Andreas Rüdig

Johnathans Johannistrieb

Der Johannistrieb. Dieser scherzhafte Ausdruck beschreibt ein gesteigertes Bedürfnis nach sexuellen Beziehungen bei Männern im vorgerückten Alter. Der Ausdruck bezieht sich auf den oft zweiten Austrieb der Bäume. Dieser zweite Austrieb erfolgt um den Johannestag (24. Juni) herum.
 
Losung?
 
Weiß ich nicht.
 
DIese Losung mußte ich bei mir in der Diskothek einführen. Mein Türsteher ist verpflichtet, jedem Besucher diese Frage zu stellen. Grund dafür sind nicht etwa übermütige und aufmüpfige Jugendliche. Nein. Die jungen Besucher benehmen sich eigentlich ganz ordentlich.
Nein: Es sind die Senioren, die regelmäßig zu den Ü 50 - Partys kommen. Sie sind oft alleinstehend und hungrig nach Liebe und Zuneigung. Sie kommen nicht etwa zum Tanzen und Cola-Trinken. Nein, mitnichten. Viele von ihnen (beiderlei Geschlechts) sind so ausgehungert, daß der Flirt, das Kennenlernen von Personen des anderen Geschlechts und das Verbringen gemeinsamer Zeit (auch nach dem Diskotheken - Besuch) im Mittelpunkt steht.
Der Johnathan ist schon weit jenseits der 60. Seine Frau verließ ihn schon vor einigen Jahren. "Der Johnathan ist ein Lüstling," behauptete sie. "Ständig ist er auf ein Abenteuer mit anderen Frauen aus. Selbst jetzt, da er schon alt ist, kann er das Verhalten nicht lassen. Ich halte das nicht aus. Daher verlasse ich ihn jetzt."
Die Folge: Auf der Suche nach seiner Angetrauten zog Johnathan erst recht über die Dörfer. Er besuchte jede Scheunenfete, jeden Tanztee, jeden Seniorennachmittag. Gefunden hat er seine Thusnelda nie mehr... seine Frau war nämlich clever und häuslich veranlagt. Als sie einen neuen Kerl an der Hand hatte, zog sie bei ihm ein. Fortan verbrachten sie die Abende vor dem heimischen Fernseher.
Und der Johnathan? Irgendwann hatte der auc hkapiert, daß Thusnelda Geschichte war. Das war, als er sich in Bertha verguckt hatte. Bertha ist eine lebenslustige Dame, die gerne zu den Ü 50 - Partys kam. Lieder hatte Bertha eine Zwillingsschwester, die ihr auch im Alter noch ziemlich ähnlich sah. Und blöde, wie Johnathan war, konnte er die beiden Schwestern nicht auseinanderhalten. Mathilde lautet der Name der Schwester.
"Bertha!" Laut gellend hallte der Schrei durch die Diskothek, als er seine vermeintliche Freundin bei der Ü 50 - Party entdeckte - ich höre den Schrei noch heute in meinen Ohren. Der Schlager entzückt die Besucher, die Gespräche sind halblaut, Skatkarten und Rezeptzeitschriften klatschen auf die Tische. Seine Stimme übertönt alle Hintergrundgeräusche. Sofort blicken alle Gesichter zu ihm. Mit hochrotem Gesicht stürzt er sich auf Mathilde. "Bertha," schimpft er. "Was machst Du da?" Voller Eifersucht und rücksichtslos drängte er sich ins Gespräch. Mathildes Partner ließ sich diese Unterbrechung natürlich nicht bieten. Was zuerst nach Rollatorenkeilerei aussah, sollte schließlich in eine ordentliche Schlägerei ausarten. Diverse dritte Zähne gingen dabei zu Bruch, ein Glasauge, zwei Toupets, ein Spazierstock und zwei Hörgeräte auch.  Mein Grammophon hatte ich rechtzeitig in Sicherheit gebracht.
Seitdem ist mein Etablissement mit einem schlechten Ruf belegt. In schwarzes Leder gekleidete Senioren und andere zwielichtige Subjekte kommen jetzt zunehmend zu mir. Sie schätzen die angeblich verruchte Atmosphäre. Da ich diese Kundschaft nicht unbedingt mag, habe ich das Kenntwort eingeführt... 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.08.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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