Eva-Maria Herrmann

Mein erstes Mal

Als ich das erste Mal auf Skiern stand – was dachten Sie denn? – war es gleichzeitig das letzte Mal. Sehen Sie, es ist doch besser, dass ich vom Skifahren spreche.

Aber nun zur Geschichte!
Mein Freund, ein begeisterter Skifahrer, wollte unbedingt, dass ich mich ebenfalls mit dieser Sportart anfreunde. Trotz meines Einwandes, ich wäre wohl eher der Strand-Sonne-Meer- und weniger der Rote Ohren-Winter-Schnee-Typ, besorgte er mir ein paar Ski und Zubehör.

Nun, man soll ja im Leben alles mal versucht haben und Millionen von Skifahren können sich schließlich nicht irren! Ich war also einverstanden und bevor ich mich versah, saßen wir im Auto in Richtung Berge.
Irgendwie schienen die Millionen von Skifahren genau an diesem Tag auf die gleiche Idee gekommen zu sein. 20 km Stau!

Auf meinen leisen Einwand, man könne ja an diesem Sonntag auch in’s Kino gehen, schnaubte mein Freund, angesichts meiner Abenteuerunlust, nur verächtlich. Das bisschen Stau würden wir doch auf einer Pobacke absitzen, meinte er zuversichtlich.
Ich gebrauchte beide und die waren plattgesessen nach drei Stunden.
Ja, und irgendwann freut man sich dann so richtig auf’s Skifahren, endlich raus aus der Karre, endlich Bewegung!
Nach einer halben Stunde Parkplatzsuche war’s dann auch soweit.

Auf dem Weg zum Lift versuchte ich mit meinen Skistiefeln einen eleganten, federnden Gang hinzulegen, was wohl aber eher einem hopsenden Geschlurfe ähnelte.
Vollauf damit beschäftigt meine Ski nicht von den Schultern und die Skimütze nicht über die Augen rutschen zu lassen, gleichzeitig die Handschuhe und die Skistöcke in den Händen zu transportieren, machte ich mir überhaupt keine Gedanken, wie wir nun auf den Berg hinaufkommen sollten.
Bis ich vor der Seilbahn stand!
Die bereits erwähnte Million von Skifahrern mussten sich für diesen Tag alle das gleiche Skigebiet ausgesucht haben, anders konnte ich mir die Schlange vor der Kasse und der Bahn nicht zu erklären.

Aber was soll’s, staugeprüft waren wir ja schon, da war das nur noch eine Kleinigkeit, schließlich handelte es sich hier nicht um zwanzig sondern nur noch um einen Kilometer Gedrängle.
Irgendwann war auch diese Hürde geschafft.
Meine Nase und meine Ohrläppchen hatten mittlerweile schon die Farbe des Glühweins, auf den ich mich jetzt schon freute und meine Zehen...?
Gute Frage, wo waren die abgeblieben?
Spüren konnte ich sie mittlerweile nicht mehr. Während ich mir Gedanken darüber machte, dass ich wohl doch noch ein drittes paar Socken hätte anziehen sollen, setzte sich die Gondel in Bewegung.
Irgendjemand hätte mich darauf vorbereiten sollen, dass dieses Ding so schaukelt, dann hätte ich Tabletten gegen Seekrankheit geschluckt.
Mir war jedenfalls kotzübel als wir endlich oben angekommen waren und der Appetit auf Glühwein war mir wieder vergangen.

Aber die Aussicht war herrlich und hier oben waren irgendwie auch nicht mehr so viele Skifahrer. Wo waren die nur alle hin?
Als die Almhütte in Sicht kam, beantwortete sich meine Frage von selbst.
Gut dass mein Appetit in den nächsten paar Stunden wohl nicht so schnell wiederkehren würde.

Direkt unterhalb der Sonnenterasse fiel ein kleiner Hügel sanft herab und ein Babylift erleichterte das Hinaufkommen.
Da ich meine Ski aber noch geschultert hatte, trabte ich zu Fuß das Hügelchen hinauf, in der Hoffnung, das die Gäste dort oben hinter ihren Sonnenbrillen schliefen.
Irgendwie hatte ich aber das Gefühl, dass mich alle anstarrten.
Fest entschlossen ihnen keine Gelegenheit zum Amüsement zu geben, legte ich zuversichtlich meine Ski ab, rammte die Stöcke gekonnt und selbstsicher in den Schnee und stieg in die Bindung.

