Günter Gschwendtner

Ein Tag wie jeder andere auch

Kein Tag ist wie der andere, nichts ist eintönig oder langweilig.
Jeder Tag bringt Neues, ruft ungläubiges Staunen hervor,
birgt Überraschungen ohne Ende, für beide.
Der Eine lernt die Welt kennen, der Andere glaubt sie Teilweise zu kennen.
Grosse runde Augen registrieren jede Bewegung,
drücken Freude, aber manchmal schon auch Unmut aus.
Auch etwas anderes erkenne ich in diesen Augen, die für mich wie ein Spiegel sind,
Schalk und einen Anflug von Schabernack.
Der Schalk vor allem dann, wenn ich an den Computer will, muss.
Zudem möchte ich in Ruhe den frisch gebrühten Kaffee geniessen.

So wie Heute, die Post muss fertig gemacht werden und mein Sohn protestiert.
Er reisst und zerrt an seinen Socken herum, die ich unter Protestgeschrei
und mit viel Gezappel seinerseits endlich über seine kleinen Füsse gebracht hatte.
Ich beobachte ihn aus den Augenwickeln, nein nein, so schnell kriegt er die Strümpfe nicht von den Füssen.

Über ihm thront, einer Göttin gleich, Bastet die schwarze junge Kätzin.
Sein lebendes Schmusetier, seine Beschützerin, ist diese einjährige *Majestät*,
die aber im Moment nur Augen für diesen einen Strumpf hat,
der erst zur Hälfte vom Fuss herunter ist.

Scheinheilig und eine nicht vorhandene Müdigkeit vortäuschend,
liegt Sambo der Schäferhund auf seinem Platz in meiner Nähe.
Meine Nackenhaare stellen sich auf und verstohlen schaue ich mich um.
Camaro der Neufundländer und *Lady* unsere älteste Kätzin sind nicht zusehen
und ich entspanne mich, also keine Verschwörung im Gange, oder doch?
Ich spüre es, irgendetwas liegt in der Luft.

Und dann, schlagartig, geht es los.

Triumphgeschrei eines sechs Monate jungen Zwerges, der Socken ist runter vom Fuss.
Wie mit einer Fahne wedelt er damit herum, vor dem Gesicht der Katze.
Bastet sieht ihre Chance und meine unterbewussten Ahnungen werden zur Realität.
Sie schnappt sich den Strumpf, springt wie der Teufel mit ihrer Beute über den Tisch.
Oh Nein, bloss nicht wieder alle Katzenverstecke absuchen, nach Weihnachtskugeln,
Bleistiften, Schnuller, Spielzeug und nun auch noch Socken.
Auch Sambo steht urplötzlich sprungbereit da, endlich wieder was los, fangen spielen.
Doch auch ich bin noch nicht eingerostet, zumindest meine Reflexe nicht.

Aus der halb erhobenen Sitzposition, mit ausgestrecktem Arm einen Hechtsprung zur Katze.
Mit der linken Hand noch im Flug den Schäferhund gekrallt.
Jeder Fussballnationaltrainer wäre voll des Lobes gewesen,
über diesen reflexartigen und heldenhaften Einsatz seines Torhüters.
Hund, Katze und Herrchen liegen platt auf dem Boden, aber der Ball, äh der Socken ist meiner.

Das Glücksgefühl hält nur wenige Sekunden.
Ich höre und spüre fast im gleichen Augenblick eine Dampfwalze.
Camaro hatte genügend Anlauf, doch auf dem glatten Parkett kann er nicht bremsen,
aber er hat ja einen Bremsklotz; MICH und so donnern seine 70 Kg in meine Seite.
Mit einem Aufschrei entlasse ich den Rest der Rasselbande in die Freiheit.
Camaro sitzt beleidigt neben mir:
*Na los, aufstehen Herrchen, mir ist doch nichts passiert,
schliesslich hast du dich ja freiwillig auf den Boden geschmissen, jetzt spielen wir weiter*
Stöhnend stehe ich auf, mein Brustkorb tut weh, die ganze rechte Seite brennt wie Feuer.
Aber, ich habe immer noch den Socken in der Hand und sehe das strahlende Gesicht meines Sohnes.

Ich will in Ruhe erst einmal einen Kaffe trinken und giesse ein,
giesse und giesse immer weiter, denn meine Augen wandern in Richtung Triumphgeschrei.
Es geht schon wieder los!!!
Die Katze hat den zweiten Socken und ich habe frisch gebrühten Kaffe auf dem Oberschenkel.
Diesmal liegen beide Hunde in der Lauerstellung *na los doch, Action, wir spielen alle mit*

Mir egal, ich sitze stocksteif da, brülle ein Wort von dem ich hoffe das mein Sohn es noch nicht versteht
und finde kochend heissen Kaffee im wahrsten Sinne des Wortes einfach ätzend.
In Gedanken renne ich ins Bad, doch in Wahrheit stolpere ich stöhnend dort hin.
Keine zehn Minuten später bin ich wieder bei meinem Sohn.
Er schläft, friedlich, mit einem Lächeln im Gesicht.

Ich lege mich zu ihm und döse trotz der Schmerzen langsam ein
und höre das wohl vertraute schnurren einer Katze.
Das kleine Monster liegt neben mir als wäre nichts geschehen.
Na gut, es ist ja auch nichts weltbewegendes Geschehen.
Ich habe bewiesen, dass ich der Chef bin, dass meine Reflexe noch hervorragend sind
und über den Rest hülle ich den Mantel des Schweigens.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.09.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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