Andre Aengels

Tanja O. - Vergessene Kindheit


Tanja O. -
Vergessene Kindheit

Der erste heftige Wintertag seit Winteranfang. Es schneite dicke weiße Fussel vom Himmel, die alles anfielen was sich ihnen in den Weg stellte. Der kalte Nordwind blies den Leuten mitten in’s Gesicht. Wer an diesem trüben Morgen um 9 Uhr keinen Schal um den Hals und das Gesicht gewickelt hatte, bekam schneller rote Pustebacken als ihm vielleicht recht gewesen währe. Und es waren an diesem Mittwoch Morgen reichlich Leute unterwegs die ihre Köpfe tief in den Kragen ihrer Jacken vergruben. Keiner der vorbei hetzenden Menschen bemerkte eine kleine gedrungene Gestalt, die sich langsam an der Horde von kaufwütigen Weihnachstmuffeln vorbei schlengelte; verzweifelt gegen den Wind anzukommen versuchte, und von ein paar abgehetzten Bürohengsten unsanft angerempelt wurde. Diese kleine gedrungene Gestalt hatte eine dünne Jeanshose an. Die dreckige braun-fleckige Jacke die man für gewöhnlich im Sommer trug war ihr eine Nummer zu klein. Ihre dünnen Fußfesseln sammt Füße steckten in abgenutzten roten Socken die in blau-weißen Turnschuhen steckten. Wenn man sie aus einer gewissen Entfernung sah, konnte man nicht feststellen ob dieses Wesen weiblichen oder männlichen Ursprungs war. Betrachtete man sie von nahem erschrak man sicherlich, und wunderte sich warum dieses menschenähnliche Wesen überhaupt noch lebte. Es war ein Mädchen, zirka 14 bis 16 Jahre alt. Stünde sie gerade, könnte man ihre Größe vielleicht auf 1.68 schätzen. Sie war ein Gerippe von Mensch; die Hände die in den Jackentaschen steckten waren über die erträglichen Maße dünn. Ihre Haut teils rosa, teils bräunlich-blau. Wenn man ihr in’s Gesicht schaute, konnte man auf den ersten Blick nur Teilnahmslosigkeit und ausdruckslose Augen erkennen, die durch einen hindurch schauten. Ihr Mund war ein einfacher Strich.
Die wenigen die sich zu ihr umdrehten wunderten sich, warum kein Erwachsener bei ihr war, und warum sie nicht Zuhause bei ihren Eltern war um so kurz vor Heilig Abend die festliche Stimmung zu genießen. Sie drehten sich jeodhc schnell wieder um, damit sie nicht ihre eigenen Angelegenheiten vergaßen. Die meisten kümmerten sich eh nicht um sie. Man hatte eben viel zu tun und viel Stress, um noch rechtzeitig die letzten Geschenke zu besorgen die man vergessen hatte. Nicht ein einziger konnte auch nur ahnen, daß dieses Mädchen keine Eltern mehr hatte und nahezu Ziellos durch die Großstadt irrte. Für sie gab es kein Weihnachten. Sie hatte ganz andere Probleme. Vor allem aber Geldprobleme. Und eben dieses Problem nahm sie nun in Angriff.
Zielstrebig ging sie an den verschiedenen Geschäften vorbei. Schaute sich immer wieder verstohlen um, suchte nach einem geeigneten Laden, der nicht gerade groß, aber groß genug für ihre Pläne war. Vorbei an Bäckerreien, kleinen Kaffebuden und verschiedensten Süßigkeitengeschäften. Plötzlich hielt sie inne. Schaute nach links und nach rechts, dann geradeaus. Ein kleinerer Laden hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. Große Fensterscheiben durch die man in das Innere des Ladens sehen konnte, während draußen neben der elektrischen Eingangstür ein Grußkartenständer mit den verschiedensten Karten und ein weiterer Warenständer mit Rädern, in dem sich bunte Putzlappen oder ähnliches befand standen. Sie schaute sich noch einmal um, und ging anschließend über die Straße zum Laden, und durch die Eingangstür die sich automatisch öffnete. Fast so, als ob sie auf jemanden wie sie nur gewartet hätte. Ihr inzwischen professionell geschulter Blick glitt über sämtliche einsehbare Ware die sie von der Eingangstür aus sehen konnte. Mehrere große Einkaufsregale in denen Katzen- und Hundefutter, Waschmittel und diverses anderes Zeug ausgesellt waren ragten in den Ladenhimmel. Sie ging fast teilnahmslos und schlurfend durch die, sich ebefalls automatisch öffnende Schranke, direkt auf eines der großen Regale zu. Mehr aus Langeweile und um eventuell argwöhnisch auf sie gerichtete Augen zu täuschen schnappte sie sich eine der Hundefutterdosen und fing an den bedruckten Text auf der Futterdose zu lesen. Ein großer Hundekopf war darauf abgebildet, und darüber die Überschrift „Schnappi”, darunter stand „Das Beste was ihr Hund bekommt”. Desinteresiert schüttelte sie den Kopf und stellte die Dose wieder in’s Regal zurück. Schlenderte weiter zur Kasse, wo sie unbemerkt vier Schachteln der Zigarettenmarke „Peter Stywesant” nahm und auf dem Weg zum Kühlregal in die Innentasche ihrer Jacke steckte.
Am Kühlregal angekommen angelte sie sich eine kleine Packung „Curry King”. Eine Art Currywurst in Plastik zum aufwärmen in der Micro. Anschließend ging sie schnell zur Kasse, bezahlte dort unbehelligt ihre Packung und zurück, raus auf die kalte Einkaufsmeile. Ein- bis zweihundert Meter weiter setzte sie sich irgendwo auf eine Mauer, holte sich eine der Zigarettenpackungen hervor und zündete sich nach entfernen der Plastikfolie eine Zigarette an. Das Feuerzeug hatte sie erst letzte Woche aus einem anderen Laden mitgehen lassen.

Nach der Zigarette führte sie ihr Weg durch einige Villenbehaftete Straßen, weiter in Richtung „Getto” der ganz normalen Großstädte. Man muss wissen, jede Stadt, und mag sie noch so klein sein, hat ihre Ecken und Winkel in denen das Gesocks der Stadt haust und unbehelligt herrscht. Und so hatte auch diese Stadt ihre gewissen „Ecken” in denen die verschiedensten Kulturen aufeinander prallten. Dorthin war sie nun unterwegs. Aus einem bestimmten Grund, einem Grund der sie nun schneller als geplant vorwärts trieb. Sie merkte schnell daß es mal wieder Zeit für sie war, daß sie schon bald wieder zittern würde. Allerdings nicht vor Kälte. Die Unruhe die sie schon im Laden gespürt hatte, tat sie zu dem Zeitpunkt als Angst vor dem erwischt werden ab. Doch jetzt merkte sie daß es ernster war als sie zuerst angenommen hatte. Sie beschleunigte ihre Schritte, doch das half jetzt wenig. Im Gegenteil, es schien die in ihr wachsende Unruhe nur zu verstärken. Leichte Übelkeit und anfängliche Unterleibsschmerzen verrieten ihr, daß es jetzt allerhöchste Zeit war endlich an ihr ersehntes Ziel zu kommen. Doch der Weg war noch nicht zuende. Sie wusste daß sie noch gut eine halbe Stunde Fußmarsch vor sich hatte. Und das machte ihr Angst. Um nicht unnötig in Panik zu geraten, was jetzt leicht passieren konnte, wendete sie einen alten Trick an den sie sich selbst beigebracht: Sie stellte sich in Gedanken vor was sie alles machen wollte, wenn sie erstmal genug Geld zusammen gespart hatte. Sie wollte irgendwo ihre Schulbildung nachholen, wollte sich