...
alles was ich will!
Auf
meine Berührung hin war sie leicht zusammen gezuckt. Ich schielte zu ihr herüber,
um eine Reaktion ihrerseits auszumachen. Doch sie stand einfach nur still da,
als wäre nichts geschehen. Dass sie den anderen überhaupt nicht mehr zuhörte,
hatte ich schon lange bemerkt. Mir ging es genauso. Ich hatte nur sie im Kopf!
Was
hatte das zu bedeuten? Warum legte er urplötzlich seine Hand auf meine
Schulter? Ich wagte nicht ihn anzuschauen, und mein Blick verweilte starr nach
vorn. Meine Gedanken begannen sich im Kreis zu drehen, und mein Herz begann
schneller zu schlagen.
Warum
reagierte sie nicht? Sie hatte doch bemerkt, dass ich sie berührt hatte. Ich
hielt den Atem an. Würde sie meinen Arm wegschieben? Meine Hand ruhte auf ihrer
Schulter, und nichts geschah. Die Zeit schien still zu stehen.
Wie
lange hatte ich mir das schon gewünscht? Ich wollte mich nicht bewegen, aus
Angst, er würde seinen Arm wieder weg nehmen, und einen Rückzieher machen. Den
ganzen Abend hatten sich unsere Blicke schon gesucht, und auch gefunden.
Heimlich, unauffällig, aus Angst, jemand könnte es mitbekommen.
Die
ganze Zeit hatte ich schon irgendwie gespürt, dass an diesem Tag die Dämme
brechen würden. Es lag eine unwahrscheinliche Spannung zwischen uns beiden, die
sich jetzt, nachdem ich den ersten Schritt gewagt hatte, langsam zu entladen
schien. Wie lange hatte ich mir das schon gewünscht? Sie einfach nur in den Arm
zu nehmen. Gar nicht mehr. Ihr einfach nur nahe zu sein. Doch es war mir nie
vergönnt gewesen.
Also
war es mir die letzten Male, wo wir uns begegnet waren, doch richtig
aufgefallen, dass er ein Auge auf mich geworfen zu haben schien. Doch es hatte
ihm nicht zugestanden, mir dies zu signalisieren. Er hatte sich zurück halten
müssen, aus Respekt vor seinem Bruder.
Mein Bruder... warum bekam er immer die tollsten Frauen ab? Lag es daran, dass er aufgrund seines Alters mehr Erfahrung im Umgang mit Frauen hatte? Warum musste ich immer mit ansehen, wie er mit Leichtigkeit flirtete? Auch sie hatte er mir vor der Nase weggeschnappt, nur weil ich wieder mal zu schüchtern gewesen war, um gleich auf sie zu zugehen. Wieder einmal war ich zu langsam gewesen. Ich hätte mich ohrfeigen können.
Denn
dieser war es gewesen, der zuerst mein Herz erobert hatte. Ihn, der jetzt so
locker neben mir stand, die Hand auf meiner Schulter, als sei es die normalste
Sache der Welt, hatte ich zuerst überhaupt nicht wahr genommen. Nach außen hin
wirkte er stets zurückhaltend und schüchtern, als ob er es bevorzuge, allein zu
sein. Flirten, und sich einer Frau zu nähern, so dachte ich damals, war
irgendwie nicht seine Welt.
Wochenlang
hatte ich mit ansehen müssen, wie er mit ihr herum turtelte. Es war eine Qual
für mich gewesen, denn ich hätte nichts lieber getan, als eben dieses. Fast immer
hatte ich den Kürzeren gezogen... Daran musste ich was ändern!
Aber
mit der Zeit hatte ich gemerkt, dass dem nicht so war. Es war alles nur Schein,
und rührte auf seine ruhige und gelassene Art. Je näher ich ihn kennenlernte,
desto mehr fühlte ich mich zu ihm hingezogen. Ich hatte sehr wohl seine
sehnsuchtsvollen Blicke bemerkt, die er mir hin und wieder zugeworfen hatte,
und konnte mir nur allzu gut vorstellen, wie er sich fühlen mochte.
