Hans Pürstner

INRI 2.0 Teil 7

Gegen Nachmittag erhielten die Pressevertreter die Mitteilung, dass sich die Konferenzteilnehmer auf einen Tag Verlängerung geeinigt hätten, ehe sie erste Ergebnisse bekannt geben würden. Daraufhin machten sich an die zwanzig Reporter und Kameraleute auf den Weg zu der Farm, von der die geheimnisvollen Männer auf der Pressekonferenz gesprochen hatten.

Der Einfachheit halber hatten sie einen Bus gechartert und bald waren sie froh darüber, denn der Weg zu ihrem Ziel war doch nicht so einfach zu finden wie gedacht. Doch Moshe, der Busfahrer beruhigte sie schnell

"Ich kenne die Farm" rief er nach hinten, "dort habe ich zum letzten Osterfest einen Hammel geholt, meine ganze Familie und meine Schwiegereltern waren zu Gast. Da lohnte sich auch die Fahrt dahin, so günstig hätte ich das Fleisch hier nicht bekommen!"

Nach einer halben Stunde tauchte tatsächlich ein großes Stallgebäude und ein kleineres Wohnhaus am Horizont auf. Kurz darauf parkte der Busfahrer am Parkplatz des kleinen Verkaufskiosks, wo Reklametafeln frisches Lammfleisch und Schafskäse anboten. In einer Ecke war ein Regal mit selbst gestrickten Wollpullovern in Naturfarbe aufgestellt.

Die Augen der Reporter streiften aber nur wenig interessiert über das Angebot sondern sie fragten sofort die Verkäuferin, ob sie etwas von einem Neugeborenen wüsste, das erst vor kurzem auf der Farm zur Welt gekommen sei.

"Ja, sie meinen sicher Joshua, das Baby von Mirjam. Ihr Mann Yousef hat das Regal hier gebaut" und zeigte auf das Gestell mit den Pullovern.

"Ihr müsst den kleinen Weg rechts entlang des Zauns fahren, etwa hundert Meter, dort ist ein kleines Stallgebäude das nicht mehr genutzt wird. Dort findet ihr sie"

Die Presseleute bedankten sich, einige nutzten noch schnell die Zeit um frischen Schafskäse einzukaufen und kleine luftgetrocknete Lammwürstchen als Proviant für den Weg zurück und machten sich auf den Weg .

Als sie das kleine Gebäude gefunden hatten sahen sie einige weiß gekleidete Gestalten vor dem Eingang. Beim Näherkommen erkannten sie die Ähnlichkeit mit den Teilnehmern der Pressekonferenz und erschraken. Eine davon kam auf sie zu, sie war kleiner als die vom Vortag und die Stimme klang wie die einer Frau, aber genauso blechern wie die Stimmen auf der Pressekonferenz.

Sie drückte einigen der Reporter eine Rolle in die Hand, insgesamt drei, es war ein sonderbares Papier, es sah aus wie die Papyrusrollen des Altertums und sprach nur die paar Worte "Geben sie das bitte weiter an die Friedenskonferenz. Hier sind ein paar wichtige Ratschläge für die Teilnehmer."

Diesmal reagierten die Fotografen schneller als am letzten Tag und ein Blitzlichtgewitter brach los. Sofort entfernten sich die weißen Gestalten eiligst und gaben den Weg frei in das Gebäude. Bevor jetzt alle eintraten begutachteten sie zuerst die Speicher ihrer Kameras, aber es war wieder nichts zu sehen als der Hintergrund. Ein Kameramann, der seine Tonfilmkamera hatte mitlaufen lassen spulte das Band zurück und schüttelte fassungslos den Kopf.

"Nicht nur dass kein Bild zu sehen ist, auch die Stimme der Frau ist nicht zu hören! Obwohl die Hintergrundgeräusche drauf sind. Das ist ja unglaublich!"

Alle schwiegen betreten und folgten Moshe, der auch jetzt die Führung übernommen hatte, in den Hütte. Stall war wohl etwas übertrieben, es war einfach ein leerer, ziemlich schmutziger Raum, der wohl vor vielen Jahren zuletzt als Stall genutzt worden war und jetzt eher als eine Art Gerätekammer diente.

Mirjam schaute erschrocken auf die Eindringlinge und drückte ängstlich das Baby an die Brust. Aus einer Nebenkammer trat ihr Mann auf die Reporter zu und schimpfte "Wie können sie uns so erschrecken, sehen Sie, das Kind fängst schon an zu weinen!"

Schuldbewusst sahen sich die Männer an obwohl sie seine Worte nicht verstanden hatten und Moshe, der sich als einziger mit Yousef verständigen konnte übernahm die Aufgabe sich vorzustellen.