dann in einer Universität einschreiben lassen und dort Tiermedizin studieren. Sie wollte sich um unterernährte Katzen und Hunde auf der Straße kümmern, ein Tierasyl aufmachen und alle Tiere von der Straße sammeln. Denn sie liebte Tiere über alles. Ihr Hamster, der ihr als kleines Kind gehört hatte, war ihr ein und alles. Wochenlang hatte sie ihn gepflegt, bis er eines Morgends tot in seinem Käfig gefunden wurde. Ihre Mutter hatte ihr gesagt, daß er jetzt an einem besseren Ort währe. Glücklich und frei. Damals hatte sie auch noch ein Zuhause. Damals war noch alles in Ordnung. Doch inzwischen war nichts mehr in Ordnung. Sie ging mit hasstigen Schritten durch die Gassen und vollen Einkaufspassagen. Vorbei an prall gefüllten Läden, und hinter dicken Glasscheiben erledigten emsig diverse Leute ihre letzten Einkäufe. Die Luft war über und über mit den verschiedensten Düften angereichert, es roch nach Gebäck, Kaffee, Mandeln und Glühwein; gemischt mit Autoabgasen und dem Dreck der in den Gehsteigen lag. Eben ein typischer Großstadtgeruch. Sie jedoch nahm von alledem nicht viel war. Versuchte nur zum x-ten Mal die aufsteigenden Krämpfe und Schmerzen soweit zu unterdrücken, wie sie brauchte um zu ihrer Anlaufstelle zu kommen, der Lösung für ihr Problem. Gottseidank hatte sie bereits den größten Teil des Weges hinter sich, wie sie bemerkte. Teilweise abgegrenzt durch Büsche und Bäume, hinter hohen braunen Zäunen kam sie nun zum abgehalfterten Viertel der Stadt, dem Armenviertel. Innerlich freute sie sich schon daß sie es wieder geschafft hatte bis hierhin zu kommen. Ihre Schritte wurden etwas entspannter, langsamer. Sie wusste, daß man hier die Hilfe bekommen konnte, nach der man verlangte. Und zwei Asylantenheim-Häuser weiter war ja auch schon die Adresse zu der sie wollte.
Sie bog rechts in eine Straße ein, von der man das Straßenschild vielleicht vor 20 Jahren mal entziffern konnte. Jetzt war der größte Teil der weißen Schrift zerkratzt und unleserlich. Doch sie störte es wenig, denn jetzt war sie am Ziel. Ein paar Schritte weiter blieb sie vor einem mehrstöckigen Gebäude stehen. Eine einfache Konstruktion aus rotem Klinkerstein. Überall verstreut lag Müll, die Fenster grau und teilweise offen. Wäsche hing halb aus ein paar der Fenster heraus - es sollte auf diese Art wohl trocknen. Zwei Fahräder lagen auf der Seite halb vor der weit geöffneten Haustür, die nur sporadisch in den Angeln hing und eh aus dickem Glas bestand, und in einem noch dickeren Kunststoffrahmen steckte.
Zielstrebig ging sie auf die Tür zu, blieb aber vor ihr stehen. Sie schaute sich rechts die beschrifteten Türklingeln an, drückte dann auf die erste ganz unten, auf der „Gölümen” stand und wartete. Laut den Behörden wohnte dort eine vierköpfige türkische Einwandererfamilie names „Gölümen”. Fakt war jedoch etwas ganz anderes. Die Familie Gölümen, bestehend aus dem Vater, der Mutter und zwei Kindern (Tochter Fatma, 20 Jahre alt, und Sohn Demir) hatte man nach eineinhalbjähriger Aufenthaltsgenehmigung wieder in die Türkei zurück geschickt. Das heißt, eigentlich nur die Eltern und die Tochter. Sohn Demir war damals noch minderjährig, hatte als erster seine deutsche Staatsbürgerschaft bewilligt bekommen und wurde vom Einwohnermeldeamt demnach wie ein deutscher Staatsbürger behandelt. Das war vor zwei Jahren. Seitdem machte sich der inzwischen 19 Jahre alte Demir in der damaligen Wohnung seiner Eltern breit. Er hatte es ja auch recht gut, denn die Baugesellschaft die das Asylantenheim und sechs weitere Sozialwohnungen in der Stadt betreute, hatte ihn und seine Familie ganz vergessen. Er bekam vom Sozialamt auch weiterhin Sozialhilfe, die fälschlicherweise immer noch an seinen Vater gerichtet war. Er hatte Strom, fließend kalt, warm Wasser und sogar noch die alte Satelitenschüssel. Es fehlte ihm an nichts. Und was er an Geld zuwenig bekam, gleichte er mit seiner Tätigkeit als Drogendealer wieder aus. Und einer seiner Kunden war Tanja O., die jetzt vor seiner Tür stand.
