Walter Raasch

Beim Tierarzt 2

Tierarzt 2

 

Ich hatte mal wieder die Gunst bekommen, mit dem Harras zum Tierarzt zu dackeln. Nix schlimmes, nur zum Impfen. Aber dem Franz war auch die Vorstellung, wie der Arzt eine Spritze in seinen Hund versenken würde, schon so grausig, dass ich gleich gesagt habe: “Franz, lass ma, ich mach dich dat.“

 

Gut, der Hund und ich marschierten also wieder in das rappelvolle Wartezimmer. Nur noch zwei Stühle frei. Einer zwischen einem bärtigen Mann mit einer hübschen Colliehündin und einem untersetzten Typen mit einem kleinen Terrarium, der andere neben einer vollbusigen Rothaarigen mit einem zur Haarfarbe passenden Transportkorb auf dem Schoss sowie der Wand auf der anderen Seite. Ich überlegte, ob ich dem Harras einen Flirt mit der Hündin bieten sollte oder mir die Nähe des Rotschopfs. Ich entschied mich selbstlos für mich.

 

Als wir uns verstaut hatten, wurd’ mir ganz blümerant. Die Luft war stickig und es roch ziemlich streng. Waren Sie schon mal im Zoo? Prima, dann stellen Sie sich vor, Sie befänden sich im Affenhaus, in dem man einen Tigerkäfig deponiert hätte. Das müsste geruchlich ungefähr hinkommen. Vielleicht noch etwas Fuchsurin beigemischt.

 

Ich habe so einen jungen Heini, der mit seinem Schäferhund direkt unterm Fenster saß, angehauen: „Hör mal Kumpel, kannste mal ne Luke aufmachen? Das ist ja hier eine Luft als wenn ein Tigerkäfig in einem Affenhaus deponiert wäre. Vielleicht noch mit ein bisschen Fuchsurin dabei.“

Der Junge war tofte. Der hat das Schott gleich richtig weit aufgemacht.

„So is et doch besser, oder? Weshalb bist Du denn hier?“ wollte ich gleich Kontakt aufnehmen, aber der Pikko wurde leider schon in das Behandlungszimmer gerufen. Er wirkte irgendwie unheimlich erleichtert. Na klar, er hatte ja auch die lange Warterei hinter sich.

 

Aber die blöde Kuh von Arzthelferin, die verdrehte die Augen, als sie mich sah. Die war mir beim letzten Mal schon negativ aufgefallen.

 

Na, jetzt war es aber wirklich an der Zeit, die Dame mit den hervorstechenden Eigenschaften anzusprechen.

„Weshalb sind Sie denn hier, junge Frau?“

„Mein Klausemann muss die Zähne gestutzt bekommen.“

„Die Zähne gestutzt bekommen? Was für ein Tier ist denn der Klausemann?“

„Der Klaus ist mein Häschen. Wollen sie mal gucken? Hier, ist das nicht eine süße Maus?“

Und dann hielt sie mir die Öffnung von ihrem Transportkorb hin. Die war echt nett. In dem Korb saß ein unheimlich fettes Karnickel.

„Der ist viel zu dick. Die schmecken überhaupt nicht mehr, wenn man sie

so gemästet hat. Echt nicht.“

„Sind Sie verrückt? Ich will mein Kläuschen doch nicht essen, Sie Idiot.“

„Ja, wofür ist der Löffelmann denn sonst gut? Unser Opa hatte zwei Karnickelställe, und der hat manchen Preis gewonnen mit seine deutschen Riesenschecken. Ganz im Ernst jetzt. So fett wie ihrer ist, das können Sie voll vergessen. Das ist kein Genuss.“

„Ja, sind Sie vollends verblödet oder was? Mein Kläuschen wird doch nicht geschlachtet, Sie Knallkopf.“

Boah, die regte sich voll auf, und dabei geriet so einiges in Wallung, also überlegte ich hastig, ob mir noch was Unpassendes einfiel, um endgültig ihr enges Top zu sprengen, aber da wurde sie schon in die Praxis gerufen. Sie stöckelte los, aber nicht ohne mir noch einen vernichtenden Blick zuzuwerfen.

