariel leise.
„Aaye Sariel“
Erschrocken trat Sariel einen Schritt zurück und musterte den Baum ungläubig.
„Lebt auf dieser Insel denn alles?“, schoss es Sariel durch den Kopf.
Während er noch nach den richtigen Worten suchte, trat eine schlanke Gestalt
aus dem Schatten des Baumes.
In leichte fließende Gewänder gekleidet trat Nahale näher. Wie schon bei ihren
vorherigen Zusammentreffen, fühlte sich Sariel in seiner einfachen Leinenrobe
und barfuss wie er war unwohl in der Gegenwart der Elfe. Einerseits erleichtert
das es nicht der Baum war der zu ihm gesprochen hatte, andererseits sich selbst
scheltend das er dies überhaupt in Erwägung gezogen hatte, brauchte Sariel
etwas Zeit um die Begrüßung zu erwidern.
Nachdem Mensch und Elfe sich auf der Lichtung niedergelassen hatten plauderten
beide eine Weile über aktuelle Geschehnisse, ehe sie sich der Geschichte der
Vergangenheit zuwandten. Interessiert lauschte Sariel Nahale`s Erzählung. Bei
der Erwähnung der Drow verfinsterte sich Sariels Gesicht.
Nahale, der diese Veränderung nicht verborgen blieb, blickte ihn abwartend an.
„Dann verdanken wir diese dunkelhäutige Plage also den Elfen? Wenn Euer Volk
die Drow nicht verbannt hätte…“
Nahale schüttelte leicht den Kopf „Die Drow haben ihr Schicksal durch ihr
Verhalten selbst gewählt, es blieb keine andere Wahl als sie zu verbannen.“
„Dennoch bleiben die Elfen für die Drow verantwortlich“ äußerte Sariel
entschieden. „In dieser Sache machen es sich die Elfen ziemlich einfach.. unter
den Überfällen und Gewalttaten der Drow mussten bereits unzählige Menschen
leiden. Darunter auch viele Freunde von mir…“ Bei diesen Worten dachte Sariel
an die Gefangennahme von Thaili und Fu-Jin sowie deren körperliche und geistige
Verfassung als es endlich gelungen war sie aus den Klauen der Dunkelelfen zu
befreien. „Und Ihr behauptet nun das sei einzig und allein ein Problem der
Menschen???“ Sariel konnte und wollte nicht glauben was Nahale ihm erzählte.
Die Elfe blieb ruhig und wartete geduldig bis Sariel seine Triade beendet
hatte.
„Die Drow töteten einst meinen Gefährten…“ begann Nahle leise. „Ich habe also
guten Grund sie zu hassen“
Sariel nickte schuldbewusst ob seines Ausbruchs „..tut mir leid das zu hören“
„Dennoch besteht Hoffnung für das Volk der Drow“ hob Nahale an „es gibt einige
unter den Drow, die sich abheben und die Gewalttätigkeit ihres Volkes ablehnen“
„Dieser Unterschied mag für Euch existent sein, für mich ist er es nicht. Die
einzige Unterteilung die ich vornehme ist lebend oder tot“ entgegnete Sariel
ruhig. „Ich kann es mir bei einer Begegnung mit den Drow kein Zögern erlauben.
Sowohl von der Gewandtheit, Geschwindigkeit als auch von der Kampferfahrung her
sind mir die Drow überlegen. Wenn ich zögere bin ich tot.“
„Aî, ich verstehe Eure Einstellung, aber es gibt Individuen, die sich von Ihrem
Volk lossagen“
„Welchen Grund hat sie die Drow derart zu verteidigen“, fragte sich Sariel
Nachdenklich musterte Sariel
die ihm gegenübersitzende Elfe. Die dunkle Tönung ihrer Haut, sowie das
strahlend helle Haar, das ihr in Kaskaden bis auf die Schultern fiel
erinnerten Sariel entfernt an das äußere Erscheinungsbild der Drow. Auch wenn
ihm selbst der Gedanke völlig abwegig erschien, es gab nur eine Möglichkeit
sich Gewissheit zu verschaffen. „Seid Ihr mit den Drow verwand?“ Zu Sariel
Erleichterung schien das Funkeln in Nahales grünen Augen eher amüsiert denn
wütend zu sein als sie ihm antwortete „Aî, ich bin mit ihnen verwand…“ Sariel
riss überrascht die Augen auf „so wie es alle Elfen sind.. jedoch bin ich
kein Drow“, beendete Nahale ihre Ausführung. |
Erleichtert Blickte Sariel
sich im ihn umgebenen Wald um, kaum das er aus dem Kreis des magischen
Portals getreten war. Sein letzter Besuch auf Aiyeona lag lange zurück. Zu
lange. |
Das nächtliche Aufeinandertreffen mit Leibgardist Angharad
sowie die daraus resultierenden Folgen beschäftigten Sariel noch Tage nach dem
tatsächlichen Vorfall. Hatte er sich wirklich korrekt verhalten und
nachvollziehbar reagiert? In jener Nacht hätte er beide Fragen ohne zu zögern
mit ja beantwortet nun jedoch….
