Klaus-D. Heid

James jr.

James jr.

Mein Name ist Bond. James Bond. Natürlich trinke ich meinen Kakao am liebsten mit einem Sahnehäubchen obendrauf. Wieder einmal habe ich die Welt vor einem Bösewicht gerettet, der glaubte, besser zu sein, als ich. Mit Hilfe meiner Mutter war ich jedoch in der Lage, ihm einen bitterbösen Brief zu schreiben, in dem ich ihn bat, davon Abstand zu nehmen. Mama kann gut Briefe schreiben. Der Bösewicht, dessen Name mir leider entfallen ist, wollte jedoch nicht auf Mama hören, so dass ich meine Lizenz zum Löten nutzen musste. Mit dem Lötkolben reparierte ich meinen Fön, damit ich endlich wieder die kahle Stelle an meinem Hinterkopf mit einer geschickten Fönfrisur kaschieren konnte. Mama bügelte meine dunkelblaue Konfirmationshose und legte mir das etwas zu enge Konfirmationsjäckchen zurecht. Siegessicher befestigte ich die Gummizug-Krawatte an meinem Kragen und schnürte meine Wanderstiefel mit Doppelknoten. An meinem Jäckchen sollte der Bösewicht ruhig die Wölbung erkennen, unter der ich meine Walther PPK aus Vollmilchschokolade versteckt hielt. „Lass Dir nichts gefallen, Junge...!“ rief Mama mir noch hinterher, als ich bereits auf meinem Klapprad saß, um den Bösewicht zur Rede zu stellen. Während mir Tränen über die Wangen liefen, erinnerte ich mich an die Königin, die mich garantiert zum Ritter schlagen würde, wenn ich die Welt vom Bösen befreite. Aufmerksam beäugte ich die Verkehrsschilder. Irgendwann musste doch ein Hinweisschild zu sehen sein, auf dem der Weg zum Bösewicht angezeigt wurde? Eine halbe Stunde später machte mir ein Wadenkrampf so sehr zu schaffen, dass ich vorerst aufgeben musste. Hatte das Böse gesiegt? Natürlich nicht! Mit fiel ein, dass mein Fahrrad mit einem Hilfsmotor ausgerüstet war, den ein gewisser ‚Q’ vom Fahrradladen um die Ecke, nachträglich eingebaut hatte. Ein Knopfdruck genügte. Schon hörte ich das satte Röhren des Motors. Bösewicht – ich komme! Bösewicht? Wie sollte ich ihn nur finden, wenn nicht der kleinste Hinweis auf seinen Aufenthaltsort zu sehen war? Mamas Worte fielen mir ein, die mich flehentlich bat, einen schal um den Hals zu wickeln. Hätte ich nur auf sie gehört. Es war so kalt. So kalt. Oder war es ein böser Trick des Bösewichts, der mich vielleicht mit einer gefährlichen Kältemaschine an der Durchführung meiner Mission hindern wollte? James Bond lässt sich nicht hindern! Hatschi...! Hatschi...! Weil ein Kerl wie ich keinerlei Gnade mit sich selbst kennt, schlug ich den Kragen meines Jäckchens hoch. Bald schon würde es dunkel werden. Ob Mama sehr böse ist, wenn ich mich ein paar Minuten verspäte? Da plötzlich sah ich das Schild, das ich so lange suchte. Es war sogar beleuchtet. Fühlte sich der Bösewicht so sicher, dass er auf jedes Versteckspiel verzichtete? Schade, denn ich liebe es, Verstecken zu spielen. Auf dem riesigen Neonschild prangte der Name des Bösewichts. ‚Dr. No – Brötchen und Brotwaren’. Was hatte Mama gesagt? „Zeig ihm, was Du hast, Junge! Sag ihm, dass Du ein frisches Korbbrot möchtest. Und lass Dich ja nicht mit einem alten trockenen Brot abspeisen, klar?“. Du kannst Dich auf mich verlassen, Mama! Ich werde Dich nie enttäuschen! „Sag niemals nie, Junge...!“ meinte Mama dann noch. „Der Tag wird kommen, da wirst Du noch an meine Worte denken!“. Mama macht sich einfach zu viele Sorgen. Ich werde diesem Dr. No meine Walther PPK vors Gesicht halten – und mir das Brot aushändigen lassen. Die Königin wird stolz auf mich sein. Mama auch. Und wenn Dr. No Widerstand leistet, mache ich ihn einfach kalt. Oder ist’s besser, wenn ich das Brot bezahle? Immerhin könnte es ja sein, dass er mir den Hintern versohlt, wenn ich ihm kein Geld geben will. Was soll’s – bezahle ich eben. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich diesem Dr. No später noch einmal begegne. Und dann, das verspreche ich hoch und heilig, werde ich nicht bezahlen! Ehrenwort!

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Klaus-D. Heid).
Der Beitrag wurde von Klaus-D. Heid auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.11.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Klaus-D. Heid als Lieblingsautor markieren

Buch von Klaus-D. Heid:

cover

Sex für Aktionäre von Klaus-D. Heid



Na? Wie stehen die Aktien? Sind Aktionäre die besseren Liebhaber? Wie leben Aktionäre mit der Furcht vorm Crash im Bett? Diese und andere Fragen beantworten Klaus-D. Heid und der Cartoonist Karsten Schley.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (2)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Satire" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Klaus-D. Heid

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Noch nicht... von Klaus-D. Heid (Wie das Leben so spielt)
‚Mehmet’ ist wieder da! von Klaus-D. Heid (Satire)
Meine Bergmannsjahre (sechster Teil) von Karl-Heinz Fricke (Autobiografisches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen