Martin Peters

Bedeutungslose Opfer ( 2. und letzter Teil

2

An bösen Taten lernt sich fort die böse Tat.

[Sophokles]

 

Chef!“, brüllte Niels mit Leibeskraft „wir haben Ihn! Er wollte mit falschen Infos verwirren, aber wir haben die richtige Adresse trotzdem bekommen“

Erich, der Chef machte eine undeutbare Mine und meinte eher beiläufig: „Dann schickt jemanden hin. Der ist sowieso nicht da, wie immer.“

 

Ein Haus. Eine Frau alleine im Schlafzimmer. Sie legte gerade die Wäsche zusammen, als es klingelte. Nachdem sie die bescheidene Holztreppe hinunterging, fragte sie sich, ob ihr Mann schon wieder zurück ist und nur den Schlüssel vergessen hatte.

Sie öffnete die Tür und ihr rutschte ein kurzer, aber angstvoller Ton de Schreckens heraus.

Vor ihr stand ein Polizist.

„Einen schönen guten Tag. Sind sie alleine oder ist ihre Tochter auch da?“

 

Erik brüllte seine Mannschaft im Revier zusammen. Jetzt hatten sie die Chance das Schwein zu erwischen. Aber wie es aussah, sollte alles so kommen, wie es schon die letzten Monate ging. Ein anonymer Tip. Kinderpornos. Und ein möchtegern mittendrin. Und sie bekamen niemals jemanden. Nur Adressen, wo sich herausstellte, daß das nur ein unbebauter Acker ist. Oder eine Ruine. Oder, oder, oder. Irgendetwas war immer.

„Wollt ihr euren Job behalten?“, schnauzte Erik herum. Alles wurde schlagartig still.

„Ihr könnt so weiter machen, aber denkt ihr, daß man eine Truppe weiter finanzieren wird, die in mehreren Monaten nicht einmal eine einzige Verhaftung hatte? Wir haben ja nicht einmal einen Verdächtigen! Meine Güte ist das denn so schwer? Oder machen wir es den Verbrechern nur so leicht? Mensch, das kotzt mich an! Wir sind hier Profis. Und Profis, die lange genug studiert und  zu viele Erfahrungen auf den Gebiet habe, als das uns irgend so ein Lackaffiger Amateur verarscht!“

„Ein Maulwurf!“, platzte Romy die Profilerin heraus.

In dem stillen Raum wurde es gleich noch stiller. Das erste mal wurde dies ausgesprochen, obwohl es viele von ihnen schon gedacht haben. Nun wurden aber die Zweifel gesäht und alle setzten einen misstrauischen Blick auf. Jeder beäugte jeden.

„Danke, Romy.“, sagte Erik, der Chef, mit erstaunlicher Ruhe. „Danke, daß du es ausgesprochen hast. Leider traut nun niemand seinen Gegenüber. Aber so ist es. Das habe ich auch schon vermutet. Ich habe auch schon Informationen gestreut, die nur vereinzelte Leute kannten. Bis jetzt sind diese Infos allerdings in diesem Raum geblieben. Ich gehen langsam davon aus, daß der Typ genau das wollte. Damit wir uns gegenseitig ausbremsen. Aber nicht mit uns. Jetzt haben wir vielleicht sogar einen Vorteil. Also,…“, Erik wurde wieder lauter „…sollten wir jetzt zweihundert prozentig arbeiten, damit wir ihn endlich kriegen!“

 

Der abgestellte Polizist schlenderte von seinem Streifenwagen auf das Haus zu. Er fragte sich ernsthaft, was er hier sollte. Wieso sollte er die obligatorischen Besuche machen und manchmal sogar schlechte Nachrichten überbringen? Wie ein böser Hermes.

Er klingelte. Die Tür öffnete sich. Die Frau. Die Pistole. Der Schrecken in seinen Augen.

„Hände hoch, du Schwein!“, brüllte ihn die Frau an. Vor Schreck konnte er sich nicht einen millimeter bewegen. Er merkte, wie sich das Adrenalin stoßweise in seinen Körper pumpte. Er wollte Action, aber nicht so. Er wollter der mit der Pistole sein.

Nachdem die Frau ihn das zweite mal anbrüllte, er solle gefälligst tun, was sie sagte, reagierte er immer noch nicht. Die Frau schoß. Einmal, zweimal.

