Katrin Fritz

Dämonenspiegel Kapitel 2

Dämonenspiegel

Kapitel 2

 

 

 

In der Zwischenzeit war in Urus´karan das Chaos zwischen den Dämonen ausgebrochen. Einer der Entsetzlichen war getötet worden und die einzige Zeugin, seine Geschichtenbewahrerin, war spurlos verschwunden. Abraxas hatte sie bereits überall suchen lassen, doch sie war wie vom Erdboden verschluckt. Selbst über den Drawir, den sie trug war sie nicht aufzuspüren. Entweder war sie vor dem Mörder geflohen und hatte es nicht zurück in die Unterwelt geschafft, oder der Mörder hatte sie mitgenommen. Ihre Leiche war jedenfalls nicht bei der von Balgamoth gefunden worden.
 Der Dämonenkönig hatte sich versichern lassen, dass die besagt Dämonin keinesfalls genug Macht und Ehrgeiz besaß um den Entsetzlichen aus eigennützigen Motiven zu töten.
 Und selbst wenn dem doch so gewesen wäre, wäre die Schreiberin schon längst hier aufgetaucht um ihre neue Stellung einzufordern.
 Doch das war sie nicht.
 Abraxas musste unbedingt herausfinden wer tatsächlich Balgamoths Mörder war, denn vielleicht hatte er es auch auf die anderen Entsetzlichen abgesehen.
 Woher hatte der Mörder gewusst wo Balgamoths verletzliche Stelle lag?
 Es hatte keine Anzeichen für einen Kampf gegeben , der Entsetzliche hatte keine weiteren Verletzungen, nur sein durchbohrtes Ohr.
 Der Mörder hatte also genau gewusste wohin er zielen musste.
 Und was noch wichtiger war: wusste er vielleicht auch von den Schwachstellen der anderen Entsetzlichen? War er vielleicht genau in diesem Moment auf dem Weg um Abraxas Herz zu zerstören?
 Wütend schob der Dämonenkönig diesen Gedanken beiseite. 
 In Kürze würde er sich mit Orem treffen müssen um zu besprechen was zu tun war.
 Bis dahin musste er den Mörder gefunden haben.

 

 

Während Abraxas Gedanken um den unbekannten Mörder kreisten, entfaltete sich in der Finsternis der Unterwelt ein Schatten der eine viel größere Gefahr barg.
 Tausend Jahre lang hatte er in seinem Gefängnis ausgeharrt und der Zeit beim Sterben zugesehen.
 Die drei Welten hatten sich weiter gedreht, ohne ihn, doch nun würden sie durch ihn zum Stillstand kommen.
 Noch hielten sie ihn für ein Gerücht  und glaubten nicht, dass ihnen Gefahr drohte, aber schon bald würde er sie eines besseren belehrt haben.
 Sein Plan stand schon lange fest und jetzt da er die Fesseln seiner Träume endgültig abgestreift hatte , war die Rache sein.
 Auch wenn schon in dieser Nacht etwas geschehen war, dass ihn verärgerte.
 Jemand den er hatte töten wollen, war von jemand anderem ermordet worden.
 Er hatte sich an Balgamoths Blut laben wollen, an dem Moment wenn der Entsetzliche seinen letzten Atemzug tat, während er ihm die Eingeweide herausriss und jetzt war ihm das verwehrt. Abgesehen von der Genugtuung die ihm das bereitet hätte, brauchte er Balgamoth um seinen Körper wieder zurück zubekommen.
 Wer auch immer den Entsetzlichen getötet hatte, hatte seine Pläne in Gefahr gebracht.
 Jetzt würde er einen unbekannten Mörder suchen müssen und das würde ihn Zeit kosten.
Aber nach tausend Jahren des Wartens würde er auch dafür die Geduld aufbringen. Und sein Triumph würde am Ende nur um so größer sein.
 Jetzt würde er, der Arawgb die drei Welten ins Dunkel stürzen. Er würde das Leben auslöschen und alles zerstören was ihm versagt geblieben war.

 

 
„Meister Gwydion, schlaft ihr noch?“ Beharrlich klopfte der Wirt gegen die Tür des Zimmers in dem der junge Zaubere immer noch selig schlief.
 Aiva hingegen war hellwach und begann sich langsam über den lästigen, klopfenden Mann zu ärgern.
 Nach dem sie den Zauberer nicht hatte wecken können, hatte sie den Rest der Nacht mit Versuchen verbracht sich auf die Okkulte Ebene zu begeben und so endlich von hier fort gekommen, doch es hatte nicht funktioniert.
 Das einzige was sie erreichte war, dass ihr Kopf sich anfühlte als würde er gleich platzen während bunte Schlieren vor ihren Augen tanzten.
 Sie würde wohl oder übel bei diesem Zauberer bleiben müssen.
 Aber auf der anderen Seite war das vielleicht gar nicht so schlecht, denn hier würden die anderen Dämonen sie kaum finden.
 Der Zauber des Banns verbarg sie vor ihresgleichen, die vielleicht schon nach ihr Ausschau hielten.
 Wie auch immer, war sie verzweifelt und vollkommen entnervt und dieser Störenfried trug nicht gerade zur Besserung ihrer Stimmung bei.
 Warum fragte er nun schon zum sechsten Mal ob Gwydion noch schlief, wenn es ihm doch offensichtlich vollkommen egal war und er ihn eigentlich nur aufwecken wollte?
 Als erneut das nervende Klopfen ertönte verlor Aiva endgültig die Geduld und öffnete die Tür. „Er ist noch nicht wach und das weißt du auch. Also, warum weckst du ihn nicht einfach gleich auf, anstatt immer wieder scheinheilig zu fragen ob er noch schläft?!“ Wütend sah sie den Wirt an, der ein besonders hässliches Exemplar seiner Art darstellte.
 Er war ungefähr so hoch wie breit und unter seiner fleckigen Lederschürze wölbte sich Aiva ein gewaltiger Bierbauch entgegen.
 In seinem Gesicht prangte eine große rote Nase, die an eine rotbemalte Kartoffel erinnerte.
 Am schlimmsten war aber der Geruch nach altem Schweiß und abgestandenem Alkohol, der Aivas empfindliche Nase beleidigte.
 Mit kleinen Schweinsaugen musterte der Wirt die junge Dämonin als hätte er gerade eine Erscheinung.
 „Ich wollte nur fragen ob wir jetzt wieder ins Haus zurück können.“ , antwortete er lahm.
 „Ist die Frage nicht überflüssig, da du ohnehin schon in dem Haus bist?“ Aiva sah den Mann verständnislos an.
 Was stellte dieser Mensch nur für törichte Fragen!
 Verwirrung zeigte sich in der Mine des Wirts.
 „Ähm ja, wahrscheinlich. Ihr wart also die ganze Nacht hier?“
 „Ja, fast die ganze Nacht, was interessiert es dich?“
 Kleine wütende, rote Flecken blühten plötzlich auf den dicken Backen des Mannes und Schweiß trat ihm auf der Stirn.
 „Er hat uns rausgeworfen wegen dir? Schmeißt mich aus meinem eigenen Haus um sich ungestört zu amüsieren! Dem werde ich Beine machen! Schimpft sich einen Zauberer, der kleine Betrüger!“ Er wollte sich an Aiva vorbei ins Zimmer schieben, doch sie ließ ihn nicht durch.
 „Geh aus dem Weg Mädchen!“ , knurrte der Wirt  und machte Aiva damit erst richtig wütend. Noch ein Mensch der glaubte ihr Befehle erteilen zu können!
 Vielleicht sollte sie ihre Meinung zum Einsatz von Gewalt noch einmal überdenken und dem Kerl eine Lektion erteilen.
 Doch bevor sie sich zu einer Entscheidung durchringen konnte erschien Gwydion hinter ihr und zog sie von der Tür weg.
 „Was willst du, Tarem?“ Seine Stimme klang immer noch ruhig, aber Aiva konnte den gefährlichen Unterton darin deutlich heraus hören.
 Hinter Gwydions harmloser Fassade schien mehr zu sein als man vermuten mochte.
 „Ich, ähm, wollte nur nach sehen ob alles in Ordnung ist und wir ins Haus zurück können."Auch der Wirt hatte es bemerkt.
 Seine Wut war plötzlich verraucht und hatte mit ängstlicher Vorsicht den Platz getauscht.
 „Und was glaubst du?“
 „Vielleicht sollten wir noch etwas warten?“
 „Das wäre ratsam, ja.“
 „In Ordnung, ich gehe dann mal wieder.“ Sprachs und verschwand die Treppe hinunter. Gwydion schloss die Tür, wartete bis die Schritte des Wirts verklungen waren und fuhr dann zu Aiva herum
 „Wie kommst du nur dazu einfach an die Tür zu gehen? Was wenn dieser Trottel erkannt hätte was du bist? Hier wimmelt es nur so von Dämonenjägern!“ In seinen Augen tanzten wütende grüne Lichter, die Aiva fasziniert betrachtete.
 „Na, dann wären wir sie wenigstens los.“ Murmelte Winkums im Hintergrund. „Dämonenjäger?“ Aiva erbleichte, als die Bedeutung dieser Worte zu ihr durchdrang. „Warum habt ihr das nicht gleich gesagt?“
 „Ich konnte ja nicht ahnen, dass du dich gleich mit dem Wirt anlegst. Du wirst dich an einige Regeln halten müssen, wenn du hier überleben willst.“
 Aiva starrte den jungen Magier an und ihre anfängliche Angst vor den Dämonenjägern wandelte sich zu Wut auf Gwydion.
 „Ich muss mich an Regeln halten! Ich kann mich nicht daran erinnern darum gebeten zu haben hier zu sein! Noch dazu an einem Ort voller Dämonenjäger!“ Sie verstummte kurz.  „Und wenn wir schon dabei sind: wo genau bin ich hier überhaupt?“ 
  „In Larlas´kiri, der Stadt des Königs. Nicht unbedingt der beste Ort für einen Dämon, tut mir leid.“
 „Schon hat der Ärger mit ihr angefangen, ich habe es ja gesagt.“ Sagte Winkums woraufhin Gwydion und Aiva gleichzeitig zu ihm herum wirbelten und wie aus einem Mund riefen:“ Sei still!“
 Nach einer Weile unbehaglichen Schweigens fragte Aiva: “Und was werden wir jetzt tun?“
 „Ich denke wir werden erst einmal versuchen diese Hexe zu finden. Winkums meinte sie würde nicht weit von hier in einem anderen Viertel von Larlas´kiri leben.“
 Der Zauberstab enthielt sich jeden Kommentars und schwieg beleidigt. 
  „Vielleicht hat sie eine Idee wie wir den Bann lösen können und vielleicht hat sie schon mal was von diesem Arawgb gehört. Wenn wir wieder voneinander befreit sind werde ich mich auf die Suche nach diesem Kerl machen.“
 „Du? Allein?“
 „Winkums wird mich begleiten.“ , erwiderte Gwydion gleichmütig.
 „Ich hoffe du hast dir genau überlegt was du da vor hast.“ Es war schwer sich vor zu stellen, dass Gwydion gegen den Arawgb in die Schlacht ziehen wollte.
 Natürlich war sie selbst die letzte die sich ein Urteil über das Aussehen von Menschen erlauben durfte, aber Gwydion sah fast noch harmloser aus als sie.
 Er war zwar groß und gut gebaut, für einen Menschen, aber nach einem Krieger sah er nicht unbedingt aus.
 Sein Gesicht war zu hübsch und ohne Narben um auf ein Leben mit vielen Kampferfahrungen hinzuweisen.
 Außerdem hatte er eine ruhige Art an sich, es schien als sei er mit sich und seiner Umwelt vollkommen im Gleichgewicht.
 Nun er konnte auch anders, dass hatte Aiva inzwischen erkannt.
 Wehe dem der sich seinen Zorn zu zog.
 Aber das es für den Arawgb reichen würde bezweifelte sie.

