Andreas Rüdig

Neues von Maria Muffel

Maria liebt mich nicht mehr. Das weiß ich jetzt genau. Wer Maria ist, wollen Sie wissen? Maria ist – ja, was eigentlich? Gastronomin? Ja, wohl irgend etwas in der Art. Drüben in der Schule betrieb sie ein kleines Café, das sowohl von den Schülern als auch von den Menschen aus der Nachbarschaft gerne genutzt wurde. Zumindest in den Anfangstagen war das so. Voller Begeisterung hatte sie vor ein paar Jahren das Café eröffnet. Sie kochte guten Kaffee. Auch ihr Kuchen war nicht zu verachten.
Doch irgendwann, schleichend und allmählich, veränderte sie sich. Warum das so war, sollte ich nie erfahren. Wahrscheinlich lag das am örtlichen Klüngel. Sie begann eine Affäre mit dem Hausmeister der Schule; ein Kind war das Ergebnis. Da sie eine alleinerziehende Mutter war, mußte sie sich um die Betreuung des Kindes kümmern. Sie konnte also nur dann öffnen, wenn der Kindergarten offen war oder eben eine Betreuungsperson zur Verfügung stand. Da es bei der Schule um eine Ganztagsschule handelt, brauchte Maria auch jemanden, der ihr nachmittags aushalf. Maria arbeitete von 9 bis 14 Uhr, die Aushilfe dann bis 18 Uhr.
Wieso die Maria die Öffnungszeiten am Ende hin immer mehr einschränkte, wird mir immer ein Rätsel bleiben. Sie begründete es mit Schulferien, Stundenplänen und ähnlichem Quatsch; für mich waren das nur vorgeschobene Argumente. Mein persönlicher Eindruck war: Maria war faul, unmotiviert und arbeitsunlustig geworden. Die Kaffeeklatschatmosphäre der frühen Tage waren irgendwann verlorengegangen. Maria fing an, einen Tisch eigens für sich zu reservieren und nur noch ausgewählte Gäste dort sitzen zu lassen. Ich gehörte nicht dazu. Das bemerkte ich schnell. Auch die Internetcomputer nutzte nach ein paar Monaten niemand mehr. Wie sich herausstellte, waren die Nutzungsgebühren zu hoch. 1 Stunde kostete 1 Mark. Dazu kam ein merkwürdiges System bei den Ausdrucken. 6 Ausdrucke kosteten 50 Pfennig – und zwar unabhängig davon, ob ich eine, vier oder sechs Seiten ausdruckte. Maria rundete also immer auf. So wurde das Internet zu teuer für die Schüler.
Marias privater Klüngel hing mir irgendwann zum Hals heraus. Es gefiel mir in ihrem Café nicht mehr. Anstatt sich um mich zu kümmern, waren andere Gäste, Familie, Arbeit und sonstwas wichtiger. Also entschloß ich mich, für einige Zeit nicht mehr zu Maria zu gehen. Das ist jetzt 6 Monate her. Maria muß den Laden wohl dermaßen heruntergewirtschaftet haben, daß er sich nicht mehr lohnte. Selbst Schuld, kann ich da nur sagen, meine liebe Maria. Hättest Du rechtzeitig angefangen, professionell zu arbeiten, dann hättest Du jetzt noch Deinen Laden. Dann bräuchtest Du jetzt nicht beim Walter und bei Mama zu sitzen und darauf warten, daß sie Dich unterstützen. Mein Gott, Walter – soll es Dir so ergehen wie mir? Daß Du Dich auf Maria freust und sie Dich dann schmählich im Stich läßt? Paß also auf Dich auf, mein Guter.


Maria ist böse auf mich. Sehr böse sogar. Ich merke das an den Käsekuchen, die sie gelegentlich für mich backt. Ist es gelb und fest, hat sie gute Laune. Ist er eingefallen, weißlich und wässerig, ist sie übellaunig. Warum sie so schlechte Laune habe, hatte ich sie bei ihrem letzten mißratenen Käsekuchen gefragt. Ob ich etwas falsch gemacht habe? „Ja, und ob,“ schmetterte sie mir entgegen. Sie hätte mir doch vor einigen Tagen eine ellenlange Einkaufsliste in die Hand gedrückt. Mein Fehler habe schon damit angefangen, daß ich nicht im Tante – Emma – Laden nebenan, sondern bei Tante Erna zwei Türen weiter hätte einkaufen sollen. Bei Tante Erna ist es billiger. Eier, Mehl und Zucker seien ja noch in Ordnung gewesen, Milch und Quark aber zu fetthaltig. Mit den falschen Zutaten hätte der Kuchen ja auch nichts werden können.
Es sollte nicht beim Keifen bleiben. Ihrem Kinnhaken konnte ich noch ausweichen, dem rechten Schwinger aber nicht mehr. seitdem weiß ich, daß Käsekuchen bei blauen Augen schmerzmildernd wirkt.

 

Und nun, meine Damen und Herren, kommen wir zum Stargast des heutigen Abends. Es ist Maria Muffel aus Antalyaland. Sie präsentiert uns ihre allseits bekannte und allseits beliebte Zuschauerbeschimpfung.

Ja, meine Damen und Herren, erneute ärgere ich mich, daß ich hier bin. Es so mieses Publikum wie Sie habe ich noch nie gesehen. Der Applaus, den ich hier bekomme, ist so kurz und leise, daß ich ihn gar nicht höre. Ich kann mich so abrackern und bemühen, wie ich möchte, nie ist Ihnen meine Arbeit gut genug. Wieso sind Sie eigentlich gekommen? Nur, um zu buhen? Nur, um zu pfeifen? Nur, um mit faulen Eiern zu werfen? Andere Pseudo – Künstler sind wesentlich schlechter als ich. Pfeifen und Buhen Sie die doch aus! Sie sind meiner Kunst doch gar nicht würdig. Sie können meine Texte doch gar nicht würdigen, so dumm sind Sie.
Ach, warum rege ich mich überhaupt auf? Ich bin mein Unglück doch selbst Schuld. Warum habe ich den Vertrag mit dem Konzertveranstalter hier überhaupt unterschrieben? Ich muß von Sinnen gewesen sein. Ich wußte doch vorher, was mich erwartet – ein miserables Publikum, eine noch schlechtere Bezahlung, hundsmiserable Arbeitsbedingungen und am Ende die elenden Kritiken in der Presse. Mir hängt das alles zum Hals heraus. Ich glaube, ich muß jetzt aufhören, sonst muß ich mich übergeben.

Vielen Dank, Maria Muffel. Sie waren ja heute wieder in Hochform. Und nun zu unserem nächsten Programmpunkt.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.09.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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