 

Chef!“, kam ein gekrächtse Männerstimme. „Der abgestellte Polizist wurde mehrmals angeschossen!“

 

 

3

Das Böse ist des Menschen beste Kraft.

[Friedrich Nietzsche]

 

Nachdem die Frau das gesamte Magazin auf den Polizisten abgeschossen hatte, schlug sie wie wild auf ihn ein, bis er bewußtlos war und die Verstärkung eintraf.

Die frau brauchte mehrere Stunden, um sich zu beruhigen und wieder sprechen konnte, ohne in Tränen aus zu brechen.

„Also noch einmal.“, stellte Erik klar und wollte dadurch Tabula Rasa mit dem voran gesagtem machen, „Ein Polizist kam zu ihnen und erklärte, daß ihre Tochter in höchster Gefahr schwebt? Und die Gefahr sollte von einem Mann, verkleidet als Gesetzeshüter, ausgehen?“

Die Frau nickte nur. Überlegte es sich dann aber anders und wollte dem Inspektor dann doch mehr sagen, als nur zustimmendes Nicken. „Er hatte mir gesagt, daß der falsche politist in Wahrheit ein Mitglied eines Kinderpornorings ist, und wenn er meine…“, sie brach ab und starrte vor sich ins Leere.

„Wie geht es dem polizisten, den ich anschoß?“, fragte sie abrupt.

„Dem geht es ganz gut, abgesehen davon, daß sie ihm acht Patronen gegen seine Schußsichere Weste entgegenschleuderten, ganz gut. Die Weste schützt ihn zwar vor tödlichen Verletztungen, aber blaue Flecken und zwei, drei gebrochene Rippen wird er schon haben. Also, wohin ist ihr Mann nun mit dem Kind gegangen?“, fragte Erik.

„Ich weiß mitlerweile, daß ein richtiger Polizist mir niemals Angst machen würde, von wegen ‚Ihr Kind ist mit einem Kinderschänder verabredet‘. Ich hätte eher daran denken sollen. Warum hat da der mütterliche Instinkt versagt?“, antwortete sie mit einer Gegenfrage. Dann besann sie sich, und sagte: “Sie wollten in den Park und anschließend in den Zoo. Danach wollten sie glaube ich noch zu einigen Kumpels…“, sagte die frau schließlich, beendete den Satz aber nicht, denn nun leuchtete ihr ein, welche Gefahr wirklich lauerte. Und wo.

 

Durch den Park. An eins, zwei Drogenfreaks vorbei. Spielende Kinder. Bellende Hunde. Besorgte Mütter.

Im Zoo. Vorrüber am Löwenkäfig. Schreiende Affen. Elefanten.

Der falsche Polizist beobachtete, wie der Vater mit seiner kleinen Tochter in einen Hinterhof , unweit des Zoos, verschwindet und in einen schäbigen Eingang schlüpft. Er zieht seine Waffe. Schließlich würde niemand daran zweifeln, daß er der Böse sein könnte.

 

Der Vater geht mit seiner Tochter in eine Wohnung, die vor unrat kaum als Wohnung zu erkennen ist. Sie durchqueren den Flur und öffen eine Tür hinter einem Vorhang. Das zimmer, welches sich dahinter offenbart, ist bis auf den kleinsten Staubfussel geputzt. Ein großes Diwan steht in der Ecke. Ein Käfig in der Anderen. Zwei Männer sitzen in bequeme Sessel. Ein Videokammera ist auf ein bett gerichtet.

 

Mit seiner Waffe vorraus bewegt sich der falsche Polizist den Treppenaufgang Stück für Stück hinauf.

Stufe um Stufe.

Er findet die richtige Tür. Woher seine Informationen kommen, könnte nie erklären. Aber er hat sie. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn heute wäre es sein letzter Einsatz. Die Bullen hat er schon auf seine Spur gelockt. Er hoffte, daß sie nicht so dumm waren, wie er vermutete. Schließlich hat er genügend Hinweise gestreut, daß sie auch hierher finden würden, nur mit einem entscheidenen Nachteil. Er hatte es so eingerichtet, daß sie ihm zwar folgen würden, aber zeitlich so versetzt, daß er nicht gefasst werden würde.