„Tanja !?” fragte Demir mit gespieltem erstaunen. „Was suchst du denn in dieser bescheidenen Gegend ?”
Demir war ein normal schlanker junger Mann, 1.82 m groß, mit, für Türken üblichen schwarzen eingegeelten Haaren einem schmalen Gesicht und einem sympatischen Lächeln. Und mit diesem Lächeln begegnete er Tanja nun. Doch diese machte keine Anstalten auf sein attraktives Äusseres und sein Lächeln groß zu reagieren. Sie schaute ihn an, doch sie schaute durch ihn hindurch. „Du weist ganz genau warum ich hier bin. Gib’ es mir und ich verschwinde wieder.” Sie merkte zunächst nicht daß sie angefangen hatte zu zittern. Als sie bemerkte daß es auch ihre Stimme beeinträchtigte schämte sie sich innerlich. Zu spät, denn er hatte es bemerkt. „Du bekommst was du brauchst, hab’ keine Angst. Wenn ich bitten darf.” Er hielt die Hand auf, das Zeichen für sie, ihm die gestohlenen Zigaretten zu übergeben. Sie kramte sie hervor und gab sie ihm, sammt der geöffneten Schachtel. „Entschuldige, ich hab’ mir eine Zigarette genommen. Ist das sehr schlimm ?” Sie hatte Angst, er könnte deswegen ausrasten. Manchmal war er sauer wenn sie einfach ungefragt etwas von der Ware nahm die für ihn bestimmt war. Er schlug ihr dann in’s Gesicht, oder drohte ihr sie zu töten wenn sie es noch einmal wagte seine Sachen anzufassen. Doch Heute war er milde gestimmt.
„Ist nicht so schlimm !” meinte er, und fingerte eine Zigarette aus der geöffneten Schachtel.
Er steckte sich die Zigarette in den Mund, zündete sie an. Und mit der glühenden Zigarette im Munwinkel meinte er fast vergnügt: „Allerdings reicht das nicht, da fehlt noch etwas.” Demir nahm einen tiefen Lungenzug und blies den Rauch ein Stück über Tanjas Kopf in die Luft. Diese schaute ihn plötzlich an als ob er ihr befohlen hatte Geld zu scheißen. Sie vergaß für einen Moment wie dreckig es ihr ging und sagte: „Was soll das heißen ?!? Du hast von mir drei bis vier Zigarettenschachteln verlangt, nicht mehr und nicht weniger !” Tanja war den Tränen nahe. Sie konnte sich nicht erklähren wie er ausgerechnet jetzt den Preis erhöhen konnte.
Demir’s Lächeln wandelte sich augenblicklich zu einem fetten gemeinen Grinsen. Sie wusste was das zu bedeuten hatte und senkte hilflos den Kopf. Sie schloss für einen Moment die Augen und sagte zitternd: „Du gottverdammtes Arschloch !!...”
„Komm’ mit rein, ich möchte dich gerne mit meinen Leuten bekannt machen. Es ist auch schön warm, nicht so kalt und ungemütlich wie draußen.” Er machte eine einladende Geeste, und trat beiseite.
Tanja zögerte, ging dann aber doch über die Türschwelle in sein Domizil. Drinne war es tatsächlich warm. Ein warmer Schwall Luft umfing sie als sie entgültig in seine Wohnung eingetreten war, und er die Tür hinter ihnen schloss. Fast so wie in einem größeren Einkaufsgebäude das innen hunderte kleinerer Geschäfte beinhielt. Über den elektrischen Glastüren gab es so ein Gebläse das warme Luft auf die Besucher blies. Sie hatte sich schon immer gefragt wofür dieses lange Gebläse gut war.
