Gaby Schumacher

Miss Iceworld

Die Scheibe trägt einen weißgräulichen, dichten Mantel.

"Das gibt es ja gar nicht!"

Ich springe aus dem Bett, klappe das Fenster auf und sage überhaupt nichts mehr, sondern staune nur stumm. Die Zweige unserer haushohen Linde, des Weidekatzenbaumes und all der Büsche entlang des Gartenzaunes beugen sich unter einer mindestens fünfzehn Zentimeter dicken Schneelast.

"Ich kann mich nicht erinnern, dass ich so etwas hier in Düsseldorf schon einmal erlebt hätte!", murmele ich, spurte zum Zimmer meiner Tochter und reiße die Türe auf:

"Das musst du dir unbedingt ansehen!"

Sie gerät gleich mir außer Rand und Band:

"Mama, es ist ein Traum!", schnappt sich ihre Kamera und knipst und knipst ...

 

"Lass` uns einen Schneemann bauen!", schlägt meine Tochter vor.

Im Moment sind keine wasserdichten Handschuhe zur Hand. Aber fast erfrorene Finger mögen wir beide nicht. Nach kurzem Grübeln hab` ich die rettende Idee. Flugs ziehen wir die Strickhandschuhe über und stülpen noch Gefrierbeutel darüber.

"Die rutschen sowieso sofort wieder ab!", meint meine Tochter.

"Aabwarten!", grinse ich.

Ich schnappe mir ein braunes Paketband und verpasse den Beuteln jeweils eine hübsche Schleife.

"Und wie willste den Beutel an der rechten Hand noch festzurren, wenn wir die anderen Hände schon eingepackt haben?"

Auch dafür habe ich die die Lösung parat, lege das Stück Band auf den Tisch, presse meine Hand darauf, damit es nicht wegrutschen kann, nehme das eine Bandende zwischen die Zähne, das andere zwischen die Gefrierbeutelfinger der linken Hand und wickele das Band ums Handgelenk. Es erweist sich als eine echte Geschicklichkeitsübung. Mehrmals flutscht mir die Schnur aus der Hand und die Prozedur beginnt von vorne. Dann endlich sind die Hände Gefriertruhen bereit eingekleidet.

 

Zunächst trotzen die Schneemassen, die weiße Wonne pappt nicht richtig und unser Möchtegern-Schneemädchen sieht aus wie ein Alien von einem denn sehr weit entfernten Stern. Sein Kopf ähnelt eher einem Würfel mit noch ein paar Beulen zusätzlich. Ihm macht zudem eindeutig die Schwerkraft zu schaffen und wir müssen ihn mindestens dreimal vor einem denn allzu demütigen Diener vor uns bewahren. Gut nur, dass das Schneewesen noch erst zur Hälfte "lebt". Andernfalls würde es sich jetzt wegen der erlittenen, wahrlich nach Schönheits-OPs verlangenden Verunzierungen mit gezieltem Eiskugel pfeffern rächen. Und die können verflixt weh tun ...

 

Damit ihm nicht noch mehr des Unheils blüht und dann in anschließend in besonderem Maße uns, rücken wir den hässlichen Beulen mit Wasser zu Leibe und siehe da, es gelingt. Huckel nach Huckel verschwindet. Kurz darauf steht dort ein niedliches Schneemädchen mit einem wirklich edlen Kugelkopf mit Knopfaugen, einer Möhrennase und einem lachenden Stockmund. Ein weit ausgestelltes Kleid umspielt den lieblichen Körper.Aber etwas fehlt noch. Kritisch betrachtet es meine Tochter:

"Mama: Es braucht eine Frisur!"

"Wiiee?"

"Wir gönnen ihr Bandhaare!"

 

Schon schneidet sie das Band in unterschiedlich lange Stücke und hält eines davon dem Schneemädchen prüfend ans Gesicht.

„Ich würde sagen, einen Mittelscheitel ... Was meinst du, Mama?"

Ich finde, der Mittelscheitel kleidet die Kleine ganz ungemein. Meine Tochter besteht noch auf einen kurzen Fransenpony.    

´Drollig!, denke ich. - Wie wär`s denn mit einer Casting Show: ´Germans next Iceworld-Topmodel??"

Bestimmt würde ´Mathilde` hervorragende Chancen haben.

 

 

 

   

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.01.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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