Giuseppe Rinaldi

Manchmal passiert es einfach

 

 

 

In einem Restaurant lehnt sich ein Mann zurück, tupft sich mit einer Serviette die Mundwinkel ab und seufzt leise.
*Hat es Ihnen geschmeckt?* fragt ein Kellner. *Wie immer vorzüglich* antwortet der Mann, *ich bin begeistert*.
Der Kellner verbeugt sich leicht und räumt den Tisch ab. *Darf ich Ihnen noch was bringen?* fragt er, bevor er den Tisch fertig abgeräumt hat.
*Nein, danke, nur die Rechnung bitte* sagt der Mann und trinkt das Glas Rotwein aus.
Als der Kellner die Rechnung bringt, bezahlt er sie, legt ein kleines Trinkgeld dazu, der Kellner bringt ihm seinen Mantel, er bedankt sich und verlässt das Restaurant.
Vor der Tür überlegt er kurz, ob er ein Taxi nimmt oder zu Fuß nach Hause geht und entscheidet sich dann für das Taxi.
Zu Hause angekommen, zieht er sich aus und lässt sich keuchend in den Sessel fallen.
Ich muss abnehmen, denkt er, bin 1.80 m groß, aber ich wiege 160 Kilo, das Essen schmeckt einfach zu lecker.
Seit er alleine wohnt, denkt er weiter, habe er ständig zugenommen. Das Essen war bei ihm zum Hobby, nein, zu einer Passion geworden. Natürlich nur gutes Essen, alles vom Feinsten, er konnte es sich auch leisten, als freier Immobilienmakler verdient er genug, nebenbei verfasst er noch Restaurantkritiken, die er für eine führende Zeitschrift, ein Restaurantführer, schreibt.
Das er so etwas macht, wissen alle führenden Gaststätten in seiner Stadt und Umgebung und somit bekommt er immer einen Tisch und auch manchmal ein Gourmet - Mahl erster Klasse umsonst.
So fühlt er sich wohl, er wird anerkannt und das Essen selbst bereitet ihm sehr viel Freude, man kann sagen, sogar sehr viel Lust. Freunde hat er wenige, Freundinnen noch weniger, er fühlt sich unbehaglich, wenn er mit einer Frau länger als ein Essen dauert, zusammen ist.
So geht das schon seit 10 Jahren, seit einer gescheiterten Beziehung.
*Tja*, seufzt er, *es ist schon lange her*.
Langsam steht er auf, geht in das Bad, wäscht sich schnaufend und zieht anschließend seinen Schlafanzug an.Dann legt er sich in sein Bett, klappt seinen Laptop auf und schreibt einen kleinen Bericht über das Restaurant, wo er heute gegessen hat.
Nach einer Stunde schickt er das Schreiben per Mail an die Redaktion, klappt den Laptop zu und macht das Licht aus.
Am nächsten Tag, es ist ein Sonnabend und herrlicher Sonnenschein, da beschließt er, spazieren zu gehen.
Nein, nicht lange, überlegt er, nur bis zu einem kleinen netten Cafe da am See, ich muss da mal wieder hin, hab ja heute keine Termine, also ist es günstig. Er zieht sich an und macht sich auf den Weg.
Es ist eine herrliche Luft und er atmet tief ein und irgendwie bekommt er ein kleines Glücksgefühl, auch schon deshalb, weil er sich auf einen Kaffee und ein schönes Stück Torte freut, natürlich mit viel Sahne.
Im Cafe angekommen, sucht er sich eine sonnige Ecke aus, von wo aus er den See sieht, setzt sich an den Tisch, bestellt sich eine Kirchtorte mit viel Schlagsahne, dazu einen Espresso und als Nachtisch ein Eisbecher mit Schoko und Vanille, natürlich auch mit viel Sahne.
Als seine bestellten Sachen kommen, beginnt er genüsslich zu essen. Er genießt jedes Stück, lässt es langsam in seinem Mund zergehen, trinkt dazu einen kleinen Schluck und schließt beim runterschlucken seine Augen. Mmhh, phantastisch, denkt er, absolut köstlich, was gibt es schöneres...
Als er die Torte aufgegessen hat, tupft er sich mit der Serviette die Mundwinkel ab, faltet sie wieder zusammen, legt sie neben seinem Teller und beginnt, langsam das Eis zu essen.
Als er den Eisbecher zur Hälfte leer hat, erklang plötzlich eine Frauenstimme *Entschuldige, das ich Dich einfach so anspreche, aber Du bist doch der Reinhardt Bauer ?*.