 

Es war also beschlossene Sache, dass Aiva, Gwydion und Winkums zu Krisa, der Hexe von Larlas´kiri gehen würden.
 Zur Sicherheit beschlossen sie bei Nacht aufzubrechen, schließlich wollten sie nicht, dass man Aiva als Dämon enttarnte.
 Diese Befürchtung war allerdings unbegründet, denn sie fielen in der Menge kaum auf, trotz Aivas Rabenmantel.
 In Mondscheinviertel von Larlas´kiri gab es weit absonderlichere Leute als den jungen Zauberer und die Dämonin.
 Vom Namen dieses Stadtteils durfte man sich nicht täuschen lassen. Es war nicht nach dem Mondschein benannt, weil es besonders schön oder romantisch gewesen wäre, sondern weil alle Aktivitäten seiner Bewohner sich erst abspielten wenn der Mond am Himmel stand, also nachts. Es gab hier Gestalten für die zwielichtig noch ein Kompliment war und sie alle vermieden aus guten Gründen das Tageslicht.
 Diebe, Halsabschneider und gedungene Mörder sammelten sich hier zusammen mit Huren und allen anderen Kreaturen der Nacht um in der Dunkelheit ihrem Handwerk nachzugehen.
 Für einen Menschen mit Moralvorstellungen war das hier nicht unbedingt der Ort der Wahl und falls sich ein solcher dennoch hier her verirrte, so war ein gefundenes Fressen für die Bewohner des Mondscheinviertels.
Deshalb hatte Gwydion genau dieses Viertel gewählt.
 Nicht weil er keine Moralvorstellungen hatte- davon hatte er genug-, sondern weil hier niemand Fragen stellte.
 Seit er die Akademie der Magischen Künste vor dem Ende seiner Lehrzeit dort verlassen hatte war er vorsichtig geworden.
 Die Magier waren ein seltsames Völkchen und sie bedachten jeden mit Argwohn der ihre Reihen wieder verließ. Sie konnten nicht verstehen, dass jemand andere Dinge ihrer Gesellschaft vorzog. 
  Jetzt wollte Gwydion  diesen Stadtteil jedoch so schnell wie möglich hinter sich lassen um eventuellen Ärger zu vermeiden.
 Hier stellte vielleicht niemand viele Fragen, aber eine würde ja auch schon ausreichen um einen Tumult zu provozieren. Wie zum Beispiel:“ Ist das deine prall gefüllte Geldbörse?“ Daraus entstand dann ein hitziger Dialog in dem Forderungen gestellt wurden, die wiederrum zu einer Verkettung unglücklicher Ereignisse für den Fragesteller führte.
 Das schnelle Vorwärtskommen gestaltete sich jedoch schwerer als erwartet, denn Aiva blieb fast en jeder Ecke stehen und ließ sich nur schwer wieder dazu bringen weiter zu gehen.
 Irgendwann weigerte sie sich jedoch und rührte sich nicht mehr vom Fleck.
 “Warum sitzt der Mann da im Dreck auf den kalten Steinen? Er ruht sich doch nicht etwa dort aus?“ Mit großen Augen musterte sie einen Bettler, der im Rinnstein vor sich hin döste und neben einem unangenehmen Geruch durchdringende Schnarchlaute von sich gab.
 „ Er ruht sich nicht aus, er wohnt dort.“
 „ Was, hier in der Gosse? Das kann doch nicht dein Ernst sein!“
 Gwydion seufzte. „Doch. Er hat keine andere Unterkunft, weil er kein Geld hat. Und wer kein Geld hat kann sich kein Dach über dem Kopf leisten.“
 Fassungslos sah Aiva ihn an „Ihr lasst eures Gleichen einfach so auf der Straße leben? Woher bekommt er etwas zu essen?“
 „Von der Straße oder von den Passanten und jetzt lass uns weitergehen. Es ist unhöflich einen Mann so anzustarren.“ Er schob sie mit Nachdruck weiter.
 „Aber er kann doch nichts von der Straße essen! Hast du dich hier mal umgesehen? Da hinten liegen Exkremente und ich hoffe sie stammen von Tieren! Dämonen lassen ihresgleichen nicht so leben. Warum unternimmt niemand was dagegen?“ Ehrliche Entrüstung schwang in Aivas Stimme mit. Dämonen waren vielleicht grausam, aber niemals würden sie einander so behandeln. Sie töteten einander eher als ihresgleichen so leben zu lassen, das war eines Dämons so schwach er auch sein mochte unwürdig.
 „Oh, der König unternimmt etwas dagegen. Ab und zu lässt er die Bettler einsammeln und wirft sie in seinen Kerker. Da können sie dann genau so verrotten wie hier, nur mit einem Dach über dem Kopf.“ Bitterkeit schwang in Gwydions Stimme mit und Aiva murmelte entsetzt : „Eure Welt ist furchtbar.“
 „Ja, deshalb habt ihr Dämonen es ja auch so einfach hier. Der Mann in der Gosse würde dir für eine warme Mahlzeit ohne Zögern seine Seele verkaufen. Hier gibt es viele die für ihre Seele keine Verwendung mehr haben.“ Plötzlich runzelte er die Stirn „Ich frage mich warum all das hier einen mächtige Dämonin wie dich überrascht.“
 „Mächtig, ha das ich nicht lache!“ , zischte Winkums so leise, dass niemand außer den beiden ihn hören konnte. Der Zauberer trug ihn in einem Gurt, so wie Krieger sich ihre Schwerter auf den Rücken schnallten.
 „Ich beschäftige mich normalerweise nicht weiter mit den Behausungen von Menschen.“ , erwiderte Aiva und war dabei bemüht ihre Stimme so arrogant wie möglich klingen zu lassen. Trotzdem wusste sie, dass sie sich für einen Dämon seltsam verhielt, denn eigentlich müsste es sie freuen wenn ein Mensch ein solches Schicksal ereilte. Es war genau wie Gwydion sagte, für die meisten Dämonen waren solche Orte wie ein Feld voll erntereifer Früchte.
 Man musste nur kommen und sich die pflücken, die einem gefielen.
 Einige Menschen mit Dämonensiegeln hatte sie schon gesehen, doch sie hatte sich nichts weiter dabei gedacht. Ab jetzt würde sie darauf achten wie viele es waren die bereits ein solches Zeichen trugen.
 Der Zauberer schenkte Aiva einen schiefen Seitenblick, sagte aber nichts mehr. Trotzdem war ihr nur zu gut bewusst, dass er misstrauisch wurde.
 Nach diesem Gespräch blieb Aiva nirgendwo mehr stehen.
 Einmal nicht um den Schein zu wahren und zum Zweiten um sich das Elend nicht zu genau ansehen zu müssen.
 „Es ist nicht überall so wie hier. Es gibt hier auch gute Orte, an denen die Menschen füreinander da sind.“ , begann Gwydion nach einer Weile.
Plötzlich wünschte er sich er hätte Aiva diese Plätze zeigen können, denn obwohl sie nickte sagte ihr Blick, dass sie ihm nicht glauben konnte.
Dann wurde ihm klar, dass ihm eigentlich egal sein konnte was die Dämonin über seine Welt dachte.
 Hier gab es zwar einiges was einer Verbesserung bedurfte, doch wenigstens kam er nicht aus der Hölle.
 Den Rest des Weges stellte Aiva keine Fragen mehr und auch Gwydion schwieg.
 Beide waren erleichtert als sie endlich das Viertel erreichten in dem Winkums zu Folge die Hexe Krisa wohnte.
 Hier ging es etwas ruhiger zu als im Rest der Stadt, wenn auch nicht viel sauberer.
 Es war das Wohnviertel der einfachen Arbeiter und hier sorgte die Stadtwache noch für Ordnung, erklärte Winkums.
 „Außerdem ist meine alte Freundin sehr auf Ordentlichkeit bedacht. Sie mag es nicht, wenn hier zu viel Schabernack getrieben wird und sie kann recht hart durchgreifen, wenn es nötig ist. Es gibt hier mehr als einen Straßendieb dem Blumenkohl aus den Ohren sprießt.“ Er hörte sich stolz an und es wurde klar, dass er Blumenkohl, der einem aus den Ohren wuchs für eine angemessene Strafe hielt.
 In Aiva keimte langsam die Frage auf ob eine Frau, die so sehr nach Winkums Geschmack war überhaupt bereit sein würde ihnen zu helfen.
 Wahrscheinlich würde sie ebenfalls den Vorschlag machen Aiva zu vernichten und vielleicht schafften sie es je zu zweit Gwydion von diesem Vorhaben zu überzeugen.
 Wie gesagt waren die Straßen hier zwar immer noch verdreckt, aber es gab hier keine Bettler oder Huren die einen ständig von der Seite ansprachen oder schmutzige Dinge zuraunten.
 Und zur Erleichterung für Aivas empfindliche Nase roch es hier auch nicht mehr ganz so streng.
Die Beleuchtung war spärlich, doch in den meisten der Häuser brannte ein warmes Licht und malte hübsche quadratische  Muster auf das Kopfsteinpflaster.
 Unter einem der erleuchteten Fenster saß ein schwarzer Kater mit einem auffälligen weißem Fleck auf der Brust und beobachtete sie auf die für Katzen typische desinteressierte Art und Weise.
 „Das ist einer von Krisas Schützlingen, da möchte ich wetten. Hatte schon immer eine Schwäche für Katzen, auch wenn ich das bis heute nicht verstehen kann.“
 „Wenn sie eine so mächtige Hexe ist, warum wohnt sie überhaupt in einer Stadt wie dieser?“ , fragte Aiva die, hätte sie eine Wahl gehabt, ganz sicher nicht hier geblieben wäre.
 „Sie war schon hier bevor die Stadt so groß wurde. Ihre Hütte stand hier, ehe die ersten Menschen sich hier ansiedelten. Sie hätte fort gehen können, doch sie blieb und half den Leuten die hier her kamen. Früher einmal war sie die Beraterin von Königen, heute berät sie die Armen. Das findet sie besser als die törichten Wünsche von Adligen zu erfüllen.“
 „Endlich ein Beispiel für einen guten Menschen.“ Sagte Gwydion, doch Aiva schwieg.
 Sie würde sich selbst ein Bild davon machen zu welcher Sorte Mensch diese alte Hexe gehörte.