„Immer mir nach.” befahl er. Sie folgte ihm. Sie gingen einen kleinen länglichen Flur entlang, auf dessen rechten Seite gleich neben der Eingangstür sich ein kleines Abstellraum-ähnliches Zimmer befand. Aus den Augenwinkeln sah sie im dunkel des Zimmers zwei halbdunkle Gestalten auf dem Boden liegen. Eine der Gestalten hockte halb über der anderen mit dem Rücken auf dem Boden liegenden Gestalt und wippte rythmisch mit dem Kopf rauf und runter. Eine halb zerrissene Hose und Spritzbesteck lagen vor den beiden halb im Flur. Weiter den Flur entlang, lag links ein Zimmer, dessen Zimmertür halb aus den Angeln gehoben war. Es sah aus wie ein großes Wohnzimmer. Darin saßen und hockten teilweise drei Jungs und vier weitere junge Mädchen auf dem Teppichboden, denn was anderes gab es nicht. Sie alle waren weit unter 25, und alle machten den abwesenden Eindruck den man drauf hatte, wenn man total „stoned” war. Absolut zugedröhnt von Haschisch, LSD und Heroin. Keiner der anwesenden beachtete Demir und Tanja, als sie bei ihrem Raum angekommen, vorbei gingen, geradewegs in den Raum der dem Wohnzimmerraum gegenüber lag. Dieser hatte eine gut funktionierende Tür, die sich problemlos öffnen und wieder schließen lies.
Demir ging voraus durch die Tür und wartete bis Tanja auch durchgegangen war. Dann schloss er die Tür ab. Tanja wunderte sich nicht darüber, sie kannte das schon. Verwundert schaute sie sich in dem ihr so vertrauten Raum um. Es war ein recht kleiner Raum, in dem ein großes Elternbett stand. Es trohnte direkt in der Mitte des Raumes. Viel mehr war nicht drinne, denn für etwas anderes war auch kaum Platz. „Hast du ein neues Bett ?”, fragte sie. Demir hingegen schüttelte den Kopf, drückte die Zigarette im Aschenbecher aus, der gleich links neben der Tür auf einem Beistelltisch aus braunem Nussholz stand und meinte nur: „Warst lange nicht mehr hier drinne, wa ? Es ist immer noch das gleiche Bett wie zuvor auch. Hab’ mir nur andere Bettwäsche zugelegt. Die alte war -...” Er brach ab. Was sie betraf musste er auch nicht weiterreden, denn sie kannte den Grund warum er die Bettwäsche ausgewechselt hatte. „Egal !”, meinte er, „Zieh dich aus und leg’ dich schonmal auf das Bett. Bin gleich wieder bei dir.” Mit diesen Worten schloss er die Tür wieder auf, und ging hinaus. Sie blieb zurück.
In Gedanken versunken zog sie zuerst ihre Hose aus, dachte dabei unwillkürlich an Flucht. Warum musste sie tun was er sagte ? Hatte sie es nötig ihm hörig zu sein, brauchte sie ihn so dringend und wollte sie es überhaupt ? Eh sie sich versah lag sie halb nackt auf dem Bett, die Hände instinktiv auf ihrer Intimzone ruhend. Denn schon kam Demir wieder in’s Zimmer, grinste breit als er sie sah und zog auch seine Jeanshose sowie seine Unterhose runter. Sein Penis war bereits erigiert und bereit sein Werk zu vollbringen.
Er legte sich zu ihr auf’s Bett, zog unsanft an ihrem rechten Bein um besser zwischen ihre Beine zu kommen. Ebenso unsanft drückte er ihren Oberkörper auf das weiche Bett und befummelte sie an einem ihrer Brüste. Ihr gefiel es nicht, doch sie lies ihn willenlos alles machen was er wollte. Sie ekelte sich vor ihm und seinem „besten Stück”, hielt es jedoch für besser ihn machen zu lassen. Schließlich brauchte sie ihre „Medizin” von ihm. Und das sehr dringend. Zwar spürte sie schon lange nichts mehr, wenn er in sie eindrang, merkte aber die enorme Wärme die von seinem Glied ausging. Tanja lag da wie ein Brett: Unbeweglich und stumm. Dachte nicht an das was mit ihr geschah, vielmehr an das was sie dafür bekommen sollte. Er indessen wippte heftig auf und nieder. Immer wieder stieß er sein hartes Glied in ihren vor Schmerzen angespannten Unterleib. Doch endlich, mit einem allerletzten Stöhnen, als er aufgehört hatte wie ein Tier auf ihr herum zu wackeln und in ihr herum zu furwerken glitt er aus ihr heraus. Mit einem mal fühlte sie sich glücklicher und freier. Ignorierte für einen Moment die Schmerzen die er ihr zusätzlich zugeführt hatte. Sie hatte es endlich hinter sich.
