Andreas Rüdig

Leben auf der Sonne

Kann man auf der Sonne leben? Eigentlich nicht. Dort ist es viel zu heiß. Oder? Keine Ahnung. Wahrscheinlich schon. Ich bin ja noch nie dort gewesen.
Eine Sache weiß ich aber genau. Auf der Erde ist es mir zu eng geworden. Zu viele Menschen leben hier. Es ist mir einfach zu laut, zu dreckig und eng. Ich würde gerne woanders leben, am liebsten ganz weit weg, wo mich niemand belästigen kann. Da käme mir die Sonne gerade recht.
Was müßte man eigentlich tun, wenn man auf der Sonne leben möchte? Einen effektiven Hitzeschild bauen. Ob da diese Schutzanzüge reichen, die Stuntman tragen, wenn sie brennende Menschen mimen? Ob die kaputtgehen, wenn sie zuviel Hitze ausgesetzt sind? Ich muß mal einen dieser Spezialhersteller fragen, ob der mir nicht einen dieser Spezialanzüge überlassen kann.
„Du Schlumpf,“ schnauzt mich der Mann an. „Du würdest nicht nur einen Spezialanzug brauchen, sondern auch einen Spezialhelm und eine Sauerstofflasche, an die Du angeschlossen bist. Und Du weißt, daß Sauerstoff gefährlich ist, weil es leicht brennbar und hochexplosiv ist. Außerdem willst Du ja nicht einfach so im Raum schweben, sondern brauchst ein Raumfahrzeug, das der großen Hitze standhält. Und das geht nur mit einer Speziallegierung, die sehr teuer ist. Normale Raketen und Raumgleiter werden die Hitze nicht überleben.“
Verflixt – da würden ja enorme Probleme auf mich zukommen. Raumschiff, Hitzeschild, Luftzufuhr, Nahrung und Flüssigkeit brauche ich – naiv, wie ich bin, hatte ich gehofft, meine Expedition zur Sonne würde einfacher verlaufen.
Mein Opa ist Biologe. Mal hören, was er zu sagen hat. „Hör mal, mein Junge, ich verstehe ja, daß Du von hier weg willst. Mir ist es auf der Erde auch zu eng. Aber hast Du das Flüssigkeitsproblem bedacht? Zum einen besteht der menschliche Körper zu großen Teilen aus Wasser. Du wirst also nicht nur brennen, sondern auch verdampfen. Stell Dir mal vor, daß das ganze Wasser in Dir anfängt zu kochen, Dir zischend aus der Haut quillt und Du dann auf ein Zehntel Deines jetzigen Volumens geschrumpft bist! Willst Du Dein Austrocknen verhindern, dann mußt Du ständig Wasser in Deinen Körper pumpen. Nur das wird nicht gehen, weil das Wasser verdampft ist, bevor es Deinen Mund erreicht hat. Je näher Du an die Sonne kommst, desto größer ist die Chance, daß es schon bei der Anlieferung verdampft.“
Meine Umwelt ist sehr deprimierend. Jeder versucht, mich mit irgendwelchen Argumenten von der Reise zur Sonne abzuhalten. Doch ohne Erfolg.
Ich werde in einem Kühlschrank zur Sonne reisen. Die Kälte wird meinen Körper quasi konservieren. Die Kälte wird meinen Stoffwechsel auf ein Minimum reduzieren. Der Körper wird also kein Feuer fangen und auch keinen Flüssigkeitsnachschub brauchen. Wo ich die ungeheure Menge Energie herbekomme, die ich für diesen Riesenkühlschrank brauche. Von der Sonne natürlich. Meine Sonnenflügel sind riesige Photovoltaikanlagen, die Energie im Überschuß liefern. Meine Batterien werden also immer gefüllt sein. Mein Kühlschrank ist von einer feuerfesten Aluminiumlegierung umgeben. Ich werde also nicht brennen und nicht allzusehr unter der Hitze leiden. Wegen des eingeschränkten Stoffwechsels werde ich auch kaum Nahrungsmittel brauchen. Also werde ich mir auch keine Gedanken über den Nachschub machen.
Mir wird diese komatöse Stille gefallen. Langweilig wird mir auch nicht werden. Da ich nicht bei vollem Bewußtsein bin, werde ich nicht mitbekommen, wie die Zeit vergeht. Die Kälte wird verhindern, daß ich krank werde und sterbe. Ich werde also potentiell unsterblich sein. Der Sonne sei Dank.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.09.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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