 

 
 
 Es hatte die zweite Nachtstunde geschlagen, als der Priester Grud sich auf den Weg zum Gebetsraum begab.
 Die Anrufung und das Opferritual für die Schlacht am nächsten Tag warteten auf ihn.
 In seinem kleinen Dorf war er der einzige Priester des Kriegsgottes Arwetres und hatte somit beinahe uneingeschränkte Macht, was Grud sehr gut gefiel.
 Er liebte das Gefühl, dass es etwas gab, dass hier außer ihm niemand konnte, dass ihn zu etwas besonderem machte. Einzig ihm allein war es erlaubt mit den Göttern zu sprechen und ihre Wörter an seine Gläubigen weiter zu geben.
 Am nächsten Morgen würde Gruds Clan unter seiner Führung in die Schlacht ziehen und jetzt war es an ihm den Segen ihres Gottes zu erbitten.
 Während seine Krieger damit beschäftigt waren sich mit viel Alkohol und Gegröle auf den morgigen Kampf einzustimmen, kniete der Priester sich in der kühlen Stille des Gebetsraumes auf den harten Holzboden und zentrierte seinen Geist.
 Zwei Schüsseln standen vor ihm.
 In einer brannte ein kleines munteres Feuer, in der anderen lag eine kleine kostbare Klinge aus Kupfer.
 Grud hätte ein jungen Keiler zwar vorgezogen, eins von Arwetres Lieblingsopfern, doch die Jäger hatten bei der letzten Hatz keinen fangen können.
 Mit besorgten Gesichtern waren sie am Mittag aus dem Wald gekommen und hatten behauptet der Forst wäre wie ausgestorben.
 Nicht einmal eine Waldmaus hätten sie gesehen und sie glaubten, dass sich ein Raubtier in der Nähe aufhalten musste.
 Das hielt Grud  zwar nur für eine faule Ausrede, aber nun hatte er keine andere Wahl mehr.
 Schweren Herzens hatte er die feine Kupferklinge aus seiner Schatulle genommen und beschlossen sie zu opfern. 
 Sie war mehr Wert als fünf Eber und würde den Gott mit Sicherheit auf ihre Seite ziehen. Dann hatte sich das Opfer wenigstens gelohnt.
 Grud streute Kräuter ins Feuer, die sogleich ihr süßliches schweres Aroma verbreiteten.
 Er liebte diesen Geruch und die wohlige Schwere, die er mit sich brachte.
 Er atmete tief ein und schon bald merkte er wie sich das Gewicht der Welt von seinen Schultern löste und er in eine tiefe Wärme sank. Er.....
 Ein Geräusch schreckte ihn wieder auf und im Augenwinkel glaubte er einen Schatten wahrzunehmen.
 Angst überkam ihn, doch dann hätte er über sich selbst lachen können! Natürlich waren da Schatten, lachende, tanzende Schatten die, die Flammen über die Wände scheuchten.
 Die Fantasie des Menschen war eine ärgerliche Sache, wenn sie ihre eigenen Wege ging.
 Sein eigener Geist, berauscht von den heiligen Kräutern spielte ihm einen bösartigen Streich, nicht mehr und nicht weniger.
 Grud ignorierte diese Unterbrechung entschlossen, inhalierte den Rauch und ließ sich von ihm davon tragen.
 Die Schwere kehrte in seine Glieder zurück und brachte ihm eine beruhigende Müdigkeit. Er ließ die Welt hinter sich zurück ....
 Da war es wieder! Das Geräusch ,dass ihn aus seiner Meditation zurückgerissen hatte.
 War es ein Schritt? War eines der Kinder aus dem Dorf ihm gefolgt?
 Grud spürte einen Lufthauch, der ihm über das Gesicht strich und öffnete abrupt die Augen.
 Er bereute es sofort.
 Der Priester hatte sich immer gewünscht irgendwann einmal seinem Gott zu begegnen. Nicht nur zu ihm zu beten, sondern ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen und ihm in die Augen zu sehen.
 Er hatte die denen das gelungen war immer beneidet, doch jetzt änderte er seine Meinung.
 Wie konnte der Gott des Krieges einen solch schattenhaften Körper besitzen und diesen furchtbaren Knochenschädel!
 Wo war seine goldene Rüstung und die Axt mit der er die Schädel seiner Feinde spaltete?
 Ganz zu schweigen von seinen beiden Bluthunden, die ihn stets begleiteten.
 „Ich bin nicht dein Gott, du Narr! Dein Gott war noch niemals hier und deine eigennützigen Gebete hat er noch nie erhört! Dein Glaube ist falsch und schwach!“ Ein furchtbares Grinsen breitete sich auf dem Skelettähnlichen Gesicht aus und drohte die dünne Hautschicht über den Knochen zu zerreißen.
 „Aber jetzt bin ich hier und ich werde mich um euch kümmern. Mir ist es vollkommen egal, ob ihr an mich glaubt oder nicht. Die Hauptsache ist ich glaube an euch.“
 „Weiche von mir Dämon! Im Namen des Gottes..“
 „Wer sagt ich wäre ein Dämon und, dass mich der Name eines Gottes erschrecken kann? Mach dich nicht lächerlich Mann! Du und deine Leute werden Teil einer unglaublichen Sache werden, ein Teil der Geschichte.“
 Alles in Grud schrie danach aufzuspringen und davon zu rennen, doch die Angst wand sich wie eine schwere Kette um seinen Beine und das Rauschmittel lähmte seine Gedanken.
 Mit weitaufgerissenen Augen sah er zu wie dieses seltsame Wesen seine schattenhafte Hand um den Griff der Kupferaxt schloss und sie aus der Schale nahm. Es war als würde die Hand die nach der Klinge griff dunkler werden, als verdichteten sich die Schatten.
 Der Arm schien auf seltsame Weise wirklicher zu werden, ein Vorgang den Grud ungläubig beobachtete.
 Einen Moment beschrieb das Metall einen glutroten Bogen im Schein des Feuers, dann entrang sich der Kehle des Priesters ein schmerzhaft brodelnder Laut.
 Ein kräftig pulsierender Strom roten Blutes schoss aus dem feinen Schnitt in Gruds Hals auf den hellen Steinboden.
 Während der Strom schwächer wurde entstand dort ein sich ausdehnender dunkler See den der Priester mit entsetzter Faszination betrachtete.
 Das seltsame, lächelnde Wesen spiegelte sich darin wieder.
 Sein Antlitz war das letzte was Grud sah, bevor er in das Reich des Todes hinübertrat. 
  Zu seiner grenzenlosen Enttäuschung musste er feststellen, dass Arwetres goldener Streitwagen nicht bereitstand um ihn ab zu holen und auf das Ewige Schlachtfeld zu bringen.
 Statt dessen erwartete ihn ein schwarzes Nichts das nur von unheimlichen Stimmen durchbrochen wurde.
 In der Dunkelheit konnte er sie hören, ihr Weinen und Wimmern, die Stimmen die seinen Namen riefen. Er wollte ihnen entkommen, wollte nach seinem Gott rufen, doch aus seinem Mund kam nur ein wortloser Schrei.
 So sehr Grud sich auch dagegen wehrte dauerte es nicht lange, bis er sich dem Chor des Schmerzes anschloss und in dem Klagelied der Stimmen unterging.
 Der Arawgb begann, nachdem er sich die Seele des Priesters einverleibt hatte, mit seiner Ernte im Dorf.
 Die Feiernden auf dem Festplatz waren überrumpelt als der Fremde wie aus dem Nichts mitten unter ihnen auftauchte.
 Die meisten waren zu betrunken, aber einige wenige erkannten die Gefahr die der Eindringling darstellte.
 Das Raubtier, das sie im Wald gewähnt hatten war mitten unter ihnen.
 In dieser Nacht starb jeder einzelne Bewohner des Dorfes, jene die mutig genug waren zu kämpfen, jene die schlau genug waren zu flüchteten, jene die verzweifelt genug waren um ihr Leben zu betteln.
 Sie alle starben egal welchen Alters oder Geschlechts.
 Keiner von ihnen entkam dem der aus dem Tod geboren worden war und ihn nun großzügig verteilte.
 Als die aufgehende Sonne den jungen Himmel zartrosa tönte, lag der Geruch des Todes wie ein erstickendes Tuch über dem Dorf.
 Schon waren die ersten Aasvögel dem verlockenden Duft gefolgt und hatten sich in den Bäumen rund um die Hütten niedergelassen.
 Doch sie warteten mit ihrem Festschmaus, denn noch war jemand da, dem selbst sie, die den Gestank des Todes liebten, nicht zu nahe kommen wollten.
 Der Arawgb wartete.
 Es würde nicht mehr lange dauern bis das Verschwinden all dieser Seelen die Aufmerksamkeit des Kriegsgottes erregen würde.
 Arwetres würde hier her kommen um sich den Grund dafür persönlich an zu sehen.
 Und dann würde er endlich seine Schulden bezahlen.
 Arawgb konnte es kaum erwarten sein linkes Bein wieder zu spüren.
 Bei diesem Gedanken umspielte ein Lächeln seine Lippen.
 Nach all den Seelen die er verspeist hatte war sein Gesicht fast vollkommen wiederhergestellt. 
 Hätte man nur sein Angesicht erblickt und nicht seinen schattenhaften Körper, hätte man ihn fast für einen Menschen halten können.
 Zumindest so lange bis man in seine Augen sah. Die Iris war rot und schwarz umrandet und in ihrer Mitte gähnten die Abgründe der Hölle. Ein Blick zu viel und man war darin verloren.
 Nicht mehr lange und er würde das bekommen wonach er sich so sehr sehnte.

 

 

„Wie lange sagtest du, dauert es noch?“ , fragte Gwydion als sie in die nächste scheinbar endlose Gasse einbogen in die Winkums sie scheuchte.

