Hans-Peter Zürcher

Eine Bergwanderung

....Eine kleine Imporession

 

5. Oktober 2008

 

Nebel so weit ich blicken kann und das ist wahrlich nicht weit. Mein Blick wandert über eine Landschaft, die gestern Abend noch da war und nun weggezaubert zu sein scheint. Im schönsten Abendlicht zeigte sie sich, auch wenn von den Bergen nur da und dort Spitzen zu sehen waren, zu tief ist der Talboden, der von Wäldern umringt ist, zwischen denen sich nackter Fels zeigt, aus dem sich ein grosser stiebender Wasserfall seine Freiheit nach unten sucht, der Aare entgegen, die hier im Tal munter gurgelnd dem Brienzersee zufließt. Ein trübes Flüsschen, graubraun seine Farbe von Sand und Geschiebe aus den Bergen ringsherum. Kalt ist sie, diese Aare, die sich weiter oben durch die Enge der Aareschlucht zwängt. Gletscherwasser von hoch oben, von Gletschern, die einmal weit in die Täler vorgestoßen sind. Nun scheint es, als ob sie auf der Flucht vor der Zivilisation sich immer weiter auf die höchsten Berggipfel zurück ziehen, arg gebeutelt durch die immer wärmer werdenden Jahreszeiten, verursacht von eben dieser Zivilisation.

 

Kurz entschlossen packe ich meinen kleine Rucksack und fahre mit Bahn und Postauto in höhere Gefilde, mit dem Wunsch, dass es weiter oben schöner und milder zu und her gehen würde als hier unten im Tal der kalten Aare. Und richtig, schon oben im Bergdorf  werde ich von einer freundlich scheinenden Sonne umarmt, nur hinten in der Gletscherschlucht dampfen Nebelschwaden empor. Als wollen sie der Sonne zeigen, wer da nun den Herbst einführen möchte. Die Berge rings um leuchten in blendend weißem Neuschneegewand. Ab und an streift ein kühles Lüftchen mir die milde Wärme aus dem Gesicht. Aufs Postauto wartend, das mich noch weiter nach oben bringen wird, setzte ich mich im nahen kleinen Park auf eine Bank und lass mich von der Sonne verwöhnen. Es dauert nicht lange und ich werde von einer munteren Schar Spatzen umringt, die wohl zu einem Bettelvolk gehören, das hier von den vielen Touristen hier feistgefüttert wird. Doch schon bald müssen sie feststellen, dass bei mir nichts zu holen ist und flattern mit gehässigem Gekreische in die in der Nähe stehende Tanne, um von hier aus ein nächstes Bettelopfer anzufallen.

 

Im Postauto sitzen nur wenige Passagiere, scheinbar trauten sich nur wenige Menschen aus dem Flachland hier hinauf in die Berge. Dem Nebel sei Dank, mir ist es recht so. Langsam windet sich das gelbe Fahrzeug die enge Bergstrasse hinauf. Kurve um Kurve, langsam, schnaufend, immer höher und höher. Vor besonders unübersichtlichen Stellen lässt der Chauffeur, zur sichtlichen Freude der Fahrgäste, das wohlbekannte Posthorn im Dreiklang ertönen - düü,daa,doo....düü,daa,doo -, genau so wie in der Ouvertüre zu Rossinis Oper „Wilhelm Tell“. Die Berge rund herum kommen immer schöner zur Geltung, weit unten das Dorf, ab und zu Erklärungen vom Chauffeur über die Berge und ihre Namen, den Adler der gerade seine Runden zieht oder ein Murmeltier, das sich am sonnigen Berghang wärmt. Steile Wiesenhänge mit Herbstblumen wechseln mit Wald ab, drüben aus der Gletscherschlucht dampft immer noch Nebel, aber eher licht und sanft. Auch hoch oben, dem Wetterhorn entlang, schweben Nebelchen, verspielt und leicht, als ob sie den Berg necken wollten. Der Eiger und die Jungrau strahlen in blendendem Weiss, unschuldig und keusch, vor allem der Eiger, der sich vom Menschen nicht immer alles gefallen lässt und ihm mächtig was auf den Kopf fallen lässt. Auch die Jungfrau ist nicht so harmlos wie sie ausschaut. Nun haben wir die Waldgrenze erreicht, weidendes Vieh mit Glocken und Glöckchen, Alphütten, Felsbrocken und weit oben, vor einer Berghütte, flattert im leichten Wind eine Fahne. Das Ziel dieser Postautofahrt, das Bergrestaurant Bussalp. Noch ein paar enge Kurven, einen Bergbach querend und mitten durch Alphütten und schon ist die Reise zu ende.