Mein Freund hatte nur vergessen mir zu sagen, dass man dies nie mit den Skispitzen in Richtung Abhang machen sollte.
Bevor ich mich versah, gerieten meine Ski in Bewegung und in einer Schussfahrt sauste ich den Berg hinunter. Ohne Skistöcke versteht sich, denn die steckten noch oben, wo auch mein Freund stand und mir zurief, ich solle mich einfach auf meinen Hintern fallen lassen.
Der hatte gut reden, so gut gepolstert war ich da auch nicht.
Irgendwann bremste ein Schneehaufen meine Fahrt, in dem ich dann kopfüber stecken blieb.
Als ich mich wieder befreit hatte und in Richtung Dachterrasse blickte, war ich der Meinung, das vorher nicht so viele Grinser dort gesessen hatten.
Gut! Sollten sie nur grinsen!
Jetzt regte sich mein Ehrgeiz.
Das wäre ja wohl gelacht, wenn ich dass nicht schaffen sollte, was die dreijährigen Kinder konnten, die jetzt alle auf dem Rückweg an mir vorbeisausten.
Ich reckte mein Kinn und winkte bewusst fröhlich meinem Freund zu, der noch immer oben stand und sich wohl meiner schämte.
Da ich diesmal Skier an den Füssen hatte, wollte ich den Babylift benutzen.
Zuerst beobachtete ich die Zwerge um die Funktion desselben zu erforschen.
Kein Problem!
Sagte ja schon der Name: Baby-leicht!
Als ich zwei Minuten später aus der Reihe flog und auf meinem Hintern den Berg wieder hinunterrutschte, war ich davon nicht mehr so überzeugt.
Ungefähr beim fünften Versuch gelangte ich dann so recht und schlecht endlich oben an.
Die Kinder waren mittlerweile verärgert, weil ich den ganzen Verkehr aufhielt und das Gegrinse über mir war, meiner Meinung nach, noch breiter geworden.

Die nächsten vier Stunden waren dann weniger dramatisch, ich lernte Pflug fahren und Bögen schlagen. Nur das mit dem Bremsen hatte ich irgendwie noch nicht so ganz heraus.
Aber wer braucht das schon, schließlich will man ja fahren!
Und Schneehaufen gab es überall!

Mittlerweile war es 16.00 Uhr geworden und wir beschlossen nach Hause zu fahren.
Mein Freund meinte noch besorgt, ich könne ja mit der Gondel hinunterfahren.
Ein Blick auf die Bahn überzeugte mich davon, dass ich genug gelernt hatte, um die Abfahrt zu nehmen.
Welcher Idiot würde schon mit der Seilbahn hinunterfahren, wenn er zwei gesunde Beine und zwei ganze Ski hatte?
Außerdem hatte ich schließlich keine Reisetablette dabei.

Ich bereute meine mutige Tat schon beim Anblick des ersten Hanges.
Ein Bergsteiger hätte sich angeseilt um da sicher hinunter zu gelangen.
So steil kam er mir zumindest vor.
Einfach große Bögen machen, wie gelernt, dachte ich bei mir.
Also ein Bogen nach rechts, dann einer nach links...
“Zuck, zuck, zuck!“
Die kleinen Kinder von oben sausen im Schuss an mir vorbei.

Frustrierend, peinlich, demütigend!

Irgendwann, sehr viel später kam ich dann im Tal an.
Mehr auf meinem Hintern gerutscht als auf den Skiern gefahren, aber zumindest mit heilen Knochen!

Im Auto fragte mich dann mein Freund:
„Und? Hat’s dir gefallen? Wohin fahren wir nächstes Wochenende?“

Alle begeisterten Skifahrer mögen mir hier verzeihen und ich wünsche Ihnen weiterhin viel Spaß und Hals und Beinbruch! EvaEva-Maria Herrmann, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.11.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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