Seit einiger Zeit waren sie nun schon in einem Labyrinth aus düsteren Gässchen und Hinterhöfen unterwegs, das kein Ende mehr nehmen wollte.
 Einige Male waren sie bereits in die Irre gelaufen, weil Winkums sich nicht an den richtigen Weg erkennen konnte.
 „Jetzt ist es nicht mehr weit, siehst du?“ Vor ihnen zwischen dem dunklen Mauerwerk, dass rechts und links um sie herum aufragte, saß wieder der schwarze Kater und sah ihnen vorwurfsvoll entgegen.
 Er schien auf sie gewartet zu haben.
 Als sie näher kamen erhob er sich in aller Ruhe, streckte sich genüsslich und ging mit erhobenem Schwanz davon.
 „Du solltest ihm folgen Junge, ich glaube er führt uns hin.“
 Aiva verdrehte die Augen, enthielt sich jedoch jeden Kommentares.
 Wenn es eine Katze war die sie in die Freiheit führte, dann war ihr auch das recht.
 Immer tiefer folgten sie dem Tier in das Gespinst aus winzigen Gassen, und wandelten auf recht seltsamen Pfaden.
 Manchmal tänzelte der Kater über Mauern und verschwand hinter Ecken, so dass es schwer war ihr zu folgen. Sie mussten dann Umwege suchen, oder in zwei Fällen ebenfalls über die Mauer klettern um ihn nicht aus den Augen zu verlieren.
 Schließlich erreichten sie aber doch noch irgendwann eine kleine Strasse an deren Ende ein seltsames Häuschen stand.
 Mitten in der Stadt wo es nicht eine grüne Pflanze gab, war das Haus umgeben von einem Garten. Die Mauern der angrenzenden Häuser wahrten einen respektvollen Abstand zu dem saftig grünen Rasen und dennoch hatten einige Efeuranken den Raum überwunden und klammerten sich jetzt an die Backsteinmauern.
 Der Kater rollte sich graziös neben dem Gartentor zusammen und würdigte seine drei Verfolger keines Blickes mehr.
 „Da wären wir!“ Winkums klang hoch erfreut. „Ich wusste doch, dass es hier irgendwo war.“
 „ Das wir hier sind ist  nicht gerade dein Verdienst. Ohne den Kater wären wir morgen früh noch durch diese Gassen geirrt.“ Murmelte Aiva leise vor sich hin.
 „Das hab ich gehört, du Göre.“
 Gwydion ignorierte die beiden Streithähne und ging zur Tür der kleinen Hütte, an die er höflich klopfte.
 Bei seiner Berührung schwang die Tür ein kleines Stück nach innen auf, anscheinend war sie nicht verschlossen gewesen.
 Misstrauisch runzelte der junge Zauberer die Stirn.
 „Ist das üblich Winkums?“
 „Ich weiß nicht. Krisa, bist du da?“ , rief Winkums in den schmalen  dunklein Flur, doch im Inneren des Hauses blieb alles still. 
 Gwydion seufzte, es wäre auch viel zu einfach gewesen. Gewappnet für unangenehme Überraschungen  betrat er die Hütte.
 Das allein war schon nicht ganz ungefährlich, immerhin konnte die Hexe alle möglichen Bannsprüche benutzt haben, aber was blieb im anderes übrig?
 Gwydion spürte die Magie die, das Haus umgab, doch er glaubte nicht, dass sie ihm gefährlich werden würde. 
 Als weder Feuerbälle, noch Blitze ihn trafen ging er weiter und winkte Aiva ihm zu folgen, doch an der Türschwelle blieb die Dämonin wie angewurzelt stehen. 
  Ein schmerzhaftes Prickeln durchlief sie und in ihren Haaren knisterte blaues Elmsfeuer.
 Es war als hätte sich eine unsichtbare Wand aus dem Nichts um sie herum aufgebaut und ließ sie weder einen Schritt vor, noch zurück.
 „Ich fürchte ich kann mich nicht bewegen.“ Brachte sie zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
 „ Es hätte mich auch sehr gewundert, wenn sie keine Schranke eingebaut hätte. Ich sehe nach ob ich sie finden kann. Warte hier.“  Sagte Gwydion überflüssiger Weise und verschwand im düsteren Inneren des Hauses.
 Aiva schnaufte wütend.
 „Was soll ich auch anderes machen? Ich habe wohl kaum eine andere Wahl!“
 Kaum das Gwydion verschwunden war spürte sie das Zerren seines Bannspruchs, das sie zwingen wollte dem jungen Zauberer zu folgen.
 Die magische Barriere der Hexe zog auf der anderen Seite und es war ein schmerzhaftes Gefühl, so als würde man in einen Mahlstrom geraten.
 Aiva konnte nur hoffen, dass Gwydion die Hexe schnell fand und sie dazu brachte diese Schranke aufzuheben, bevor sie tatsächlich entzwei gerissen wurde.
 Währenddessen folgte der junge Mann dem niedrigen, verwinkelten Flur, bog um eine Ecke und fand sich in einer unerwartet großen Wohnstube wieder.
 Im Türrahmen blieb er stehen und blickte auf die Gestalt die dort am Tisch saß.
 „Ist sie tot?“ , fragte Gwydion nach einer Weile.
 Umgeben von aufgeschlagenen Büchern und Wachsflecken, die vor einiger Zeit wohl Kerzen gewesen waren saß die Hexe an ihrem Tisch.
 Auf den abgegriffenen Buchseiten hatte eine kleine Staubschicht die Schriftzeichen sanft zugedeckt.
 Krisa saß vollkommen regungslos auf ihrem Stuhl und ihre Augen waren nur noch einen winzigen Spalt geöffnet.
 Von ihrer Nasenspitze bis zu ihrer Hutkrempe zog sich ein Spinnenfaden und auch der dunkle Stoff des Hutes war mit dem Staub der Zeit versehen, so dass er eine helle Patina besaß.
 Eine uralte Katze lag um ihren Hals und wirkte so wenig lebendig wie ihre Herrin. Das Tier war spindeldürr und sein Fell stand in strubbeligen rotbraunen Büscheln von seinem mageren Körper ab.
 Es war Gwydion unmöglich zu sagen, ob es noch am Leben oder nur ein Pelzschmuck war.
 Fest stand, die Katze und ihre Herrin Krisa saßen schon längere Zeit hier ohne sich auch nur einen Zentimeter bewegt zu haben.
 Lange genug damit es sich eine dicke schwarze Spinne auf dem Hut der Hexe bequem machen konnte.
 Allerdings roch es in dem Haus nicht nach dem Tod. Vielleicht war es etwas muffig, weil längere Zeit kein Fenster mehr geöffnet worden war, aber es roch nicht nach Verwesung.
 „Ich hoffe doch sehr, dass sie noch am Leben ist. Lass mich mal runter Junge.“
 Vorsichtig nahm Gwydion den Stab von seinem Rücken und setzte ihn auf den Boden.
 Winkums hüpfte näher an die Hexe heran und nahm sie genau in Augenschein.
 „Schwer zu sagen ob das alte Mädchen noch atmet oder nicht.“
 Gwydion trat neben den Holzstab und musterte das faltige Gesicht derHexe ebenso kritisch wie Winkums.
 Aufgescheucht von so viel Aufmerksamkeit fühlte die dicke Spinne sich nicht mehr wohl und krabbelte flink vom Hut der Hexe.
 „In solchen Fällen hält man den Leuten einen Spiegel vor um zu sehen ob..“
 Plötzlich öffnete die Hexe ihre Augen ganz und Gwydion schrak zurück als er in einsblaue Pupillen blickte die ihn verwirrt anstarrten.
 „Junger Mann, was bitte machst du hier?“ Mit einer überraschenden Behändigkeit sprang die Hexe auf und Gwydion stolperte einige Schritte zurück. 
 Die Katze blieb derweil auf Krisas Schulter, als sei sie dort festgeklebt. Sie öffnete die Augen, eins stechend gelb das andere milchig grau, blinzelte mit dem gesunden und schloss dann beide wieder um weiter zu schlafen.
 Bedrohlich fuchtelte die Hexe mit einem gichtigen Zeigefinger unter Gwydions Nase herum.
 „Es ist mehr als unhöflich einfach in das Haus einer alten und wehrlosen Frau einzubrechen.“ Ihre Stimme klang wie eine ungeölte Türangel und trotz ihrer zerbrechlichen Gestalt flößte sie Gwydion Respekt ein.
 „Also einbrechen würde ich es jetzt nicht unbedingt nennen, immerhin stand die Tür offen.“ Erwiderte er vorsichtig in dem Versuch den Vorwurf des Einbruchs zu relativieren.
 „Was? Tatsächlich? Ach du meine Güte.“ Sie wischte sich hastig die Spinnwebe von der Nase.
 „Und warum ist es hier überhaupt so dunkel?“ Verwirrt sah sie sich in ihrer Wohnstube um und entdeckte dann die Wachspfützen.
 „Ach herrje, ich bin schon wieder eingeschlafen!“ Kopfschüttelnd wedelte sie mit der Hand und eine Schublade öffnete sich. Vier Kerzen schwebten heraus und entzündeten sich, kaum dass sie die der Enge ihrer Unterbringung entkommen waren. 
 Sie verteilten sich in den vier Ecken des Zimmers und schufen ein warmes Licht. Es vertrieb das unheimliche Gefühl der Abwesenheit von Leben das bis vor kurzem noch hier geherrscht hatte. Wie eine alte, runzlige Eule blinzelte die Hexe Gwydion an.
 „Und jetzt noch einmal zu dir. Was bitte machst du hier? Die Zeit in der junge Männer mich besuchten ist schon ein paar Jährchen her.“
 „Der Junge braucht deine Hilfe Krisa.“ Endlich schaltete sich Winkums in das Gespräch ein und rettete Gwydion aus seiner unangenehmen Lage.