"Wie sind hierher gesandt worden um das Neugeborenen zu sehen" sagte er. "Es soll auserwählt sein, Israel den Frieden zu bringen!"

"Von wem denn?" fragte Yousef ärgerlich. "Ich weiß nichts von einem Auserwählten. Wir sind rechtschaffene Leute und haben niemandem etwas getan!" Die beiden bekamen es mit der Angst zu tun, dass ihre heimliche Geburt auffliegen würde und mit ihr die illegale künstliche Befruchtung. Yousef trat deshalb die Flucht nach vorne an und erzählte den Reportern, dass sie hier illegal lebten und Angst vor Entdeckung hätten. Von den näheren Umständen die zur Schwangerschaft geführt hatten erwähnte er wohlweislich nichts.

Während alle darüber rätselten, weshalb man sie wohl hierher gelockt hatte, meinte der Reporter des Paris Match "lasst uns noch ein paar Fotos machen und dann zurückfahren. Mal sehen was die Untersuchung der Papierrollen bringt!"

"Genau, lass mal sehen, was da drin steht", rief ein anderer und riss dem britischen Kollegen die Rolle aus der Hand. "Hey, gib her, ich hab sie bekommen!" rief dieser zornig, bei solchen Dingen hörte sich die Solidarität unter Berufskollegen auf. Nach einigen Hin und Hergezerre stürzten sich alle auf das geöffnete Schriftstück und zogen sich schnell enttäuscht zurück.

"Das sind ja die reinsten Hieroglyphen" meinte einer. Man beschloss, sofort zurückzufahren und die Papiere wie gewünscht der Konferenz zu übergeben. Das fiel so manchem natürlich schwer, aber da die Rollen auf drei Kollegen verteilt waren sodass keiner die Exklusivrechte für alle beanspruchen konnte blieb ihnen nichts anderes übrig. Allerdings machten alle jene die eine Kamera bei sich hatten einige Fotos in Makroeinstellung, wer weiß, wozu das noch gut sein sollte.

Zurück in Kiryat Ata meldeten sie sich beim Presseattache der Konferenz und übergaben die seltsamen Schriftstücke. Man versprach ihnen sie untersuchen zu lassen und vertröstete sie auf die am nächsten Tag angesetzte Presseerklärung.

 

 

Mohammed Attah schritt bedeutungsvoll zum Podium und nestelte am Mikrofon, bis die Höheneinstellung des guten Stücks seiner etwas mickrigen Körpergröße entsprach.

"Meine Damen und Herren, ich freue mich ihnen mitteilen zu können, dass wir uns nach langem Ringen auf ein gemeinsames Communique geeinigt haben!" Der Vertreter Israels verdrehte mit gequältem Gesichtsausdruck seine Augen sagte aber lieber nichts dazu. "Wir verdanken es dem Vertreter der Queen of England, Prinz Henry, dass wir zu einem vernünftigen Vorschlag gekommen sind, wie wir die festgefahrene Situation wieder in Gange bringen können."

Der Prinz war inzwischen neben ihn an das Podium getreten und übernahm das Mikrofon. Da er bestimmt zwei Köpfe größer war als Mohammed Attah begann wieder das lästige Spielchen mit der Mikrofonhalterung.

"Ladies and Gentlemen, wir schlagen vor, das Grenzgebiet zwischen Israelis und Palästinensern von einer multinationalen Friedenstruppe bewachen zu lassen. Auf der eine Seite werden Soldaten aus der Türkei stehen und auf der israelischen Seite Truppen des vereinigten Königreichs von Großbritannien.

Die Polizeikräfte der Palästinenser werden durch erfahrene Kräfte aus Ägypten unterstützt, sie sollen dafür sorgen, dass die ewigen Raketenangriffe durch die Hamas endlich unterbunden werden. Solange dies nicht geschieht, haben die Israelis immer wieder einen Grund, den Waffenstillstand aufzukündigen! Im übrigen fühlen wir Briten uns verpflichtet, aktiv zur Friedenssicherung beizutragen, da wir an der momentanen Situation nicht ganz unschuldig sind. Aber was hätten wir damals machen sollen?" seufzte er, "nach dem zweiten Weltkrieg und dem Holocaust mussten die Juden doch endlich wieder eine Heimat bekommen!"

Die Pressevertreter schrieben eifrig mit und setzten sich danach an ihre Laptops um die Bericht mittels W-LAN ins Internet zu bekommen und an die Heimatredaktionen zu mailen. Der Hinweis des Presseattaches dass die Schriftrollen erst nach England geschickt würden, wo sie von Experten für antike Schriften untersucht würden ging im allgemeinen Trubel unter.

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