 

Puuh, jetzt war es ganz schön langweilig. Also schnappte ich mir eine der vielen herumliegenden Tierzeitungen. Oktober 2005. Au Mann. Da waren bestimmt viele der Hunde, über die berichtet wurde, schon übern Jordan gegangen. Und das Heftchen fühlte sich an, als hätte es in einem Hamster Käfig den Boden ausgekleidet. Nee, das habe ich schnell wieder weggelegt.

 

Ja, da blieb als einziger Gesprächspartner der Herr mit dem Terrarium. Habe ich halt den angesprochen.

„Was haben Sie denn schönes da drin?“

„Das ist eine Smaragdeidechse.“

„Oho, die habe ich noch nie gesehen. Darf ich mal gucken?“

„Natürlich. Kommen Sie her.“

Ich schnappte mir den Harras, ging rüber und setzte mich zu dem freundlichen Mann.

„Der sieht aber gut aus, wie so ein ganz kleiner Godzilla. Nur ohne Schwanz.“

„Ja, deshalb bin ich hier. Den hat meine Frau abgerissen. Ich weiß nicht, ob man die Bruchstelle versorgen muss.“

„Ihre Frau hat dem kleinen Kerl den Schwanz abgerissen? Ja, warum das denn?“

„Das war ein Unfall. Eidechsen habe eine Sollbruchstelle am Schwanz, und wenn sie dort gepackt werden, von einem anderen Tier zum Beispiel, dass sie fressen will, dann erbeutet es nur den Schwanz und die Eidechse rennt fröhlich weg.“

„Na so fröhlich ja wohl doch nicht. Ohne Schwanz. Mann, Mann da wäre ich nächsten Freitag aber ziemlich vorsichtig. Am Ende überprüft ihre Frau auch bei Ihnen die Befestigung. Und wenn Sie mal Streit haben, zack, macht die Olle Sie zum Kapaun.“

„Das musste ja kommen.“

„Ich nehme doch nur Anteil. Wenn Ihre Frau schon mal einen Schwanz abgerissen hat, ist sie vielleicht auf den Geschmack gekommen.“

 

Leider wurden wir beide aufgerufen und konnten unser Gespräch nicht fortsetzen. Es arbeiten nämlich zwei Tierärzte in der Praxis, deshalb braucht man gar nicht so lange zu warten.

 

So eine Impfung ist ja ein Klacks. Der ganze Akt dauerte keine zwei Minuten, und ich hatte das Gefühl, der Harras hat die Spritze gar nicht gemerkt. Bevor ich gegangen bin, habe ich den Tierarzt gefragt, ob er auch Großtiere behandeln könnte.

‚Klar’, meinte er, er würde nur nicht rausfahren.

„Ist auch gar nicht nötig“, habe ich gesagt, aber er sollte doch mal nach den Augen der dicken Kuh am Empfang gucken, damit schiene mir was nicht in Ordnung. Dann habe ich mich verabschiedet.

 

Als ich zur Haustür herauskam, sah ich, wie die Rothaarige die Motorhaube ihrer Reisschüssel öffnete.

„Kann ich Ihnen helfen?“ Ich grinste sie munter an.

„Verstehen Sie denn was davon? Er springt nicht an.“

„Setzen Sie sich mal rein und starten die Seifenkiste. Ja, so ist es gut.

Noch Mal. Können Sie vergessen, der Anlasser ist im Arsch.“

„Der Anlasser? Ist der wichtig?“

„Könnte man behaupten. Das ist schlicht ausgedrückt der Motor-Dreh-Heini.

Kommen Sie, ich ziehe Sie zur Werkstatt, dann bringe ich Sie nach Hause und dafür laden Sie mich zum Essen ein. Sagte ich bereits, dass ich Kaninchen bevorzuge?“

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.09.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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