 „Bist du das Winkums, du alter Gauner, oder bin ich jetzt endgütig verrückt?“
 „Freut mich, dass du dich noch an mich erinnerst. Ich hatte schon befürchtet du würdest nicht mehr unter den Lebenden weilen so wie du da gesessen hast.“
 „Nein, aber ich werde nun einmal alt und hin und wieder schlafe ich eben ein. Das Aufwachen fällt mir nur jedes Mal ein wenig schwerer.“
 „Ich möchte eure kleine Unterhaltung ja nicht unterbrechen, aber vielleicht könntest du den Bannspruch an deiner Tür aufheben. Da steht eine Dämonin die gerne herein möchte.“
 Gwydion sah wie Krisa misstrauisch die Augen zusammenkniff und fügte schnell hinzu: „Keine Sorge, sie steht noch unter meinem Bann, also geht von ihr keine Gefahr aus.“
 „ Eine Dämonin in meinem Haus, dass ich das noch erlebe! Aber na gut.“ Sie blinzelte und noch im selben Moment erschien Aiva mit einem Zischen dort, wo gerade noch leere Luft gewesen war.
 „Das wurde auch Zeit.“ Mit einem zerknirschten  Gesicht schüttelte sie sich das letzte Elmsfeuer aus ihren Haaren.
 „Nicht sehr beeindruckend.“ Urteilte Krisa nach einer kurzen Musterung.
 Aiva verzog das Gesicht, erwiderte allerdings nicht.
 Es war wahrscheinlich nicht sehr hilfreich, gerade die Frau zu verärgern, die ihre einzige Hoffung auf Hilfe war.
 Sie hätte der alten Hexe eigentlich nicht viel zu getraut, doch nachdem sie in den Genuss ihres Bannkreises gekommen war, wusste sie dass die Hexe nicht so schwach war wie der äußere Eindruck es vermuten ließ.
 Vielleicht war sie wirklich in der Lage Gwydions Bannspruch zu lösen.
 Krisa nahm langsam wieder auf ihrem Stuhl Platz, wobei sie ihr Kreuz stützte. „Setz dich junger Mann und sag mir was ich für dich tun kann.“
 Sie bot Aiva natürlich keinen Stuhl an, doch die Dämonin störte sich nicht weiter daran, sondern setzte sich einfach in die leere Luft.
 „Es ist eigentlich ganz einfach. Ich wollte einen Dämon beschworen.“ Er nickte zu Aiva hinüber. „Übrigens ist sie eine der Entsetzlichen.“
 Zur Bekräftigung nickte Aiva als Krisa sie überrascht ansah. 
  „Leider ist es mir jetzt nicht mehr möglich den Bann zu lösen.“ Fuhr Gwydion fort. » Wir haben alles versucht, doch es funktioniert einfach nicht. « 
 „Das ist allerdings ein Problem. Erzähl mir genau was du getan hast und was dann passiert ist.“
 Gwydion begann zu berichten und danach forderte Krisa Aiva auf zu erzählen was sie gemacht hatte.
 Natürlich ließ die Dämonin einige Dinge dabei unter den Tisch fallen.
 So gern sie wollte dass der Bann gelöst wurde, die Wahrheit musste sie dennoch verschweigen. Als sie fertig waren herrschte lange Zeit Stille und Krisa versank in nachdenkliches Schweigen. Fast hätte man glauben können sie wäre wieder eingeschlafen, so still wurde sie, doch dann ließ sie ein abfälliges Brummen hören.
 „Um endgültig etwas dazu  sagen zu können werde ich ein oder zwei Zauber testen müssen. Dann wissen wir mehr.“
 Aus den ein oder zwei Zaubersprüchen, wurden mehr als zig Sprüche und keiner von ihnen brachte etwas.
 Abgesehen davon, dass einer Gwydion und Aiva  durch die Luft wirbelte und ein anderer Funken von ihren Fingerspitzen sprühen ließ, tat sich rein gar nichts.
 Schließlich umkreiste Krisa die beiden mit gerunzelter Stirn während sie sich ihr spitzes Kinn rieb.
 „Und?“ , fragte Gwydion nach einer Weile ungeduldig. Ihm drehte sich der Kopf von all der misslungenen Zauberei.
 Er wollte endlich wissen ob sich der ganze Aufwand wenigstens gelohnt hatte.
 „Ich fürchte ich habe keine guten Nachrichten für dich Gwydion.“
 „Das hier betrifft ja nicht nur ihn.“ Bemerkte Aiva säuerlich, doch Krisa ignorierte sie gewissenhaft.
 „Ich kann diesen Bann nicht lösen und ich glaube nicht, dass jemand anders es kann.“
 „Aber jeder Bann lässt sich irgendwie lösen!“, widersprach Gwydion.
 Es gab keinen Bann, keinen Fluch keine Verzauberung die man nicht wieder aufheben konnte. In der Magie war nichts endgültig.
 „Normalerweise ja, aber ich glaube für euren Fall gelten andere Regeln. Irgendetwas hat sich verschoben, weil sie Balgamoth getötet und seinen Platz eingenommen hat. Dadurch wurden die Karten neu gemischt und dein Bannspruch hat sich verändert.  Es gibt sicher einen Weg den Bann zu brechen,  die Frage ist nur wie.“ Krisa sah den jungen Zauberer bedauernd an.  „Vielleicht muss etwas bestimmtes erfüllt, oder getan werden. Eine Art Schicksal dass sich erfüllen muss.“
 „Das kann doch alles nicht wahr sein!“ , stieß Aiva hervor und stampfte wütend  mit dem Fuß auf. „Was hast du getan, du dummer Zauberer!“ Wütend funkelte sie Gwydion an. „Warum tut ihr Zauberer überhaupt solche Dinge? Ist so etwas jemals schon mal gut gegangen? Nein! Es geht immer schlecht aus!“
 „Hätte ich gewusst wie diese Beschwörung ausgeht, hätte ich es bestimmt sein lassen.“ Erwiderte Gwydion trocken.
 „ Wie haben also keine Möglichkeit den Bann im Moment aufzuheben?“
 „Ich glaube er wird sich irgendwann von selbst lösen.“
 „Das beruhigt mich nicht im geringsten.“ Missmutig starrte er vor sich hin.
 „Wie konnte ich nur glauben dieses Stück Holz hätte eine nützliche Idee!“
 Aiva warf Winkums giftige Blicke zu und hätte ihm am liebsten einen deftigen Tritt verpasst. Winkums jagte sie kreuz und quer durch die Stadt für nichts und wieder nichts!
 „Ich hätte da noch eine, auch wenn sie schon alt ist: Gwydion soll dich einfach vernichten, dann hat sich die Sache endlich erledigt.
 „Dann wäre dein hochgeschätzter Schüler ein Mörder!“
 „Ha! Du bist ein Dämon, das gilt also nicht als Mord, sondern als gute Tat!“
 „So selbstgerecht können nur Menschen sein! Oder Dinge die sich für Menschen halten!“
 „Hört auf! Das bringt uns jetzt auch nicht weiter.“ Gwydions grüne Augen schienen wütende Funken zu sprühen.
 „Vielleicht hat es tatsächlich einen tieferen Sinn, dass der Bann sich nicht einfach lösen lässt. An einem Fehler in der Beschwörungsformel kann es nicht liegen, sie war perfekt. Aber durch den Tod des Entsetzlichen hat sich etwas auf der Okkulten Ebene verändert und damit anscheinend auch unser Schicksal.“
 Aiva schnaubte abfällig. Als Dämonin glaubte sie zum einen nicht an das Schicksal und zum anderen sah sie nicht im geringsten ein, dass sie allein an diesem Schlamassel Schuld sein sollte.
 „Hättest du keine Beschwörung abgehalten, wären wir jetzt auch nicht hier. Aber ihr Zauberer müsst eure Nase ja überall hinein stecken.“
 „ Jetzt reicht es! Ich möchte in meinem Haus keinen Streit habt ihr das verstanden?“ Krisa maß sie mit strengem Blick.
 „Wenn ihr einen Augenblick still wärt könnte ich euch sagen, dass es vielleicht doch einen Ort gibt, an dem ihr einige nützliche Hinweise finden könntet. Es ist nur eine Idee, aber ich denke selbst das ist euch im Moment recht.“
 „Nun, dann sei so gut uns nicht unnötig auf die Folter zu spannen.“ Forderte Winkums seine alte Freundin auf.
 Gwydion der schneller von Begriff war, wusste warum  Krisa nur so zögerlich mit ihrer Idee herausrückte.
 „Wie gesagt es ist nur eine Idee. Es könnte auch sein dass der Weg den ihr auf euch nehmt umsonst ist.“ Sie seufzte kurz.
 „Im Großen Nördlichen Gebirge soll es einen Riesen geben der in seiner Höhle alle möglichen Schätze angehäuft hat. Er raubt Reisende aus und überfällt manchmal auch kleinere Dörfer. Bei einem seiner Raubzüge soll er den größten Teil der Ewigen Bibliothek erbeutet haben.“
 Sie machte eine kleine Pause und räusperte sich. „ In diesen Büchern ist das Wissen Hunderter kluger Zauberköpfe zusammengetragen, also nutzen sie euch vielleicht mehr als ein verkalkter Hexenkopf. Allerdings gibt es keine Garantie dafür, dass er die Bücher wirklich hat. Bisher hat niemand sich die Mühe gemacht nach zu sehen.“
 Gwydion versank in düsteres Schweigen, während Aiva am liebsten gleich aufgebrochen wäre. Bücher waren ihrer Meinung nach einer gute Idee. Damit kannte sie sich aus, sie waren ihr Spezialgebiet und ihrer Erfahrung nach konnten sie fast immer helfen.
 „Also, gut.“ Sagte Gwydion nach einer Weile. „Wir werden uns die Sache mal ansehen. Sollten wir diese Bücher wirklich finden, steht vielleicht auch etwas über den Arawgb darin. Dann schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Vielen Dank, Krisa.“