Nach einem Moment der Pause zogen sich beide stillschweigend wieder an. Während Demir damit beschäftigt war eine weitere Zigarette anzuzünden, stand Tanja schon vor der Tür und wollte gerade auf den Flur raus, als Demir sie zurück hielt: „Warte ! ... Hier hast du.” Er warf ihr ungeschickt zwei kleine dünne Plastiktütchen zu. Sie hob sie vom Boden auf ohne ihn noch einmal anzuschauen. Und sie drehte sich auch nicht mehr um, als er ihr noch hinterher rief, ob sie nicht noch ein wenig bei ihm bleiben wollte. Sie wollte nur raus. Weg von ihm.
Es waren vielleicht mal gerade eineinhalb Stunden vergangen, trotzdem fühlte sich Tanja, als ob ein halbes Leben vergangen währe ohne daß sie es groß gemerkt hätte. Sie fühlte sich elend, zutiefst verletzt und missbraucht. Da half es auch nicht, daß sie sich auf ihre Lieblingsparkbank auf einem frei zugänglichen kleinen privaten Friedhof gesetzt hatte. Er war abgelegen von der restlichen Stadt, ein Stück weit schon fast die Grenze zur nächsten Stadt, die keinen Kilometer weit entfernt lag. Es kamen dort kaum Leute hin, und zu dieser Tageszeit war eh nie etwas los. Sie war so ziemlich ungestört. Und das liebte sie. Dort auf diesem Friedhof, so grotesk es auch klingen mochte, war sie sehr gerne. Sie kam immer wieder hierhin zurück, wenn sie Kummer hatte oder einfach mal in Ruhe nachdenken wollte. Sie störten die Toten nicht im geringsten. Sie waren für sie so maches Mal gute Zuhörer, und weglaufen konnten sie auch nicht. Und Tanja hatte viel zu erzählen, was sie in dieser Stadt, in der sie nun schon gute zwei Jahre in der Gosse lebte niemandem anvertrauen wollte. Keinem, ausser einer einzigen Person, die wie es der Zufall so wollte, plötzlich vor ihr stand, während sie noch in Gedanken vertieft war.
„Hallo ?... Jemand Zuhause ?”, meldete sich plötzlich eine ihr vertraute Stimme.
Tanja schaute verdutzt auf, und sah vor sich einen jungen Mann Mitte zwanzig, groß gewachsen mit langen dunkelblonden Haaren die in Stränen auf seinen Schultern ruhten. Der junge Mann lächelte sie an.
„Kai !” entfuhr es hier. Sie umarmte ihn.