Innerhalb weniger Stunden hatte es Ermahnungen der Königin, sowie seiner
Vorgesetzten der Garde gegeben. Als seien jene Schelten noch nicht Strafe
genug, war ihm beim Verlassen des Palastes ein weiterer formeller Fauxpas
unterlaufen. Müde von der nahezu durchwachten Nacht, hatte er in eben jenem
Moment gähnen müssen als seine Hoheit Prinz Alvarian den Palast betreten
wollte. Dieser Bruch der Etikette würde vermutlich Konsequenzen haben.
Also war Sariel etwas gelungen was zuvor wohl nur wenige im Stande zu leisten
waren: Innerhalb eines Tages war er nahezu der gesamten Königsfamilie durch
Fehlverhalten aufgefallen. Auch eine Möglichkeit seinen Namen im Königreich zu
etablieren.
Nein, dies versprach wahrlich keine glückliche Woche zu werden. So sehr er sich
auch bemühte den Ansprüchen, welche seine verschiedenen Aufgaben an ihn
stellten gerecht zu werden, es wollte nicht gelingen. Welches Mitglied des
göttlichen Pantheon so fragte sich Sariel trieb hier seine Späße mit ihm, und
lies all die guten Absichten in solchen Katastrophen enden?
Auch wenn es die derzeitige Lage nicht gestattete beschloss Sariel sich eine
Auszeit zu nehmen. Sollten sich einmal andere um den Schutz der Königin
kümmern, andere für Ordnung innerhalb der Mauern Vespers sorgen und sollten
andere sich um den Wiederaufbau des teilweise zerstörten Minoc kümmern. Von
Trinsic aus führte ihn sein Weg nach Yggdrasil. Zeit zum Nachdenken das war was
nun benötigt wurde. Lächelnd blickt er in seinem Arbeitszimmer auf die
Reliquien seiner Vergangenheit. Das Banner Magincias. Der alten Republik, nicht
das schattenhafte Abbild das Adam geschaffen hatte. Sein Blick wanderte weiter
die Wand entlang und verweilte einen Moment an der Klinge die dort in der
hölzernen Halterung steckte. Das erste eigens für ihn geschmiedete Langschwert.
Direkt daneben stand die Büste jener Person, die ihn gelehrt hatte es zu
führen: Thaili Katuri.
Das Lächeln verschwand aus Sariel`s Gesicht. Wäre Thaili einverstanden mit dem
Weg den ihr einstiger Schützling gewählt hatte, oder würde auch sie es Verrat
nennen?
Von Thaili schweiften die Gedanken weiter zu Leander Handsome. Die Umstände
dieses Treffens waren auch alles andere als günstig gewählt. Sicherlich es war
nichts Ungewöhnliches wenn Freunde gemeinsam etwas tranken, doch sowohl Ort als
auch Gesellschaft waren an diesem Abend nicht eben vorteilhaft gewesen. Erneut
sprach eine leise Stimme in seinem Kopf von Verrat.
Ärgerlich verbannte Sariel solcherlei Gedanken.
„Höre auf die Stimme deines Gewissens und deines Herzens und folge dem Weg den
sie dir weist“
Dieser Rat, vor beinahe einer Ewigkeit erhalten, riss ihn aus einer Lethargie,
die ihn bereits seit Tagen fest in ihren Klauen gehalten hatte. Dabei war es
weniger der Wortlaut als vielmehr die Erinnerung an den Rat an sich. Jene
Erinnerung beschwor beruhigende Bilder herauf. Die Lichtung auf Aiyeona, das
Flüstern des Windes und natürlich…. Nahale.
Schon in der Vergangenheit hatte sie es wie niemand zuvor verstanden ihm bei
Problemen gleich welcher Art den rechten Weg zu weisen. Ihre bloße Gegenwart
übte eine beruhigende schon beinahe hypnotische Wirkung auf ihn aus, die er
jedoch als sehr angenehm empfand.
Sein letzter Besuch lag lange zurück. Zu lange. Der Gedanke an ein baldiges
Wiedersehen mit der Elfe besserte Sariel`s Stimmung erheblich.