Nachdem
es heute wieder heftigst zwischen uns geknistert hatte, und ihre Anwesenheit,
alles in mir in Wallung gebracht hatte, konnte ich nicht anders... Ich nahm
meinen ganzen Mut zusammen, um ihr endlich offen zeigen, wie ich fühlte, und
vor allem was ich wollte.
Endlich
hatte er sich dazu durchgerungen in die Offensive zu gehen. Es war alles nur
noch eine Frage der Zeit gewesen... Aber ich hätte nie im Leben den ersten
Schritt wagen können, schließlich war ich mit seinem Bruder zusammen. Noch!
Denn da kriselte es seit einiger Zeit gewaltig. Ich hatte einzig und allein aus
Angst ihm damit weh zu tun, noch nicht Schluß gemacht.
Schlußendlich
war es mir egal gewesen, wie mein Bruder darauf reagieren würde. Ich war ja
nicht blind, und hatte schon vor einiger Zeit gemerkt, dass die Beziehung
zwischen den beiden nicht mehr das war, wie zu Anfang. Ich würde also nichts
kaputt machen, was nicht eh schon kaputt war. Endlich wollte auch ich mal an
der Reihe sein, und einen Angriff auf das vornehmen, was mich anzog. Und da ich
es schon lange nicht mehr aushielt, hatte ich mir vorgenommen an diesem Tag
auf's Ganze zu gehen.
Leicht
lehnte ich mich an ihn, um ihm ohne Worte zu signalisieren, dass ich genauso
wie er, den Drang verspürte, ihm endlich nahe zu sein. Seine Wärme durchflutete
meinen Körper, und ein wohliges Gefühl breitete sich in mir aus.
Mit
Erleichterung stellte ich fest, dass sie tatsächlich auf meinen
Annäherungsversuch einging, und verstanden zu haben schien. Ohne Aufmerksamkeit
zu erregen schaute ich mich vorsichtig um. Bisher hatte niemand was
mitbekommen. Sie waren alle in ein Gespräch vertieft und zu sehr mit sich
selbst beschäftigt.
Ich
dachte nicht mehr an meinen Freund - seinen Bruder - und vergaß alles um mich
herum. Nur das jetzt und hier zählte. Allein er.
Als
sich ihr Körper immer mehr an meinen schmiegte, war es aus mit meiner
Selbstbeherrschung. Meine Hand glitt wie von allein von ihrer Schulter, ihren
nackten Arm hinunter. Ich kam mir vor wie in einem Traum. Ihre Haut zu spüren,
war ganz anders, wie ich es mir immer ausgemalt hatte. Sie war so weich, so
seidig.
Mir
stockte der Atem, als seine Hand plötzlich den Weg meinen Arm herunter fand.
Die Berührung hinterließ einen Faden der Hitze auf meiner Haut. Seine langen
Finger waren zärtlicher, als ich je gedacht hatte.
Es
war schier unmöglich mich zurück zu halten. Zu lange hatte ich warten müssen,
auf diesen einen Augenblick.
Meine
Hand legte sich von hinten um ihn, und blieb auf seiner Hosentasche ruhen. Sein
Hintern hatte meinen Blick schon immer angezogen, und nun hatte ich endlich die
Möglichkeit, mich selbst davon zu überzeugen, ob er tatsächlich so knackig war,
wie er immer ausschaute.
Ich
japste nach Luft, als ich ihre Hand auf meiner Hose fühlte. Trotz des dicken
Jeansstoffes, konnte ich ihre Bewegungen genau ausmachen, als sie anfing leicht
hin und her zu fahren.
Es
war eindeutig, dass er genauso versessen auf mich war, wie ich auf ihn. Zu
lange hatten wir uns zurück gehalten. Zu lange hatten wir unsere wahren Gefühle
versteckt halten müssen. Kein Wunder, dass nun ein Feuer in uns brodelte, und
wie bei einem Vulkan versuchte, auszubrechen. Es hatte nur der erste Schritt
gemacht werden müssen...