„Du brauchst wohl mal wieder deine tägliche Dosis, nicht wahr ?” Kai hatte bemerkt daß Tanja am ganzen Körper zitterte, und sich unterbewusst den Unterleib hielt als er sie wieder loslies. Ihr war es peinlich, sie nickte stumm. Ohne weiter zu zögern setzte sie sich wieder und holte sich einen der durchsichtigen Tütchen die ihr Demir gegeben hatte hervor. Einen alten gelb-braun angelaufenen Esslöffel, ein Feuerzeug und eine alte in ein Taschentuch gewickelte Spitze zog sie aus ihrer anderen Hosentasche. Während Kai sich zu ihr setzte und die Nadel auf die Spritze steckte, füllte Tanja den schmutzig braunen Inhalt der Tüte auf den Esslöffel. Anschließend hielt sie das brennende Feuerzeug unter den Löffel, damit sich das Pulver in eine durchsichtig-gelbliche Flüssigkeit verwandelte. Als das geschehen war reichte sie Kai den Löffel, der einen winzigen Wattebausch auf den Löffel legte. Tanja hielt mit der Spritze auf den Wattebausch und zog sie soweit auf, bis der größte Teil des Heroins in der Spritze war. Fachmännisch hielt sie die Spritze hoch in’s Licht und tippte gegen den gefüllten Spritzenkörper, und damit sich keine Luftbläschen mehr darin befanden zog sie die Spritze noch ein wenig mehr auf, hielt sie senkrecht nach oben gerichtet und lies die Luft langsam wieder aus ihr entweichen. Nochmaliges probetippen verriet ihr daß sich keine kleine Luftblase mehr darin befand. Sie lächelte zufrieden. Schließlich krempelte sie ihren linken Ärmel so weit hoch wie möglich. Kai hatte indessen seinen Gürtel abgenommen den er um die Taile trug, damit seine Hose nicht rutschte. Er machte ihn an der höchsten Stelle von Tanjas Oberarm fest, ganz in der Nähe der Schulter. So konnte verhinderte werden, daß sie beim spritzen zuviel Blut verlohr. Sie setzte sich die Spritze an der Stelle wo die Haut noch relativ frei von Schorf war und stach zu. Daß sie eine Ader getroffen hatte merkte sie daran, daß, als sie die Spritze wieder ein Stück aufzog, Blut in die Spritze lief und sich teilweise mit dem Heroin vermischte. Nicht weiter zögernd spritzte sie sich alles in die Vene.
Das Glücksgefühl welches sie nun heimsuchte war die reinste Befreiung für ihren Körper. Er hörte augenblicklich auf zu zittern, und entspannte sich. Sie genoss das Gefühl endlich wieder Schmerzfrei zu sein und lehnte sich lächelnd zurück. Jetzt hatte sie wieder Zeit sich treiben zu lassen, die Sorgen die sie hatte für einen Moment zu vergessen. Kai beobachtete sie dabei die ganze Zeit über. Er - anders als sie - war nicht glücklich über ihren Zustand. Er lächelte nicht, machte statt dessen ein besorgtes Gesicht. Er nahm ihr die Spritze ab und legte sie sorgfältig in Einzelteilen wieder in ihr Taschentuch zurück. Dann nahm er wieder den Gürtel ab, und rutschte ein Stück von ihr weg und sagte zu ihr: „Komm’, ich will nicht daß du ausversehen seitlich wegkippst. Leg’ deinen Kopf in meinen Schoß, o.k. ? Dann kannst du’s besser genießen.”
Tanja tat ihm den Gefallen und legte sich quer über die gesammte Bank, und legte ihren Kopf in seinen Schoß. Bei ihm hatte sie keine Angst. Ihm konnte sie vertrauen. Er würde ihre jetzige Situation nie ausnützen, dazu war er zu anständig. Schließlich hatte er genug andere Probleme. Als Strichjunge war er nicht der beste und auch nicht unbedingt glücklich. Mit achtzehn Jahren von Zuhause weggelaufen, weil er es dort nicht mehr aushielt, blieb ihm nichts anderes übrig als mit seinem Körper Geld zu verdienen. Eine Karriere als Drogendealer wollte er nicht machen, weil er durch seinen alkoholkranken Vater bereits vorgezeichnet war. So machte er sich nach mehreren Diebstählen in Kleinläden als Strichjunge auf den Straßen seiner Großstadt einen Namen. Er hatte ein paar feste Kunden die immer mal wieder zu ihm kamen, weil sie in ihrem Leben als Geschäftsmänner ein outing den Job oder sogar ihr Leben gekostet hätten. Kai brauchte sich nicht groß Sorgen zu machen daß er in seinem Beruf irgendwann verschleppt und vielleicht sogar getötet würde, denn so gut wie jeder in seiner Großstadt kannte ihn. Die Polizei kannte ihn als Informanten, der praktisch überall seine Augen hatte, seine Kolleginnen und Kollegen in seinem Millieu mochten ihn weil er umgänglich und freundlich war. Und der Arzt seines Vertrauens, Dr. Hubert der sich privat um ihn kümmerte sorgte für seine Gesundheit in puncto Aids und anderer Geschlechtsbedingter Krankheiten. Er und Tanja hatten sich - wie konnte es anders sein - auf der Straße kennen gelernt. Sie war damals erst kürzlich in seinem Revier aufgetaucht und halb verhungert. Als er sie das erste Mal traf war sie bereits Drogensüchtig und brauchte das Zeug schon. Er hatte Mitleid mit ihr und nahm sie auf. Damals war sie ihm gegenüber noch sehr ängstlich und zurück haltend. Sie wusste nicht ob sie ihm vertrauen sollte, weil er ja auch ein Psychopath sein konnte der sie nur vergewaltigen wollte um sie danach zu töten. Mit der Zeit gewöhnte sie sich an ihn und sie wurden Freunde. Nicht zuletzt deswegen, weil er sich für sie einsetzte, wenn sie als Prostituierte versuchte einen Kunden zufrieden zu stellen. Er hatte ihr davon abgeraten, doch sie wollte ihm nicht zur Last fallen. Im großen und ganzen sah sie in ihm eine Art Bruder den sie nie hatte.