Aiyeona, kaum das er den Kreis des magischen Portals verlassen hatte, spürte
Sariel die Energie, welche diese Insel zu um- nein zu durchfließen schien. Nach
wenigen Schritten bereits war das Gefühl des Unwohlseins, welches die Reisen
mittels der magischen Portale begleitete, verschwunden. Doch die lange
Abwesenheit hatte ihre Spuren im Gedächtnis hinterlassen, auch nach einer guten
Stunde hatte Sariel die Herzlichtung noch nicht gefunden.
Nachdenklich ließ er sich auf dem mit moosbedeckten Waldboden nieder und
blickte sich um.
Der Wald schien sich in jede Richtung schier endlos zu erstrecken. Auch eine
Musterung des Bodens brachte ihn nicht weiter. Selbst wenn vor wenigen Minuten
eine ganze Elfenarmee diesen Weg entlang marschiert wäre, würde der Waldboden
wohl keine für einen Menschen erkennbaren Spuren aufweisen. „Geduld“, ermahnte
Sariel sich selbst, und setzte seine Suche fort.
Erst als die Sonne ihre tägliche Reise bereits beinahe beendet hatte, und ihre
schwächer werdenden Strahlen den Horizont rot färbten fand Sariel was er
suchte. Erschöpft ließ er die Bäume hinter sich und trat auf die Lichtung, in
deren Mitte der Herzbaum wie ein Monarch thronte. In einer eher unbewussten
Geste neigte Sariel kurz den Kopf in Richtung des Giganten und blickte sich auf
der Lichtung um. Sie war leer.
Schmunzelt musste er sich eingestehen das es wohl nicht anders zu erwarten
gewesen war.
Nahale wusste ihre Tage wohl sinnvoller zu verbringen als auf der Lichtung zu
sitzen und auf einen seiner unregelmäßigen Besuche zu warten. Während einer
kurzen Rast überdachte Sariel seine nächsten Schritte. Stets in der Hoffnung
Nahale würde aus den nun länger werdenden Schatten heraustreten und ihn begrüßen.
Gemeinsam mit dem letzten Licht des Tages verschwand die Hoffnung. Enttäuscht
und sich selbst für seine Naivität scheltend trat Sariel den Rückweg zum Portal
an.
Trotz oder vielleicht grade wegen dieses Rückschlags war der Wunsch Nahale
wieder zu sehen stärker geworden. Das letzte mal hatte er sie im Palast zu
Trinsic getroffen.. womöglich hielt sie sich noch im Königreich auf.
Erfüllt von neuer Hoffnung führte Sariel sein Pferd gen Cove, und dann weiter
zu der kleinen Halbinsel auf welcher Nahale`s Domizil stand. Hinter den
Fenstern herrschte Dunkelheit. Fast war der Reiter versucht sein Vorhaben
aufzugeben. Nein, selbst wenn die Elfe nicht hier weilen sollte, so wollte er
ihr zumindest eine kurze Nachricht hinterlassen. Trabend näherte er sich dem
Grundstück.
Im Kopf bereits die Formulierungen des Briefes ausarbeitend, erhellte ein
Lächeln sein Gesicht.
Ebenso tat es ein kleines Feuer im Garten mit der Umgebung.
Es schien das zumindest heute Tyche es gut mit ihm meinte.. vielleicht hatte
sie auch nur Mitleid mit ihm, aber was machte das für einen Unterschied: Er
hatte Nahale gefunden.
Eilig band er sein Pferd an einem der Bäume fest und näherte sich dem Haus.
Nach einer kurzen aber freudigen Begrüßung, saßen beide nebeneinander am
Lagerfeuer.
Ohne dass es Worte oder Gesten ihrerseits bedürfte, genügte allein ihre
Gegenwart um bei Sariel ein Gefühl von Ruhe hervor zu rufen. Die Last der
letzten Tage, all jene Geschehnisse, die ihn beschäftigt und belastet hatten
schienen nun weniger schwer und fielen von ihm ab.
Schweigend saß er neben Nahale und konnte nicht umhin sie auch diesmal
bewundernd zu mustern. Bluse sowie Hose waren aus einem luftigen, selbst in der
Dunkelheit noch schwach schimmernden Stoff, der ihre schlanke Figur umfloss und
eine entfernte Ähnlichkeit mit den langen, Kaskaden gleich fallenden,
platinfarbenen Haar besaß. Ihre dunkle, ebenholzfarbene Haut verschmolz nahezu
perfekt mit der Nacht, sodass neben dem Haar nur ihre smaragdgrünen Augen
aufblitzen, wenn sich der Schein des Feuers in ihnen spiegelte, während der
Rest ihres Gesichtes von Dunkelheit verschluckt wurde.