 

Die Männer machten es sich in verschieden Ecken des gut möblierten Zimmers noch bequemer. Es klopfte.

„Das wird wohl Jimmy sein. Wird ja auch Zeit, daß er kommt.“, sagte der Vater, wobei er mit seinem Auge zwinkerte. Die Anderen lachten. Der Vater ging zur Tür. Eine Tür mit einem Spion. Aber warum sollter er ihn benutzen? Er weiß ja wer kommt.

Er öffnete die Tür und sah in Jimmys angstvollen Gesicht. Sein Mund war mit Sekundenkleber zugeklebt. Es sah fast aus, wie in diesem Film, wo dem Protagonisten die Lippen zuwachsen, weil er nicht mit den Agenten kollaborieren wollte.

Er sah an Jimmy herunter und gab ein kurzen Stoßseufzer von sich. Jimmys Hand und seine Männlichkeit ebenso. Ab der Taile nach unten war Jimmy blutüberströmt. Beide Hände und sein Schniedel trug er wie ein Souvenier am Gürtel. Ein T-shirt mit Aufschrift ‚Damit ich nie wieder kleine Kinder berühren kann!‘ zierte sein Oberkörper.

Und das alles war nur eine Sekunde.

Dann ging alles rasend schnell.

Ein Knall.

Eine Blutfontäne.

Gehirnmasse.

Ein toter Jimmy, der auf dem Boden aufschlägt.

Die Kugel durchschlug jimmys Kopf und traf den Vater an der Schläfe. Der taumelte nach hinten und krampfte sich zusammen. Sein Herz ebenfalls. Er erlitt einen Herzanfall. Doch das dauerte dem falschen Polizisten, den der Vater in diesem Augenblick, indem Jimmy mit einem klatschenden Geräusch auf dem Boden knallte, viel zu lange. Er hob die Waffe und drückte sie dem Vater an die Stirn.

 

Das Geräusch einer Tür die quietschend geöffnet wurde. Ein Schuß. Ein Klatschen, wie eine harte Ohrfeige. Ein tiefgreifender menschlicher Seufzer. Noch ein Schuß. Dann Brach mit einem Stoß die Tür aus den angeln und ein Mann wie ein Footballspieler stand in der Tür. Er Trug eine Polizeiuniform, aber jeder der Verbrecher wußte sofort, daß es Alles war, nur kein Bulle. Und das machte ihnen am meisten Angst.

In seinen Händen zwei automatsiche Waffen. Mündungsfeuer.

Nach einigen langen Sekunden stand nur noch der Mann in Uniform und das kleine Mädchen. Alle anderen lagen blutüberströmt auf dem Boden. Die Wände sahen aus, als würden sie brennen, soviel Qualm kam aus ihnen hervor. Die Federn der zerfetzten Kissen und der Matraze flogen durch die Gegend.

In der Sekunde, in der die Sirenen der Streifenwagen erklangen, war der falsche Polizist verschwunden.

 

Erik der leitende Komissar sah sich das Trümmerfeld an. Die Kleine wurde gerade von einem Arzt untersucht. Spurensicherung und Leichenbeschauer waren ein großes Knäul.

Er blickte enttäuscht über das Chaos.

Romy die Profilerin stand plötzlich neben ihm.

„Chef.“, sagte sie. Mehr bekam sie gerade nicht heraus. Sie fasste sich noch einmal und sagte schließlich: „Wir haben noch eine Handvoll Spuren, denen wir nachgehen können…“

„Nein!“, unterbrach sie der Komissar. „Wir werden ihn nicht fassen. Das Alles…“, damit bewegte er seine Hand, um die Wohnung und das Geschehene zu beschrieben, „…ist ER.

Mehr wird er uns nicht preisgeben. Er hat uns hierher geführt. Aus, Ende.  Er wird für immer von der Bildfläche verschwinden. Das war sein Anliegen. Und das war seine Intention mit der Uniform. Das Gesetz vertreten. Und den Pornoring, oder die Köpfe, brauchen wir nicht mehr zu suchen.“

Er blickte Romy tief in die Augen. Sie konnte erkennen, daß Erik seinen Job an den Nagel hängen würde, als er beiläufig sagte: „Die zerfetzten Leichen da auf dem Boden….das war der Pornoring.“

Damit drehte sich der Komissar um und ging.

 
 
ENDE 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.08.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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