 

 

 

Die Sonne hatte fast ihren höchsten Stand erreicht, als Arwetres sich gezwungen sah ein Dorf seiner Anhänger selbst in Augenschein zu nehmen.
 Hunderte von Stimmen waren hier erloschen, ein Umstand der nicht nur ärgerlich, sondern auch ungewöhnlich war. 
 Der Kriegsgott glaubte sich entfernt daran zu erinnern, dass man hier um seinen Segen gebeten hatte. Deshalb wunderte es ihn umso mehr, dass plötzlich alle Gebete mit einem Schlag verstummt waren.
 Was ihn jedoch wirklich wütend und misstrauisch gemacht hatte, war die Tatsache dass die beiden Späher, die er ausgeschickt hatte nicht zurückgekehrt waren.
 Bevor Arwetres selbst sich in das Dorf begab hatte er seine beiden Bluthunde losgeschickt um ihm Bericht zu erstatten.
 Doch von den beiden hatte er seit dem nichts mehr gehört und nichts mehr gesehen.
 Wer wagte es ihm so viele Gläubige und seine zwei Lieblingstiere  zu stehlen?
 Auf jeden Fall hatte er vor ihm den Schädel einzuschlagen, egal wer es war.
 Die schweren gepanzerten Stiefel ließen die Erde erzittern und zermalmten Gras und Pflanzen wohin sie auch traten.  Der Gott der Schmiedekunst hatte sie, so wie den Rest seinen goldenen Rüstung für Arwetres gefertigt und die Göttin des Lebens hatte sie mit Schutzzaubern versehen.
 Dornen ragten aus den Handschuhen die er trug und sein Helm hatte die Form eines goldenen Drachens.
 In seinen rabenschwarzen Bart waren die Knochen seiner Feinde eingeflochten und an seiner Seite hing eine riesige Axt, die als einziger Bestandteil seiner Rüstung nicht aus Gold geschmiedet war.
 Ihre Klinge bestand aus einem seltsam schimmernden Metall, dass Arwetres von der Mondgöttin erhalten hatte.
 Es gab nichts was die Klinge nicht zerteilen konnte. Kein Metall, kein Gestein und erst recht kein Körper konnte ihr stand halten.
 Seine Erscheinung war edel und er wirkte wie eine Lichtgestalt, bis man ihm ins Gesicht sah. Narben überzogen sein Antlitz wie ein Geflecht von Spinnweben und in seinen Augen brannte ein dunkles Feuer, goldene Sprenkel tanzten durch schwarze Pupillen.
 Oft waren sie das letzte, was Arwetres Gegner sahen.
 Über dem Dorf lag ein ekelerregender Geruch, eine Mischung aus Blut, Verwesung und menschlichen Ausscheidungen. Der Tod hatte hier seine unerbittlichen Schwingen ausgebreitet. Arwetres sog den Gestank ein und verzog sein Gesicht, so dass seine Narben einen missmutigen Tanz aufführten.
 Hier roch es nicht nach Kampf, hier war keiner eines aufrechten Todes gestorben. Hier war ein Schlächter durch die Reihen gegangen wie eine Sense durch das Korn.
 Nur dass er nicht feststellen konnte um was für ein Geschöpf es sich handelte. Mit schweren Schritten ging Arwetres zwischen den Leichen umher und bald waren die Spitzen seiner Stiefel rot von all dem Blut, das die Erde getränkt hatte, wie Regen ein Feld.
 Seltsam, dass er keine eindeutige Witterung von dem aufnehmen konnte, der für all das hier verantwortlich war.
 Eigentlich hätte sein Geruch hier überall sein müssen, doch er war hier und dort, niemals mehr als eine leichte Ahnung.
 Das einzige was überwältigend war, war der Geruch der vielen Toten.
 Auch wenn Arwetres es niemals zugegeben hätte, war er langsam doch beunruhigt.
 Irgendetwas ging hier ganz und gar nicht mit rechten Dingen zu.
 Eigentlich hatte er gedacht, dass ein Dämon für all das hier verantwortlich war. So etwas sähe ihnen ähnlich, doch er konnte einfach nicht feststellen ob er mit seiner Vermutung recht hatte.
 Der Geruch des Schlächters war alles und nichts, Arwetres konnte ihn einfach nicht klar identifizieren, auch wenn er ihm für einen Moment bekannt vorgekommen war.
 Nur die Gefahr, die davon ausging war eindeutig.
 Langsam und wachsam durchschritt der Kriegsgott das Dorf und suchte nach einem noch so kleinen Hinweis, doch überall sah er nur Tote.
 Besonders viele Leichen fand er auf dem Festplatz.
 Hier schien das schlimmste Massaker stattgefunden zu haben, aber hier schienen auch einige wenige versucht zu haben zu kämpfen.
 Das erfüllte Arwetres mit einem gewissen Stolz. Die Krieger die ihm ihr Leben geweiht hatten waren doch nicht ganz kampflos gestorben.
 Lieber einen sinnlosen, aber ehrenhaften Kampf fechten, als sein Leben billig zu verkaufen.
 Schließlich gelangte er zu dem Tempel der zu seinen Ehren errichtete worden war. Die Spuren des Kampfes wurden hier immer geringer, obwohl Arwetres sich nicht vorstellen konnte, dass der Angreifer vor einem Heiligtum Halt gemacht hatte.
 Vielleicht war er von hier gekommen und dann zum Festplatz weitergegangen.
 Entschlossen betrat der Gott den Säulengang seines Tempels.
 Das ganze Gebäude war aus massivem Eichenholz gebaut und mit Bildern von Arwetres ausgeschmückt. Die Schnitzereien waren ausgezeichnet und flößten Respekt  und Ehrerbietung ein.
Es war schade, dass nun niemand mehr hier her kommen würde um ihm zu huldigen.
 Als Arwetres den geweihten Gebetsraum erreichte erwartete ihn dort eine grausige Überraschung.
 In mitten einer riesigen Blutlache kniete sein Priester, dessen Namen er zwar nicht kannte, aber an dessen Gebete er sich noch wage erinnern konnte.
 Jemand hatte dem Mann die Kehle von einem Ohr zum anderen durchgeschnitten.
 Blubbernde Geräusche und kleine Blutblasen drangen aus dem klaffenden Schnitt und es dauerte eine Weile bis Arwetres erkannte ,dass es sich bei den Lauten anscheinend um ein Lachen handelte.
 Die Leiche des Priesters war verhext und es war klar dass der Schlächter seiner Gläubigen dafür verantwortlich war.
 Um den Zauber aufrecht erhalten zu können musste der Fremde jedoch irgendwo ganz in der Näher sein.
 Instinktiv wanderte die Hand des Kriegsgottes zum Griff seiner Axt und sein Blick löste sich von der kichernden Leiche um durch den dunklen Gebetsraum zu schweifen.
 Es gab hier viele Schatten in denen man sich vor  einem suchenden Auge verbergen konnte.
 „Du bist kein besonders guter Gott.“ Sagte der tote Priester mit brodelnder Stimme. Kleine dunkle Blutspritzer lösten sich in einem feinen Regen von seinen Lippen und zerplatzten am Boden. 
  „Wo warst du als wir dich am dringendsten gebraucht haben? Warum hast du uns nicht geholfen? Jetzt sind wir nur noch Futter für die Würmer.“
 „Wer ist so feige, dass er sich hinter einer Leiche verstecken muss? Los, zeig dich und kämpf gegen mich, wenn du dich traust!“
 „Willst du das wirklich, du erbärmlicher Gott?“ Die blutigen Lippen des Priesters verzogen sich zu einem schiefen Grinsen und platzten auf.
 „Wer auch immer du bist, komm heraus und zeig dich!“
 Mit einem Ruck fiel der Kopf des Leichnams nach hinten, nur noch von einigen Sehnen am Körper gehalten.
 Zwischen all dem blutigen Fleisch war das fahle Weiß der Wirbelsäule des Priesters zu erkennen.
 Der tote Mann sackte in sich zusammen, als das geliehene Leben ihn endgültig verließ.
 Im gleichen Moment nahm einer der Schatten Gestalt an und trat auf den Kriegsgott zu. „Diesmal bist du allein, kleiner Gott. Es ist niemand da der dir helfen wird.“
 Arwetres Augen weiteten sich entsetzt und er schnappte erschrocken nach Luft.
 „Das kann nicht sein! Du kannst gar nicht hier sein!“ , schrie er  und wich einen Schritt zurück. „Du weißt, dass ich es kann. Und du weißt bestimmt auch warum ich hier bin.“
 Arwetres hob die Axt zum Kampf bereit und starrte den Arawgb hasserfüllt an, wobei er seine Angst zurückzwang.
 Damals hatten sie fünf Krieger gebraucht um den Todgeborenen zu besiegen und jetzt stand er ihm allein gegenüber.
 Andererseits war der Seelendieb noch nicht im Vollbesitz seiner Kräfte, also hatte er immer noch eine reelle Chance.
