Stephanie Müller von Berneck

Sehnsucht

Es war der dunkelste Teil der Nacht.

Der Mond zog seine Kreise üner die tiefe Schwärze des Nachthimmels und tausende von Sternen funkelten miteinander um die Wette. Der Morgen war nicht mehr fern, doch noch dominierten die glitzernden Gestirne am Himmel in der festen Umklammerung der Dunkelheit.

Mitten auf der fast kreisrunden Lichtung lag ein alter Felsen. Groß und träge fristete er sein Dasein, ein Relikt längst vergangener Zeiten.

Auf dem Felsbrocken saß eine kleine Gestalt, die großen Augen weit geöffnet und mit starrem Blick in den endlosen Nachthimmel. Der zarte Körper war stumm, ohne eine einzige Bewegung. Nicht einmal atmen sah man sie. In ihren langen, silbrig glänzenden Haaren spielte der sanfte Mitternachtswind und bauschte ihr weißes Kleidchen auf…

So saß diese Gestalt regungslos auf dem Felsen, die Knie an den schmalen Körper gezogen und mit den Armen auf das alte Gestein gestützt.

Von irgendwo her ertönte leise, fast unhörbar, Musik in ihrem Kopf. Spielte der Wind diese traurig schöne Weise? Wie Wassertropfen perlten die Töne durch den Geist des Wesens, fielen mit klingenden Geräuschen tief in ihre Erinnerung hinein. Zuerst abgewiesen sammelten sie sich auf der Oberfläche ihres Denkens, wartend… lauernd.

Das kleine Wesen auf den Stein schloss die Augen. Tauchte ein in den Strudel aus Klängen, ließ sich fallen, tragen… im Rhythmus der Melodie.

Und erinnerte sich.

Immer und immer wieder, bis nichts mehr übrig war, bis es nichts weiter gab, als Vergessen.

Mit jedem verzweifelten Gedanken fiel die Seele des Mädchens tiefer und zog sich aus dem Körper zurück. Ihre Glieder erkalteten, wurden dunkel und erstarrten…

Bis sie schließlich ganz so war, wie der Felsen auf dem sie saß.

Stein.

Ein Relikt vergangener Erinnerungen.

 

Die Sterne waren bereits untergegangen, nur der Mond kämpfte noch tapfer um den letzten Rest der Dunkelheit. Doch auch er würde weichen müssen, wenn die Morgenröte die Sonne rief.

Nebel wallte in Wellen über die Lichtung und kräuselte sich am Rand des Waldes. Wie Wasser schlug er gegen den Felsen, auf dem immer noch die kleine Gestalt saß, reglos wartend, gefangen in einem Kleid aus Stein.

Tautropfen glitzerten schillernd auf tausenden von Blättern und Gräsern in Erwartung des neuen Tages.

Der Himmel leuchtete jetzt in brennendem Rot.

Dann ging die Sonne auf und kitzelte, tief im Inneren des Steins, eine verborgene Sehnsucht wach.

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