Hans-Peter Zürcher

Ein Sommerspaziergang

 
24. August 2008
 
Ohne dass ich wollte lief und lief ich einfach immer weiter, erst über abgeerntete Felder, dann über Weideland und durch den Wald. Solche Spaziergänge mache ich sehr gerne, denn ohne Ziel sich einfach durch die Natur treiben lassen ist etwas Erbauliches. Waren es nun zwei oder gar drei Stunden, ich wusste es nicht, eine Uhr hatte ich nicht mit dabei, denn im Sommer ist es lange hell und irgendwie findet man ja immer wieder nach Hause. Aber auch heiss war es an diesem Tag. Mein Pulsschlag ging schnell, im Gleichtakt zu meinem Schritt, der unaufhörlich vorwärts trieb. Das Weideland war kahl gefressen, ob wohl nur wenige Rindlein sich an dem Grass ihre Genugtuung fanden. Unaufhörlich frassen sie von da nach dort und zurück, beständig mit ihren schwänzen nach lästigen Fliegen schlagend. Kleine Glöckchen begleiteten das gefrässige Völkchen, Glöckchen, die mal mehr und dann wieder weniger stark ertönten, je nach dem, wie sie bewegt wurden. Nicht mehr weit und der Schatten des kühlen Waldes konnte mich aufnehmen.
 
Licht und Schatten spielten auf dem Boden im leichten Wind und wenn ich hoch schaute glitzerte das Sonnenlicht zwischen den vibrierenden Blättern. Die flimmernde Hitze, die mich aufgeheizt hatte, als ich übers Feld und das freie Weideland spazierte, ist wohl noch in mir gespeichert, aber die sanfte Kühle im Wald wird sie wohl langsam in angenehme Erfrischung verwandeln. Ich stand mal kurz still, zog mir den Sonnenhut vom Kopf und wischte mir mit dem Taschentuch die Schweissperlen von der Stirn. Langsam wurde auch mein Atem wieder ruhiger, denn das leichte, aber stete Bergauf lies mich doch eher schwer schnaufen. Hier im Wald herrschte eine wunderbare Stille, die nur von meinem Atem und dem leisen Windeshauch bereichert wurde. Die Vögel haben wohl ihre Stimme verloren, da und dort ist wohl einer zu sehen, sass aber eher in sich gekehrt auf einem Aste und rupften ihr Federkleid.
 
Überall lagen noch von den letzten Gewitterstürmen Äste und Holzstucke herum, die wohl bis zu ihrer vollständigen Verrottung liegen bleiben. Am Wegesrand lagen geschälte, zum Abtransport im Herbst geschichtete Baumstämme, die mir eine ideale Sitzgelegenheit boten. Einen kühlen Schluck Tee aus meiner Trinkflasche, ein Stückchen Brot und Räucherwurst waren meine Brotzeit und zum Dessert ein Apfel liessen mich erfrischen und stärken. Hier konnte ich fast ungestört meinen Gedanken freien Lauf lassen, denn selten verirrte sich eine Menschenseele in diesen Wald. Scheinbar wollen alle hinaus ins Gewühl, ins überfüllte Schwimmbad, an einen überfüllten Strand oder gar in die überhitzte Stadt, oder blieben gar in ihrer abgedunkelten Stube zu Hause sitzen.     
 
Dieser heisse Sommertag zeigte sich aber besonders hier im Wald von seiner schönsten Seite. Das hell blendende Nachmittagslicht verwandelte sich hier im Wald in eine wunderbare fliessend glitzernde Melodie aus Licht und Schatten, wie die Oberfläche eines mit kleinen Wellen schimmernden kühlen Sees. Da der Waldboden hier so schön Licht durchflutet verwöhnt wurde, war auch der Boden mit üppigem Grünzeug bewachsen. Feine Düfte streichen einem entgegen, mal modrig von feuchter Erde und feuchtem, faulenden Holz, mal mild duftend nach aufgewärmten Grünpflanzen und heranreifenden Beeren, mal von frisch geschlagenem Holz. All diese Wahrnehmungen zusammen mit der Melodie der Licht- und Schattenspiele verweben sich zu einer einzigartigen Symphonie. Voller Harmonie und Klangfarben, bereichert vom Klang der Glöckchen von den weidenden Rindern und dem Schrei von Bussarden oder Milanen, die sich mit der Thermik des heissen Nachmittags irgendwo über dem Feld oder Wald in die Höhe treiben liessen und mit dem Aufwind ihr Spiel der Lüfte spielten.
 
Nur ungern verliess ich diesen ruhigen Winkel, aber es zog mich weiter, wollte ich noch vor dem Eindunkeln wieder zu Hause sein. Über lauschige Waldlichtungen querte ich über morsche Holzbohlen ein kleines Sumpfgebiet. Bei jedem Schritt gluckste es unter meinen Schritten, ein Kröte oder ein Frosch, so genau konnte ich es nicht beobachten, sprang ins feuchte Moor. Beim Weiher dann legte ich nochmals eine Rast ein, bevor ich mit reichlich geschenkten Eindrücken den Nachhauseweg antrat. Das Blau des Himmels spiegelte im ruhigen Wasser des Weihers als wäre oben unten und unten oben. Unendlichkeit nach unten und nach oben, nur getrennt durch Linie des Ufers, dessen Schilfbestände ebenfalls von dieser fantastischen Spiegelung aufgenommen wurden.
 
© 2008 bei Hans-Peter Zürcher

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