Als
meine Finger den Weg unter ihr T-Shirt fanden, und forsch über ihre Haut
fuhren, griff auch sie stärker zu, und knetete nun regelrecht meine Pobacken.
Mein Verlangen wuchs, und wuchs.
Ein
einziger Blick genügte uns, um zu verstehen, was wir beide wollten. Wir sahen
uns an, das erste Mal, seit er den Arm auf meine Schulter gelegt hatte, seit er
nicht mehr einfach nur neben mir stand. Über unser beider Lippen glitt ein
Grinsen, von Verlegenheit keine Spur.
"Komm
schon!", flüsterte ich ihr zu. Wir lösten uns von der Gruppe, und
schlichen uns unbemerkt davon. Wie zwei kleine Kinder rannten wir schließlich
Hand in Hand, und fanden einen Platz, wo wir ungestört waren. Diese Nacht
sollte uns gehören... Ganz allein uns beiden!
Außer
Atem kamen wir zum Stillstand, unsere Finger noch immer gegenseitig fest
umschlungen. Es war einfach unbegreiflich, wie wir so lange ohne einander
hatten auskommen können.
Ich
wollte sie am liebsten gar nicht mehr loslassen, wo ich sie doch nun endlich
für mich hatte. Mit dem Rücken lehnte sie an einer Wand, und ich drückte mich
ganz fest an sie. Ein tiefer Blick in die Augen, und die Gefühle übermannten
uns...
Seine
Lippen trafen die meinen. Erst vorsichtig suchend, doch dann kostete er sie
vollkommen aus. Unsere Zungen fanden sich, und begannen sich gegenseitig zu
umkreisen. Der Kuss - unser erster - zog sich endlos hin, und wir klammerten
uns wie zwei Ertrinkende aneinander fest.
"Komm
schon, wir werden's uns zeigen, Gefühle betreiben. Jetzt noch und hier."
Ich hatte die Worte, die ich gedacht hatte, laut ausgesprochen, und nahm wahr,
wie sie mich aus großen Augen anschaute. "Komm schon, das will nichts
heißen, wir werden entgleisen, ein Leben lang."
Wir
wollten uns gegenseitig, das war klar. Nichts und niemand würde uns davon
abhalten können! "Komm schon, lass es hier sein. Jetzt und für immer, ist
alles was ich will."
Dies
ließ ich mir nicht zwei Mal sagen. Fast schon zu grob riss ich ihr das T-Shirt
vom Leib, und wir fielen, von unserem aufgestauten Verlangen getrieben,
übereinander her.
Ich
fühlte mich, als ob ich schwebe. Endlich schienen meine wohl gehüteten Wünsche
in Erfüllung zu gehen. Es war so anders mit ihm, so vollkommen anders! Seine
Nähe, sein Körper, seine Berührungen, seine Küsse, seine Stimme... all das
brachte bei mir das Faß zum überlaufen.
Wir
verstanden uns auf anhieb ohne Worte. Ich verwöhnte sie wie ich nur konnte, und
auch sie hatte schnell raus, was mir gefiel. Es war einzigartig!
Jede
einzelne Sekunde, die ich mit ihm zusammen war, genoss ich, und wünschte mir,
dieser Abend würde nie zu Ende gehen. "So wie's jetzt ist soll es für
immer sein!"
Sie
hatte das ausgesprochen, was auch in meinem Kopf Fuß gefasst hatte. Es musste
eine Lösung geben, wie wir für immer zusammen bleiben konnten. Und mein Bruder
hatte es letztendlich zu akzeptieren. Wenn es zwischen ihnen beiden nicht
klappte, warum dann nicht zwischen ihr und mir? Vielleicht hatten wir nur
aufeinander gewartet, um unsere Chance zu nutzen!? "Komm schon, jetzt und
für immer! Wir werden noch schlimmer, und zusammen sein."