 Deswegen war ihm der undefinierbare Geruch einen Moment vertraut vorgekommen! Wie dumm er gewesen war!
 „Du weißt, dass du mich nicht besiegen kannst. Aber du wirst dennoch kämpfen wollen, nicht wahr? Das macht das Ganze nur um so amüsanter. Der erste Schlag gehört dir.“ Die Augen des Arawgb leuchteten wie glühende Kohlen und Triumph lachte aus ihnen.
 Arwetres ignorierte das jedoch und konzentrierte sich nur noch auf die Wut in ihm, und zog Kraft aus ihr für den bevorstehenden Kampf.
 Die silbrige Axt glühte blau auf und der Kriegsgott griff nach seinem Schild, das aus Drachenschuppen gefertigt war.
 Wie auch immer dieser Kampf ausgehen mochte, er würde jeden Tropfen seines Blutes teuer verkaufen.
 Mit einem lauten Schrei, mit dem er sich selbst mehr Mut machen wollte als seinen Gegner zu ängstigen, warf er sich auf den Seelendieb. Er zielte mit der Axt auf den schattenhaften Körper seines Gegners, doch trotz der verzauberten Klinge traf er nicht auf Widerstand.
 Zu schnell um für das menschliche Auge erkennbar zu sein, wirbelte er zurück und holte erneut zum Schlag aus.
 Womit er nicht gerechnet hatte war, dass der Arawgb noch schneller war als er  und ihn mit seinen Schattenhänden an der Kehle packte.
 „Ich sagte den ersten Schlag hast du frei. Du hättest dir besser überlegen sollen wohin du zielst. Armer Arwetres! Immer schon ein großer Kämpfer aber nie ein großer Denker!“
 Unsichtbare Krallen bohrten sich in Arwetres Hals und wühlten darin herum,  zielstrebig auf der Suche nach seinem Kehlkopf und seiner Hauptschlagader.
 Die Hände des Gottes glitten ins Leere als er versuchte etwas zu greifen zu bekommen, auf dass er einschlagen konnte.
 Er brauchte nur einen gutgezielten Treffer um sich zu befreien und dann würde er diesem Seelendieb schon zeigen was für ein großer Kämpfer er tatsächlich war. 
  Aber er fand nichts, dass er hätte fassen konnte. Zwar konnte der Arawgb ihn packen, doch der Schattenkörper seines Gegners entzog sich Arwetres immer wieder.
 Seine Axt die noch niemals zuvor ihr Ziel verfehlt hatte fand kein Fleisch in das sie sich hinein bohren oder Knochen die sie spalten konnte.
 Er musste den Schädel des Arawgb erreichen und ihn zerschmettern, aber er hatte nicht genug Spielraum für solche Bewegungen, er war gefangen und konnte sich nicht befreien!
 Arawgb lachte nur hämisch über seine verzweifelten Bemühungen und beendete sein Spiel in dem er dem Kriegsgott mit einem Ruck die Kehle heraus riss.
 Dann ließ er Arwetres  plötzlich los und zog sich innerhalb eines Lidschlags auf die andere Seite des Gebetsraumes zurück.
 „Ich bin großzügig, kleiner Gott und gebe dir noch einen Versuch. Komm und schlag mich noch einmal, wenn du es kannst.“
 Arwetres richtete sich zu seiner vollen Größe auf, ungeachtet des Schmerzes der in seinem Körper wütete.
 Ein warmer Strom goldenen Blutes lief an seinem Hals hinunter und überzog den Boden mit einem glänzenden Regen.
 Jetzt würde er dem Arawgb, dieser Missgeburt den Schädel spalten und ihn dorthin zurück schicken wo er hergekommen war.
 Er würde nicht zu lassen, dass seine Existenz das Geschlecht der Götter noch länger beleidigte. 
  Noch einen Schlag würde er nicht verschwenden. Dieses Mal wusste er wo er hin zielen musste und dann würden sie sehen wer zuletzt lachte.
 Langsam näherte er sich dem Arawgb, wobei er darauf wartete, dass sich seine Wunde wieder schloss. 
  Sein Gegner sah ihm mit einer entnervenden Gelassenheit entgegen.
 Hass flammte heiß in Arwetres auf und peitschte ihn an. Wütend knurrend sprang er vor, täuschte einen Schlag an und vollführte einen Hieb dem niemand ausweichen konnte.
 Doch wieder zerteilte seine Axt nichts als leere Luft.
 „Zu langsam, streng dich mehr an. Früher warst du einmal besser! Wo ist der Krieger der mich einst niederstreckte?“
 Die spöttische Stimme des Arawgb hallte in Arwetres Ohren wieder und blind vor Hass setzte er ihm nach.
 Ohne auf seine Taktik oder auf seine schwindende Kraft zu achten trieb er seinen Gegner vor sich her der ihm immer wieder beinahe spielerisch wieder auswich.
 Er dachte nicht mehr daran dass er seine Energie sinnlos verbrauchte und beachtete auch seine Wunde nicht, die immer noch stark blutete.
 Der einzige Gedanke der ihn jetzt noch erfüllte war den Seelenverschlinger zu töten.
 Arwetres wollte vernichten, zerstören, Blut fließen lassen, Knochen zerschmettern, alles andere war nicht mehr von Belang.
 Dafür war er erschaffen worden, für den Kampf auf Leben und Tod!
 Er war der Gott des Krieges, niemand kein Gott und kein Dämon konnten ihn im Kampf schlagen!
 Die Welt versank hinter einem roten Schleier aus rasendem Hass und Mordlust. Er würde ihn töten koste es was es wolle.
 Der Arawgb provozierte Arwetres nur noch mehr, verspottete ihn, lockte und scheuchte ihn immer wieder von einer Ecke in die andere, ohne dass der Gott sich dieser Manipulation überhaupt noch bewusst war.
 Als Arwetres zum ersten Mal ins Taumeln geriet, weil sein göttliches Blut weiterhin den Boden benetzte, lichtete sich der rote Schleier ein wenig und offenbarte ihm einen Blick auf seine Fehler. Gegen den Seelenverschlinger konnte man nicht als Berserker kämpfen, dafür war er zu gerissen. Jetzt kam diese Erkenntnis allerdings zu spät.
 Der Arawgb stand plötzlich hinter ihm und flüsterte ihm ins Ohr: „Eine etwas enttäuschende Vorstellung, Arwetres. Es hatte seinen Grund weshalb es damals fünf von euch brauchte um mich zu besiegen. Wenn du nichts dagegen hast nehme ich mir jetzt was mir zusteht.“ 
 Er versetzte dem Kriegsgott einen Schlag der ihn zu Boden gehen ließ und noch während Arwetres versuchte sich wieder aufzurappeln griff der Arawgb nach seinem Bein.
 „Ich glaube das gehört mir.“ Mit einem furchtbaren Ruck wurden Sehnen, Fleisch Muskeln und Knochen einfach auseinander gerissen.
 Goldenes Blut spritzte aus dem Stumpf, wo gerade noch Arwetres linkes Bein gewesen war.
 Die Augen des Gottes waren vor Entsetzen und Schmerz geweitet während er zusah wie sein kostbares Blut den Boden vergoldete.
 Wie hatte es so weit kommen können?
 „Ich werde dir eine letzte Gnade erweisen und dein armseliges Leben beenden. Immerhin hast du tapfer dein Bestes versucht. Es hat leider nur leider nicht gereicht.“ 
  Schattenhände bohrten sich in Arwetres Brust und zerquetschten den kleinen Rest Leben der sich noch dort verbarg.
 Das Licht in den Augen des Gottes erlosch augenblicklich und sein Körper verbrannte mit einer goldenen Flamme zu Asche, während der Arawgb seinen Triumph in die Welt hinaus lachte.
 So wie Arwetres es damals mit seinem Bein getan hatte würde er jetzt das Bein des Gottes verspeisen und so einen Teil seines Körpers wieder zurück bekommen.
 Kurze Zeit später trat er aus dem Tempel in den anbrechenden Abend hinaus und spürte deutlich wie ihn neues Leben durchflutete. 
 Der Kampf mit Arwetres hatte ihn mehr angestrengt als er gedacht hatte. Es zehrte an seiner Kraft seinen Willen so stark zu konzentrieren, dass sein Schattenkörper genug Festigkeit hatte um jemanden zu ergreifen.  Doch diese Anstrengung hatte sich mehr als gelohnt.
 Sein linkes Bein war immer noch nicht so körperlich wie früher doch es war jetzt endlich mehr als ein verhasster  Schatten. 
 Er konnte es kaum noch erwarten seinen Körper endlich wieder ganz zu spüren. Dann stand ihm nichts mehr im Weg um seinen Plan zu vollenden.
 Er würde die drei Welten zerstören, alles was für ihn unerreichbar war würde er endgültig auslöschen.
 Der nächste Schritt dahin, war Gwgawnar einen Besuch abzustatten.