„Weist du was ich gerne tun würde, in nächster Zeit ?” fing sie an zu erzählen.
„Hm-mm ?...” brummte er fragend und strich ihr sanft eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht.
„Wenn ich erstmal clean bin, möchte ich unbedingt weiter zur Schule gehen. Ich werde lernen was das Zeug hält und mich ganz furchtbar anstrengen um später mein Abitur vielleicht noch zu schaffen. Und dann möchte ich Tiermedizin studieren. Ich werde als Tierärztin anfangen und meine eigene Praxis haben. Und dann werde ich alle Tiere die ausgesetzt sind und überall herum streunen einfangen, untersuchen und sie in meinem Haus aufnehmen. Dort werde ich sie solange pflegen bis sie alt sind und in Ruhe sterben können. Das ist mein Wunsch den ich mir unbedingt erfüllen will !”
Kai lächelte sie milde an.
„Und was ist dein Ziel im Leben, Kai ? Was würdest du gerne machen wollen ?”
Kai überlegte kurz und antwortete: „Wenn mein Vater noch leben sollte, würde ich ihn gerne besuchen und ihm helfen seine Alkoholsucht zu überstehen. Und wenn er es geschaft hat, würde ich mit ihm zum Grab meiner Mutter gehen, damit er sich dort von ihr ein letztes Mal verabschieden kann.”
„Das ist schön”, lächelte Tanja. Sie setzte sich wieder auf, und begann alle ihr Utensilien einzupacken. Den Gürtel schenkte ihr Kai, der ihn offenbar doch nicht brauchte. Sie bedankte sich lächelnd und wollte sich gerade von ihm verabschieden, als Kai sie noch einmal zurück hielt: „Warte, ich wollte ... Ich wollte dir doch noch etwas schenken. Etwas, daß du gebrauchen kannst.” Er kramte in seinen Hosentaschen und beförderte vier kleine durchsichtige Tütchen mit schmutzig-braunem Pulver darin an’s Tageslicht, die er ihr hinhielt.
„Fröhliche Weihnachten”, sagte er nur und grinste.
Tanja war den Tränen nahe, während sie ungläubig die Tütchen anschaute. Schließlich fand sie ihre Sprache wieder und quetschte ein „Danke” hervor, und fiel ihm in die Arme. Für sie war es das schönste was man ihr schenken konnte. Leise weinte sie ihrem großen Bruder die dünne Sommerjacke voll. Er hielt sie beschützend in seinen langen dünnen Armen und streichelte sie, bis sie sich wieder beruhigt hatte.
Nach einer Weile hatte sie sich wieder im Griff und bedankte sich noch einmal ganz herzlich. Die Frage warum er soviel von dem Zeug auf einmal kaufen konnte sparte sie sich. Sie ahnte daß er dafür Überstunden geschoben hatte. Sie verabschiedeten sich wie ein Liebespaar und gingen wieder getrennte Wege. Es gab ja sonst auch nichts worüber sie hätten reden können. Sie hatten sich bereits alles gesagt. Aber auch ohne Worte hätten sich die beiden verstanden.

Es fing bereits an leicht dämmerig zu werden.

... den Rest der Geschichte habe ich noch nicht schreiben können, aber sobald ich dazu in der Lage bin werd’ ich es tun.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.08.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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