Nur
schwer hatten wir uns aufraffen können, unser Liebesnest zu verlassen. Den
Platz unserer ersten Zusammenkunft, den Ort von Leidenschaft, Verständnis und
Zuversicht. Doch irgendwann würden wir zurückkehren müssen. Zurückkehren zur
Realität, zu der Welt, in der wir lebten. Nun galt es meinem Noch-Freund
klarzumachen, dass ich mich mehr zu seinem Bruder hingezogen fühlte, und es
besser sei, einen Schlußstrich unter unsere verkorkste Beziehung zu setzen.
Noch
vor ihr, erkannte ich, dass mein Bruder sich seelenruhig mit einer anderen
vergnügte. Ich lachte auf. Damit wäre unser Problem aus der Welt geschafft! Ich
stieß sie leicht in die Seite und machte sie auf meine Entdeckung aufmerksam.
Das
durfte doch nicht wahr sein! Meine Kinnlade klappte herunter und ich staunte
nicht schlecht. Dafür hätte ich ihn umarmen können. Hatte er also auch einen
Weg gefunden, aus ihrer Beziehung auszubrechen. Ich atmete erleichtert auf, und
griff nach der Hand des Mannes, der neben mir stand. Des Mannes, den ich
wirklich liebte.
Gemeinsam
gesellten wir uns wieder zur Gruppe, und als mein Bruder uns kommen sah,
schreckte er auf. Man sah, dass es ihm sichtlich unangenehm war, dass ich ihn
quasi inflagranti ertappt hatte. Er versuchte ein verlegenes Lächeln hervorzubringen,
was ihm aber nicht gelang.
Ich
spürte seine Unsicherheit genau. Er versuchte meinem Blick auszuweichen. Fast
schon tat er mir leid. Er konnte ja schließlich nichts dafür, dass es zwischen
uns einfach nicht so gelaufen war, wie wir beide es uns vielleicht ausgemalt
hatten. Es bedurfte meist immer einer gewissen Zeit, bis man herausfand, was
für einen das Beste war.
Was
würde sie tun? Wie würde sie handeln? Die Angst, die versuchte meinen Körper zu
übermannen, war unbegründet. Sie hielt immer noch meine Hand fest, und schien
entschlossen, den anderen zu zeigen, zu wem sie gehörte.
Demonstrativ
baute ich mich, Hand in Hand mit seinem Bruder, vor ihm auf, und lächelte ihn
an. "Komm schon, nichts ist vergebens, so ist das Leben." Er
erkannte, dass ich ihm seinen Seitensprung, den er gerade im Begriff war zu
begehen, nicht übel nahm, und erfasste die Lage schnell. Es waren keine Grenzen
gesetzt. Da wo die Liebe hinfällt...
Ihre
Geste machte mich einen Kopf größer. Ich war stolz auf mich! Trotz meiner
Bedenken und meiner anfänglichen Unsicherheit hatte ich richtig gehandelt. Nun
würde ich nie mehr mit ansehen müssen, wie er und sie zusammen waren. Denn ich
war endlich über meinen Schatten gesprungen, und hatte ihr gezeigt, was ich für
sie empfand. Ich war glücklich.
Sanft
nahm ich sein Gesicht zwischen meine Hände und schaute ihm tief in die Augen.
Ich sprach die folgenden Worte laut - ein Geständnis, das ruhig alle hören
sollten: "Denn du bist alles, alles was ich will!"
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Simone Alby).
Der Beitrag wurde von Simone Alby auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.08.2008.
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Licht und Schatten
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Licht und Schatten - Wege die Schizophrenie zu besiegen
Persönlichkeit und Gedanken von Schizophrenen wirken oft undurchschaubar und verworren auf die Umwelt. Als betroffene möchte ich dem interessierten Leser einblick in meine Seelenwelt und in das ständige auf und ab der Krankheit geben. So lassen mich Stimmungen und Gedanken ständig ins Wanken kommen. Dieses versuchte ich in diesem Buch durch Tagebuchaufzeichnungen und Gedichte wiederzuspiegeln.
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