 

 

 „Wer hat gesagt, dass ich euch helfen will den Arawgb zu finden? Um ehrlich zu sein, habe ich nicht die Absicht ihm zu nahe zu kommen.“ Sagte Aiva bestimmt.
 Genau genommen wollte sie eher genau das Gegenteil, und zwar so weit weg von ihm wie möglich.
 Zu ihrem Leidwesen war Gwydion aber geradezu besessen von seiner Idee und sie war immer noch an ihn gebunden.
 „Ich fürchte, dass du in diesem Fall keinerlei Mitbestimmungsrecht hast. Außerdem versuchen wir ja auch den Bann zu lösen nicht wahr? Vielleicht hast du das Glück und wir können den Zauber brechen, dann trennen sich unsere Wege sofort. Und jetzt schweig bitte, hier gibt es zu viele neugierige Ohren.“
 Sie befanden sich wieder auf einem der  Hauptwege der Stadt. 
  So lange sie gebraucht hatten die Hexe zu finden, so schnell waren sie auch wieder zurück im belebteren Teil von Larlas´kiri.
 Immer noch tummelten sich hier die Nachtschwärmer und allerlei andere seltsame Zeitgenossen die man lieber nicht genau in Augenschein nahm.
 Aiva nörgelte dennoch weiter, denn Gwydion schien es viel wichtiger zu sein etwas über den Seelendieb in Erfahrung zu bringen als den Bann zu brechen.
 „Ich will diesen Bann endlich los werden! Verdammt ich will..“ Plötzlich verstummte Aiva und sah sich verunsichert um.
 Sie hob ganz leicht den Kopf und schnupperte.
 Eiskalt lief es ihr den Rücken hinunter, denn irgendwo ganz in ihrer Nähe hielt sich ein anderer Dämon auf.
 Mit einer hastigen Bewegung verbarg sie ihr Gesicht unter ihrer Kapuze, eine ebenso unnötige wie ärgerlich menschliche Geste. Der andere Dämon konnte sie schließlich genau so gut wittern wie sie ihn.
 Allerdings gab es ihr ein wenig Sicherheit wieder.
 Gwydion sah sie schräg von der Seite an: „Was ist mit dir?“
 „Nichts. Hier sind nur zu viele Menschen, das ekelt mich einfach an.“
 Der junge Zauberer gab sich mit der Antwort zufrieden, die ihn eigentlich misstrauisch gemacht hätte. Aber er war mit seinen Gedanken ohnehin ganz woanders. 
  Gwydion beschäftigte sich mit dem Arawgb. Er wusste noch viel zu wenig über diese neue Bedrohung, um ihr entgegen treten zu können. Und jemand würde ihm entgegen treten müssen wenn die Gerüchte stimmten.
 Gerade wollte Gwydion eine Abkürzung einschlagen, als Aiva ihn am Ärmel zurück hielt.
 „Wir sollten einen anderen Weg nehmen, der hier gefällt mir nicht.“ Etwas in ihrer Stimme alarmierte ihn.
 „Was ist..“
 In diesem Moment bemerkte auch Gwydion eine fremde Präsenz, die in der Gasse vor ihnen lauerte. 
 „Noch einer von ihrer Brut.“ Zischte Winkums. 
  Wie aufs Stichwort trat eine düstere, gehörnte Gestalt mit glühenden roten Augen aus den Schatten vor ihnen in die Gasse.
 Sie waren ihm genau in die Arme gelaufen.
 „Du bist also tatsächlich hier.“ Grollte Grewnoks dunkle Stimme und Aiva schnappte erschrocken nach Luft.
 Ausgerechnet er hatte sie hier gefunden!
 „Du wirst jetzt mitkommen. Unser König hat einige Fragen an dich.“ Es war  ein klarer Befehl und dennoch blieb Aiva genau dort wo sie war.
 Das lag nicht nur an Gwydions Bannkreis, sondern vor allem daran dass sie nicht im Traum daran dachte Grewnok zu begleiten.
 „Worauf wartest du noch? Jetzt komm endlich! Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“ Jetzt klang der Dämon entnervt und ungeduldig, als spräche er mit einem ungehorsamen Dämonenkind.
 Aiva ärgerte sich darüber, doch noch war ihre Angst größer als ihre Wut und sie schwieg.
 Statt dessen sprach ein anderer.
 „Ich fürchte sie kann dich nicht begleiten. Sie steht unter einem Bann.“ Erklärte Gwydion hilfsbereit und Grewnok wandte seinen Kopf langsam zu ihm um.
 „So, so unter einem Bann steht sie. Etwa unter deinem?“ Spöttisch grinste der Dämon und entblößte seine dolchartigen Reißzähne.
 „Ja, genau so ist es. Mein Bann bindet sie an mich.“
 „Na, wenn das so ist! Dieses Problem ist doch leicht zu beheben.“
 Mit einem Brüllen stürzte Grewnok los und warf sich auf Gwydion.
 Dieser zog Winkums erstaunlich schnell hinter seinem Rücken hervor, schwang ihn durch die Luft und traf den Dämon mitten auf die Brust.
 Kleine feuerrote Blitze entluden sich auf der geschuppten Brust des Dämons und tanzten über seinen ganzen Köper.
 Mit einem ungehaltenen Knurren schüttelte der Dämon sie wieder ab und setzte dem Zauberer erneut nach.
 Aiva stand wie erstarrt während in ihrem Kopf tausend Gedanken durcheinander wirbelten. Wenn Grewnok gewann, war den Bann zwar gelöst, aber sie würde sich mit Abraxas und einigen mehr als unangenehmen Fragen auseinander setzen müssen.
Außerdem wollte sie ehrlich gesagt nicht, dass der junge Zauberer sterben musste nur um den Bann zu lösen.
 Schließlich hatte er, trotz Winkums beharrlicher Aufforderungen sie zu töten, bis jetzt darauf verzichtet.
 Es war also nicht gerecht ihn jetzt sterben zu lassen.
 Dass sie sich einem Menschen so verantwortlich fühlte, verärgerte sie, aber so war sie nun mal.
 Ihr Dämonenblut war einfach nicht stark genug, sie war nicht böse genug als das ihr dieser Mensch egal war.
 Bevor es Grewnok gelang Gwydions Feuerwall zu durchbrechen und ihm an die Kehle zu gehen sammelte Aiva ihren ganzen Mut und ihre verkümmerten Kräfte  und schleuderte sie gegen den Dämon.
 Grewnok, den sie vollkommen unerwartet traf, wurde zur Seite geworfen und prallte gegen die Häuserwand.
 Putz und Teile der Steine rieselten zu Boden und es entstanden tiefe Risse im Mauerwerk.
 Da! Sie hatte es schon wieder getan! Innerhalb von zwei Tagen hatte Aiva zum zweiten Mal die Hand gegen einen anderen Dämon erhoben um das Leben eines Menschen zu schützen.
 Und diesmal hatte sie keine wehrlosen Kinder gerettet, sondern jemanden der wahrscheinlich mehr Dämonen getötet hatte als sie sich vorstellen konnte.
 Das war alles andere als gut.
 Sie hatte sich so eben jeden Rückweg in ihr altes Leben unmöglich gemacht! Vielleicht hätte sie sich aus der Geschichte mit Balgamoth irgendwie herausreden können, aber nicht hier raus. Und das alles nur wegen diesem dummen Zauberer!
“Wie kannst du es nur wagen!“ Grewnok war leider gleich wieder auf den Füßen gelandet und sein glühender Blick brannte sich hasserfüllt in Aivas Augen.
 „Dafür wirst du büßen! Du Verräterin!“
 Anscheinend hatte er vergessen, dass Abraxas Aiva Fragen stellen wollte, denn mit gefletschten Zähnen sprang er nun auf sie zu, beseelt von der Absicht ihr die Kehle aufzureißen.
 Wie erstarrt stand Aiva da und sah ihrem Tod in entgegen. Das hatte sie sich alles selbst eingebrockt.
 Resigniert schloss sie die Augen und hielt den Atem an.
 Ein Blitz so hell dass er durch Aivas geschlossene Lider drang machte die Nacht für einige Sekunden zum Tag, danach geschah lange Zeit lang nichts.
 Da der Todesstoß ausblieb musste Aiva irgendwann weiter atmen und öffnete ihre Augen.
 In gekrümmter Haltung lag Grewnok am Boden.
 Dünne Rauchfahnen kräuselten sich von seiner grünen Haut und der Gestank nach verbranntem Horn biss in Aivas empfindlicher Nase.
 Das Glühen in den Augen des Dämons war erloschen und sie starrten wie zwei schwarze Teiche ins Nichts.
 Ungläubig sah Aiva zu Gwydion, der noch mit erhobener Hand da stand, während kleine Blitze um seine Finger tanzten. 
 Der Blick seiner grünen Augen war so undurchdringlich wie die Oberfläche des Ozeans bei einem Sturm.
 Es war nicht auszumachen was er dachte.
 „Tja, das war die Gelegenheit  Junge.“ Durchbrach Winkums die unangenehme Stille die, die Gasse ausfüllte.
„Damit hast du recht. Es war die Gelegenheit und zwar für dich.“ Er nickte Aiva zu, die immer noch etwas überrascht da stand.
 „Ja, tatsächlich.“ Stimmte sie ihm lahm zu.
 „Wenn rauskommt, dass du ihn angegriffen hast, um mein Leben zu retten wirst du jede Menge Ärger bekommen.“ Gwydion musterte sie prüfend, so als sähe er sie mit anderen Augen.
 „Das macht sowieso keinen Unterschied mehr. Ein Menschenleben mehr oder weniger fällt jetzt auch nicht mehr ins Gewicht.“
 „Wie meinst du das? Und was meinte er als er sagte Abraxas hätte noch Fragen an dich?“
 „ Er hat Fragen wegen Balgamoths Tod. Aber das ist alles nicht so wichtig. Wir sollten zu sehen, dass wir von hier weg kommen, bevor noch einer hier auftaucht.“
 „Da ich beinahe mein Leben wegen dieser Sache gelassen habe, finde ich sie doch wichtig. Wieso macht ein Menschenleben mehr oder weniger nichts mehr aus?“
 Diesmal würde sie sich nicht so einfach herausreden. In Gwydions Blick lag eine Härte die ihr deutlich machte, dass er sich jetzt nicht mit irgendwelchen Ausreden abspeisen lassen würde.
 Aiva zögerte einen Moment, doch dann seufzte sie.
 „Also, gut. Ich habe schon einmal einen Dämon getötet um das Leben zweier Menschenkinder zu retten, also ist mein Leben ohnehin verwirkt.“
 Jetzt war Gwydion ehrlich überrascht.
 „Du hast zwei Kindern das Leben gerettet? Aber warum? Und warum hast du mir das Leben gerettet?“
 „Das frage ich mich im Moment auch.“ Erwiderte sie säuerlich. „Bei den Kindern war es das Gefühl dass es einfach falsch gewesen wäre, wenn sie Balgamoth zum Opfer gefallen wären. Er hat gegen unsere Gesetzte verstoßen, indem er wahllos mordete. Ich.... es war einfach nicht richtig, also habe ich ihn verhindert. Und bei dir.“ Sie seufzte wieder. „Schließlich hast du ja auch darauf verzichtet mich zu töten, nicht wahr? Und ich bin der Meinung, dass man seine Schulden immer sofort begleichen sollte.“
 „Ich habe noch nie von einem Dämon gehört der glaubt er wäre einem Menschen etwas schuldig. Allerdings habe ich auch noch nie von einem gehört der Kindern das Leben rettet.“ „Genau so wenig wie die Menschen sind wir Dämonen alle gleich. Es gibt solche und solche.“ „Es fällt mir ein wenig schwer das zu glauben. Aber eins ist sicher: Von jetzt an werden wir öfter Besuch von anderen Dämonen bekommen. Es wird wohl nicht lange dauern bis sie wissen, dass der da tot ist. Und ich möchte nicht mehr hier sein, wenn sie hier her kommen um ihn zu holen.“ Gwydion war von Aivas Antworten mehr als überrascht und er hatte noch andere Fragen an sie, aber jetzt war  es ihm wichtiger diesen Ort erst einmal so schnell wie möglich zu verlassen. Darüber war Aiva mehr als erleichtert, denn es hatte sie all ihre Überwindung gekostet Gwydion die Wahrheit zu erzählen. Wer sprach schon gerne von seinen Schwächen? 
 Sie verließen die Gasse zügig aber in Ruhe und Grewnoks Leiche blieb in der Dunkelheit zurück.

 

 

„Wir müssen etwas unternehmen! Und zwar sofort!“ Daja, die Göttin der Ernte sprach laut aus, was alle auf dieser Versammlung dachten.
 „Wir können nicht dulden, dass er es beginnt unter uns zu morden!“
 „Können wir überhaupt wissen ob er es tatsächlich war?“ , fragte einer der anderen Götter.
 „Ja, das ist sicher. Ich habe jemanden in die Unterwelt geschickt. Der Pavillon in dem er gefangen war ist aufgebrochen worden und leer. Jemand muss sie geöffnet und ihn frei gelassen haben.“ , verkündete Abraxas mit düsterem Blick.
 Ein entsetztes Raunen ging durch die Reihen der Götter und Dämonen.
 „Was sollen wir jetzt tun? Arwetres ist ein schrecklicher Verlust!“
 „So wie Balgamoth für uns!“ , tönte es von der Dämonenseite.
 Da sie immer noch nicht genau wussten was mit Balgamoth geschehen war und wo seine Geschichtenbewahrerin geblieben war, gingen sie davon aus, dass der Ausgestoßene Arawgb dafür verantwortlich war. Wer sonst wäre in der Lage gewesen den Entsetzlichen so gezielt zur Strecke zu bringen? 
  Ob Grewnoks Tod ebenfalls damit zu tun hatte würde sich noch herausstellen.
 „Das heißt, dass er bereits zwei der Beteiligten getötet hat. Bleiben nur noch drei  von uns übrig.“ Orem blickte zu Abraxas der ihm zu nickte.
 Gwagnwar war heute abend nicht hier erschienen, trotz einer eindringlichen Aufforderung. Er stand ebenfalls auf der Liste des Arawgb, da waren sie sicher.
 „Wir sollten ihn jagen, solange er sich noch nicht vollkommen regeneriert hat.“ Schlug Abraxas vor. „Es ist nicht ratsam zu warten, bis er seine ganze Kraft wieder hat.“
 „Ja, ich stimme die zu. Such einige deiner besten Leute aus, so wie ich die meinen und dann werden wir in zur Strecke bringen. Diesmal wird es nicht so weit kommen wie damals.“ Orems Stimme klang entschlossen und gab den Anwesenden, ob Götter oder Dämonen  Mut.
 Die meisten von ihnen konnten sich noch gut daran erinnern, wie furchtbar diese Zeit gewesen war. Auch wenn sie es nicht zugegeben hätten, hatte sie alle furchtbare Angst gehabt als sie hörten, dass der Arawgb wieder zurück sein sollte.
 Aber sie alle vertrauten ihren beiden Königen und so lange sie noch Hoffnung hatten, würden auch sie bereit sein zu kämpfen.
 Noch in dieser Nacht schickte Abraxas nach den Entsetzlichen. Zwei von ihnen schickte er zu Gwagnwars Höhle.
 Sie sollten ihm sagen wie sich die Situation darstellte und dass er so schnell wie möglich nach Urus´karan zurück kommen sollte.
 Es war wichtig dass sie ihre Kräfte vereinten, sonst wären sie verloren.

 

 

Wird fortgesetzt....... 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.08.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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