Erstaunt und etwas erzürnt, weil er gerade das Eis so genossen hat, drehte er sich zu der Frauenstimme um und sagte unwirsch *Ja, der bin ich, warum wollen Sie das wissen ?*. Hinter ihm stand eine bildhübsche Frau, lange blonde Haare, zu einem französischen Zopf gebunden, blaue Augen, einen sehr schönen Mund und ein zauberhaftes Lächeln. Durch ihren Anblick etwas verwirrt, fragte er sie freundlich * Kennen wir uns ?*. * Ja, natürlich kennen wir uns, vor 11 Jahren, bei einem Seminar über den deutschen Immobilienmarkt sind wir uns begegnet, ich bin doch die Carola, Carola Zehrmut, die neben Dir gesessen hat* antwortet sie lachend.
* Ja, stimmt, entschuldige, das ich Dich nicht gleich erkannt habe* antwortet er, *willst du Dich nicht hinsetzen und darf ich Dir was bestellen ?*.
*Nein, danke, obwohl, ich hätte gern einen Senseo, wenn Du so lieb wärst..?* fragt sie und sah ihn mit leicht geneigtem Kopf an.
*Ja, selbstverständlich* sagt er und bestellte bei dem Kellner einen Senseo für sie und einen Espresso für sich.
*Schön, Dich mal zu treffen, haben uns ja sehr lange nicht gesehen, obwohl du mir versprochen hast, Dich mal bei mir zu melden* sagte sie und drohte lächelt mit ihrem Zeigefinger.
*Ja, nun* antwortet er, *stimmt, ich habe mich nicht gemeldet, hatte leider kurz danach Probleme mit meiner Frau, danach die Scheidung und nachdem das alles vorbei war, habe ich nicht mehr an Dich gedacht*.
*Oh, das tut mir leid, wirklich* sagte sie darauf, *wenn ich Dich richtig in Erinnerung habe, bist Du doch ein netter, lieber und sympathischer Kerl, woran oder an wem lag es denn ?*.
*Naja * druckste er rum, *wahrscheinlich an mir, war zu lange und zu oft unterwegs und irgendwann hat es einfach nicht mehr gestimmt, ja, jedenfalls, ich bin ihr nicht böse und habe aber auch keine Lust gehabt, um sie zu kämpfen*.
*Ja, verstehe*, antwortet sie, *ich bin auch geschieden, seid 5 Jahren, wahrscheinlich war ich auch zu oft und zu lange unterwegs, gekämpft um meine Beziehung habe ich auch nicht, das gebe ich zu, aber nun ist es vorbei, schwamm drüber, anderes Thema bitte !!* . Sie lachte und er sah sie an und ihm überkam seit langem wieder ein Glücksgefühl, eins, was er seit mindestens 10 Jahren nur noch bei einem sehr guten Essen verspürte.
Sie redeten noch Stunden über viele Themen, aus dem einem Senseo für sie wurden fünf und bei ihm wurden es ebensoviele Espresso. Danach tauschten sie Telefonnummern aus und es gab sogar ein Abschiedsküsschen.
Dann verabredeten sie sich für den nächsten Tag zum Essen, aus dem einen Essen wurden viele und irgendwann zogen sie zusammen.
Seine Interessen verlagerten sich, er hatte keine Zeit mehr für irgendwelche Restaurantkritiken, sie unternahmen viel zusammen, fingen an, Sport zu machen, natürlich nur Sportarten, die man zusammen machen kann, wie Laufen, Tennis, Golf und Badminton.
Irgendwann war er wieder schlank wie vor 10 Jahren und glücklich, einfach nur glücklich.
Einmal dachte er daran, wie er vor einiger Zeit da im Cafe saß und sie traf, darauf nahm er sie in den Arm, drückte und küsste sie und dachte bei sich im stillen,
man soll einfach nie nie sagen und Essen macht nur den Zeitraum lang glücklich, den man braucht, um es runter zu schlucken.

 

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Giuseppe Rinaldi).
Der Beitrag wurde von Giuseppe Rinaldi auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.02.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Giuseppe Rinaldi als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Kleiner Spatz was nun von Karin Rokahr



Ein Gedichtsband über Träume, Sehnsüchte und Hoffnungen einer Verliebten, angereichert mit Momentaufnahmen des alltäglichen Lebens, geschrieben von einer ganz normalen Frau.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Wie das Leben so spielt" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Giuseppe Rinaldi

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Der Killer und die Frau von Giuseppe Rinaldi (Thriller)
Der Rosenstrauß von Uwe Walter (Wie das Leben so spielt)
Am Zebrastreifen von Christa Astl (Wie das Leben so spielt)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen