Kann man auf der Sonne leben? Eigentlich nicht. Dort ist es viel zu
heiß. Oder? Keine Ahnung. Wahrscheinlich schon. Ich bin ja noch nie
dort gewesen.
Eine Sache weiß ich aber genau. Auf der Erde ist es
mir zu eng geworden. Zu viele Menschen leben hier. Es ist mir einfach
zu laut, zu dreckig und eng. Ich würde gerne woanders leben, am
liebsten ganz weit weg, wo mich niemand belästigen kann. Da käme mir
die Sonne gerade recht.
Was müßte man eigentlich tun, wenn man auf
der Sonne leben möchte? Einen effektiven Hitzeschild bauen. Ob da diese
Schutzanzüge reichen, die Stuntman tragen, wenn sie brennende Menschen
mimen? Ob die kaputtgehen, wenn sie zuviel Hitze ausgesetzt sind? Ich
muß mal einen dieser Spezialhersteller fragen, ob der mir nicht einen
dieser Spezialanzüge überlassen kann.
„Du Schlumpf,“ schnauzt mich
der Mann an. „Du würdest nicht nur einen Spezialanzug brauchen, sondern
auch einen Spezialhelm und eine Sauerstofflasche, an die Du
angeschlossen bist. Und Du weißt, daß Sauerstoff gefährlich ist, weil
es leicht brennbar und hochexplosiv ist. Außerdem willst Du ja nicht
einfach so im Raum schweben, sondern brauchst ein Raumfahrzeug, das der
großen Hitze standhält. Und das geht nur mit einer Speziallegierung,
die sehr teuer ist. Normale Raketen und Raumgleiter werden die Hitze
nicht überleben.“
Verflixt – da würden ja enorme Probleme auf mich
zukommen. Raumschiff, Hitzeschild, Luftzufuhr, Nahrung und Flüssigkeit
brauche ich – naiv, wie ich bin, hatte ich gehofft, meine Expedition
zur Sonne würde einfacher verlaufen.
Mein Opa ist Biologe. Mal
hören, was er zu sagen hat. „Hör mal, mein Junge, ich verstehe ja, daß
Du von hier weg willst. Mir ist es auf der Erde auch zu eng. Aber hast
Du das Flüssigkeitsproblem bedacht? Zum einen besteht der menschliche
Körper zu großen Teilen aus Wasser. Du wirst also nicht nur brennen,
sondern auch verdampfen. Stell Dir mal vor, daß das ganze Wasser in Dir
anfängt zu kochen, Dir zischend aus der Haut quillt und Du dann auf ein
Zehntel Deines jetzigen Volumens geschrumpft bist! Willst Du Dein
Austrocknen verhindern, dann mußt Du ständig Wasser in Deinen Körper
pumpen. Nur das wird nicht gehen, weil das Wasser verdampft ist, bevor
es Deinen Mund erreicht hat. Je näher Du an die Sonne kommst, desto
größer ist die Chance, daß es schon bei der Anlieferung verdampft.“
Meine
Umwelt ist sehr deprimierend. Jeder versucht, mich mit irgendwelchen
Argumenten von der Reise zur Sonne abzuhalten. Doch ohne Erfolg.
Ich
werde in einem Kühlschrank zur Sonne reisen. Die Kälte wird meinen
Körper quasi konservieren. Die Kälte wird meinen Stoffwechsel auf ein
Minimum reduzieren. Der Körper wird also kein Feuer fangen und auch
keinen Flüssigkeitsnachschub brauchen. Wo ich die ungeheure Menge
Energie herbekomme, die ich für diesen Riesenkühlschrank brauche. Von
der Sonne natürlich. Meine Sonnenflügel sind riesige
Photovoltaikanlagen, die Energie im Überschuß liefern. Meine Batterien
werden also immer gefüllt sein. Mein Kühlschrank ist von einer
feuerfesten Aluminiumlegierung umgeben. Ich werde also nicht brennen
und nicht allzusehr unter der Hitze leiden. Wegen des eingeschränkten
Stoffwechsels werde ich auch kaum Nahrungsmittel brauchen. Also werde
ich mir auch keine Gedanken über den Nachschub machen.
Mir wird
diese komatöse Stille gefallen. Langweilig wird mir auch nicht werden.
Da ich nicht bei vollem Bewußtsein bin, werde ich nicht mitbekommen,
wie die Zeit vergeht. Die Kälte wird verhindern, daß ich krank werde
und sterbe. Ich werde also potentiell unsterblich sein. Der Sonne sei
Dank.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.09.2008.
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Das Mädchen aus Oberschlesien
von Brigitte Hanisch
Das kleine Mädchen Brigitte wächst wohlbehütet in einer Großfamilie im katholischen Oberschlesien auf. 1938 siedeln die Eltern mit Brigitte nach Kiel um. Dort wird Ihre Schwester Eva-Maria geboren. 1939 beginnt der Krieg und Kiel wird besonders gebeutelt. Entsetzliche Jahre für das kleine Mädchen. Tag und Nacht Bombenangriffe. Hungersnot und immer die Angst um den Vater. Das Mädchen ist seelisch in einem so schlechtem Zustand, dass die Eltern Brigitte nach Oberschlesien zur Schwester der Mutter schicken. Dort wird sie eingeschult und geht auch in Schomberg zur ersten heiligen Kommunion. In den nächsten Jahren pendelt sie hin und her. Kinderlandverschickung nach Bayern, Kriegserlebnisse in Kiel, danach wieder zurück nach Oberschlesien zur Erholung. Dort aber hat sie große Sehnsucht nach ihrer Schwester und den Eltern und fährt deshalb Weihnachten 1944 nach Kiel zurück. Das ist ihr Glück, denn im Januar 1945 marschieren die Russen in Beuthen ein.
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