„Was führt dich so spät noch her?“ wandte sich Nahele an ihn.
Sariel war einen kurzen Moment versucht ihr die Wahrheit zu sagen, dass er
allein ihretwegen hier war um sie zu sehen.. ihre Stimme zu hören.. und …
Er tat es nicht.
Stattdessen erzählt er ihr von den Geschehnissen im Palast, seinen Aufgaben bei
Hofe, dem Dienst in der Garde und versuchte so sich selbst über den wahren
Grund dieses Besuchs zu täuschen.
Nahale hörte ihm schweigend zu ehe sie freundlich äußerte: „Und dennoch ist
es mehr, noch etwas anderes was dich bedrückt“
Sariel lächelte nachgebend. Es war einfach nicht möglich dieser Frau etwas zu
verheimlichen.
„Ja, es gibt noch etwas das mich bedrückt, doch leider können weder ich,
noch du oder sonst irgendjemand daran etwas ändern. Es fällt mir noch immer
schwer mich damit abzufinden“.
Nahale wandte sich ihm zu:“ Du hast Angst zu sterben.“bestätigte sie
leise.“…das ist verständlich, die meisten Menschen fürchten das Unbekannte,
aber sag mir warum machst du dir sorgen um etwas das erst in vielen Jahrzehnten
geschehen wird?“
„Jahrzehnte.., wiederholte Sariel leise“ich habe mit der mir
gegebenen Zeit noch nicht viel nennenswertes erreicht, und ich fürchte das ich
die mir verbliebene Zeit auf ähnliche Art verschwenden werde. Nahale
blickte ihn abwartend an und nach kurzem zögern fuhr Sariel fort“Selbst wenn
mir noch Jahrzehnte verbleiben, was sind Jahrzehnte verglichen mit der dir
verbleibenden Zeit? Doch nicht viel mehr als ein kurzer Augenblick“
Ein Lächeln, vom Schein des Feuers aus der nächtlichen Dunkelheit gerissen
huschte über das Gesicht der Elfe.“Sariel, Augenblicke, egal wie kurz sie
auch sein mögen, richtig genutzt können kostbarer sein als Jahrzehnte oder auch
Jahrhunderte.“
“Es fällt dir leicht so etwas zu sagen, schließlich verbleiben dir
Jahrhundert oder auch Jahrtausende“
Nahale blickte ihn fragend an “ Ist es dieses Wissen was dich zögern lässt?
Woher willst du wissen das ein Leben das ein Jahrtausend andauert besser ist
als ein kurzes aber ausgefülltes Menschenleben?“
Auf diese Fragen vermochte Sariel keine Antwort zu geben.
“Ich sehe da du selbst eine Barriere aus Zweifeln und Angst errichtet hast.
Du allein musst sie durchbrechen, dabei kann ich dir nicht helfen.
Nahale sprach die Wahrheit, und Sariel wusste es. Das Leben hatte ihm nur eine
begrenze Anzahl an Jahren gegeben, diese zu nutzen lag allein in seiner Macht.
Wenn diese wenigen Augenblicke, denn vielmehr waren die ihm verbliebenen
Jahrzehnte im Vergleich zu Nahales Jahrhunderten nicht, wirklich ebenso
erfüllend sein konnten wie ein unsterbliches Leben von dem er immer geträumt
hatte, dann wäre er ein Narr würde er noch mehr dieser Augenblicke
verschwenden.
Lächelnd wandte er sich Nahale zu “Du hast Recht, wie stets. Es liegt wohl
an mir die Zeit zu nutzen. Und jeden Augenblick auszukosten..
Die Elfe erwiderte das Lächeln und nickte Sariel aufmunternd zu “Aî“
„Du kannst mir jedoch helfen… diese verbleibenden Augenblicke auszufüllen…,
endete Sariel leise. Während er sprach hatte er sich langsam Nahales Gesicht
genähert. Noch während das Wort „auszufüllen“ in der Nacht verklang, berührten
Sariels Lippen die Ihren.
Sie stieß ihn weder zurück noch versuchte sie sich ihm zu entziehen. Zu Sariels
Überraschung erwiderte sie den Kuss ebenso intensiv.
Nahale hielt Wort, zwar hatte sie ihm nicht geholfen die Barriere einzureißen,
doch sie zeigte ihm deutlich das dies die richtige Entscheidung gewesen war.
Nach langer Zeit verbrachte Sariel wieder eine Nacht unter Sternenhimmel, --
und diesmal verbrachte er sie nicht allein.
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Björn Ahrendt).
Der Beitrag wurde von Björn Ahrendt auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.07.2008.
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