Ramona K.

Süßes Vergessen

Eine eiskalte Nacht. Die klirrende Kälte ließ ihre Wangen rosig leuchten. Schnee bedeckte ihre langen dunkelbraunen, ja fast schwarzen Haare, die jeder, der sie sah so sehr bewunderte. Sie besaß eine fast übernatürliche Schönheit, die ihr so manche Neider einbrachte. Es war nicht wichtig.
Alles sah danach aus, dass ein Schneesturm aufzog. Sie zitterte vor Kälte. War für dieses Wetter viel zu dünn bekleidet. Nicht einmal eine Jacke trug sie. Doch das alles interessierte sie nicht. Ihr war nicht bewusst, dass sie bereits seit Stunden durch menschenleere Gassen lief, wusste nicht warum sie lief. Lief sie davon? Wo wollte sie hin? Leere herrschte in ihrem Kopf und doch tausend Gedanken die sie nicht fassen konnte. Es war wie ein Déjà-vu, man versucht sich zu erinnern, wie ein Wort, das einem auf der Zunge liegt und man es doch nicht finden kann. Ein Gefühl der Verzweiflung erfasste sie. Sie fing an zu gehen. Steigerte ihr Tempo. Sie rannte. Wollte der Verzweiflung entkommen, dieser furchtbaren Leere. Ihre Lungen brannten. Schweiß rann ihr trotz der Eiseskälte die Stirn herab. „Wohin? Warum?“, fragte sie sich.

 
Als sie schließlich anhielt, weil sie sich nahe der Ohnmacht fühlte, bemerkte sie, dass sich die Umgebung verändert hatte. Sie war aus der kleinen Stadt heraus an den Waldrand gelaufen. Sie blickte zurück und konnte noch winzige Lichter erkennen, die in den Häusern brannten und hinter dessen Fenstern sich die Menschen wahrscheinlich vor warmen Kaminfeuern zusammensetzten und sich Geschichten erzählten, oder einfach nur die Nähe der Menschen die sie liebten genossen. „Werde ich geliebt? Und wenn dann..“ Ihr Gedanke wurde unterbrochen durch ein seltsames Geräusch, ein leises zwar, doch in der Stille die sie umgab sehr deutlich wahrzunehmen. Es hörte sich gequält an und löste Trauer in ihrem Herzen aus. Aus welcher Richtung kam es? „Konzentrier dich!“, dachte sie und lauschte in die Stille hinein.

 
Das Winseln wurde leiser, doch sie hatte bereits die Richtung aus der es kam ausgemacht. Sie schob ihre eigene Erschöpfung beiseite und ging dem Geräusch nach. Laufen oder gar rennen konnte sie beim besten Willen nicht mehr. Es kam aus dem Wald ganz in der Nähe. Furcht, den Wald zu betreten hatte sie nicht, jedoch vor dem was sie dort finden könnte.
 
Da war es wieder.. Sie näherte sich langsam einer Art Bündel, dass sie im Dunklen nur schlecht ausmachen konnte. War es ein Tier, dass dort winselte? Ein Mensch? Ein Augenpaar leuchtete grün in der Dunkelheit. Doch das Winseln ging nicht von diesem Geschöpf aus. Wachsam lagen die Augen auf ihrer Gestalt. Sie erkannte, dass das Augenpaar einer schwarzen Katze gehörte. Das Winseln, dass nun sehr leise geworden war und von einem schweren Atmen begleitet wurde kam von dem Bündel, dass neben der Katze lag. Nun fürchtete sie sich wirklich. Ihr Herz pochte laut gegen ihre Rippen. Vorsichtig, den Blick zwischen dem Bündel und der Katze hin- und herschweifend, ließ sie sich direkt vor dem winselnden Wesen nieder. Sie schrie vor Schreck auf, als sie den kleinen Hund sah. Tränen rannen ihr Gesicht herab. Sie fühlte sich hilflos.
 
Der junge Hund, fast noch ein Welpe lag am Boden, angeleint an einem Baum. Er krümmte, denn demjenigen der im das angetan hatte, reichte es nicht ihn lediglich auszusetzen, nein, er hat ihn vorher fast zu Tode geschunden. Hätte er es nur getan! “Wie lang liegst du wohl schon so dort?“, fragte sie sich. Die Katze maunzte, als ob sie um Hilfe bitten würde. Ein erbärmliches Schauspiel. 
Wut überkam sie. Auf einmal fiel ihr auf wie ungewöhnlich es war, dass diese Katze hier bei dem Hund Wache zu halten schien.
 

 Wieder überkam sie dieses merkwürdige Gefühl, dass sie etwas vergessen hatte. Sie musste etwas tun, konnte es nicht ertragen, dass dieses arme Wesen sich weiter quälte. Sie wusste was zu tun war, doch wollte es nicht wahr haben. Aber als sie wieder das Winseln des Tieres wahrnahm handelte sie. Ihr Herz zog sich zusammen. Sie packte einen Stein, der neben ihr auf dem Boden des Waldes. Die Katze floh.

Das arme Geschöpf tat seinen letzten Atemzug.
 

 Es war befreit... so wie..
 

Plötzlich, wie aus heiterem Himmel wurde sie von einer Flut aus Bildern überströmt.
 
Blut, Schreie, Verrat! Sie hatte geliebt! Doch es wurde ihr mit Verrat und Betrug gedankt. Der Schmerz wurde zu groß und sie hatte zugeschlagen. Immer wieder. Nicht um ihn zu befreien. Nein! Um ihrer Selbst willen! 
„Oh Gott! Was habe ich getan?“
 
Der Mann den sie liebte war tot!
 
Ein Licht blitzte hinter ihr auf. Dann wurden es mehr. In der Ferne hörte sie Stimmen, die sich etwas zuriefen. Sie rannte blindlings mit tränenverschleiertem Blick weiter in den Wald hinein. Nun wusste sie, warum sie lief.
 
Gehetzt!
 
Die Stimmen hatten sie bemerkt und kamen schnell näher. Sie lief schneller und stoppte dann urplötzlich. Sie stand atemlos, mit weit aufgerissenen Augen und blickte in die Schlucht, die den Wald in zwei zweiteilte. Unter ihr ein Bach. Sie hörte die Stimmen fast nicht mehr, obwohl sie näher kamen. Eine seltsame Ruhe überkam sie. Sie lächelte.
 
Als jemand ihren Namen rief drehte sie sich um. Es war ein Mann. Hinter ihm noch einige mehr, die aber nicht mehr näher kamen. Der Mann redete mit ihr wild gestikulierend, doch sie hörte ihn nicht mehr. Ihr Kopf war erfüllt vom Plätschern des Baches.
 
Sie schenkte dem Mann ein letztes Lächeln und breitete die Arme aus...
 

 
Süßes Vergessen....
 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.01.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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