 

Eine atemberaubende Aussicht über die grandiose Bergwelt, da genehmige ich sehr gerne erst einmal auf der Trasse ein Gläschen Wein und lasse meinen Blick von links nach rechts gleiten. Von den Engelhörnern bis zum Gspaltenhorn ist hier vor mir alles versammelt, was Rang und Namen hat, die Wetterhörner, das Wellhorn, das Wetterhorn, die Schreckhörner, der Mettenberg, das Fiescherhorn, der Eiger mit seiner berüchtigten Nordwand, die Jungfrau mit ihren Silberhörnern. Nur der Mönch, der versteckt sich beschämt hinter der breiten Schulter der Eiger. Rund herum ein wahres Konzert von Glocken, Treicheln, Tschätteren und Glöckchen aller Tonlagen. Ein Gebimmel und Geläut, Melodie der Berge!. Frische reine Bergluft, ein wenig nach Kuhmist und Milch, nach trockenem Holz und Herdfeuer aus den Alphütten duftend. Einfach nur schön. Dohlen kreisen kreischend um die Terrasse des Berggasthauses, der wenigen Gäste wegen fiel ihre Bettelei aber leer aus. Trotzdem setzen sie sich zwischen durch auf den Zaun der Terrasse und schauen aus ihren listigen, glänzenden Äuglein fröhlich in die Runde. 

 

Auf weiter Flur alleine wandere ich nun zwischen Kühen, den Alphütten auf Bussalp, über den rauschenden Bergbach hinab zum Bergweg Holzmatten, der mich entlang von Hochmooren, durch fein duftende Bergwälder nach Bort führt. Die Berge zeigen sich immer wieder aus neuer Perspektive, Herbstblumen, Schwalbenschanzenziane, Silberdisteln und flockiges Wollgras sind meine Begleiter. Hoch oben spielen zwei Adler ihr Spiel mit der Thermik, lassen sich spiralförmig hoch hinauf treiben, um dann in rasantem Sturzflug hinab zu stechen, in eine unsichtbare Sphäre von herrlicher, frischer Beruft. An den warmen Grashängen sind unzählige Murmeltiere zu beobachten, die sich schon mächtige Fettpolster angefressen haben. Spielend oder faul liegend auf wärmenden Felsbrocken, ein sicheres Zeichen, dass bald der Winter hier oben Einzug halten wird. Der Weg führt mit leichtem auf und ab von einer Alp zur anderen, gurgelnde Bächlein querend, mitten durch weidende Kühe, die einem friedlich und neugierig mit ihren Großen, dunklen Augen betrachten. All die Nebel und Nebelchen haben sich nun in der trockenen Luft vollends aufgelöst. Oben ein tief blauer Himmel, unten das Tal in seichtem Dunst und dazwischen Berge und Gletscher, Wälder und Alpen.

 

Ein wunderbarer Tag, aus dem Nebel hinauf ein eine mild duftende Bergwelt, aus der man nur ungern zurück in den tristen Alltag findet. Wäre da nicht das innere Auge, das all das schöne aufgenommen hat. All das Wunderbare, das man nun beim Anhören der erwähnten Ouvertüre zu Rossinis Oper immer wieder erleben kann. Die zart duftenden Wälder und Alpweiden, Gräser und Blumen im leichten Wind wippend, das Posthorn des Postauto, das Kreisen des Adler, die spielenden Murmeltier, Quirlende Schmetterlinge, das Gurgeln der Bergbäche und zum Schluss die Dramatik des Hochgebirges, dessen Gletscher und das Donnern des Wildbachs in den Tiefen der Schluchten. 

 

© 2008 Hans-Peter Zürcher

 

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