Andreas Rüdig

Die moderne Zofe

Als Zofe bezeichnet man eine Dienerin oder ein Zimmermädchen adeliger Damen. Das Wort stammt von dem nicht mehr gebräuchlichen mitteldeutschen Wort zoffen, was zögern bedeutete. So gab es mit Neuhochdeutschen die Tätigkeit der Zoffmagd („Nachtreterin“ = „der Herrin folgende Magd“), die stets der Herrin zu folgen hatte, um sofort parat zu sein, deren Wünsche zu erfüllen.

Der Beruf Zofe ist eine spezielle Untergruppe der Mägde. Laut Duden bedeutet das mittelhochdeutsche maget Mädchen, Jungfrau, dienendes oder unfreies Mädchen, Dienerin. Stand das mittelhochdeutsche juncfrouwe für ein vornehmes junges Fräulein bzw. eine unverheiratete, vornehme Dienerin, so stand die maget für ein weder freies noch adeliges Mädchen, die einem Ranghöheren diente.

Sag mal, Baldur-Balduin, wann ziehen wir in unser neues Schloß ein?

Nächste Woche Mittwoch, Edwina.

Und wie viele Räume stehen mir dann zur Verfügung?

Nun, zunächst ein Schlafzimmer. Darin einschlossen ist ein eigenes Badezimmer, ein Ankleidezimmer, ein begehbarer Schrank und eine Kammer für deine Zofe.

Oh! Ich habe eine eigene Zofe?

Ja, natürlich. Schau dir doch deine Toilette an. Du brauchst doch morgens schon eine geschlagene Stunde, um ansprechend gekleidet am Frühstückstisch zu erscheinen.

Jetzt übertreibst du aber.

Nein, wirklich, du kannst dich nie entscheiden. Du stehst eine Stunde vor dem Kleiderschrank und kannst dich nicht entscheiden.

Und du meinst, daß mir eine Zofe helfen kann?

Ja, auf jeden Fall. Sie legt dir deine Sachen heraus, die du als nächstes anziehen sollst.

Junge adelige Mädchen wurden zur Ausbildung an die königlichen Höfe gegeben. Dort sollten sie zu Edeldamen geformt werden und wenn möglich dort auch einen zukünftigen Gemahl finden. Solange es allerdings keine passende Partie zum Heiraten gab, lebte die junge Frau entweder in der eigenen FamilieŽŽ oder als Hofdame und Edelmagd, die späte als Zofe oder Kammerjungfrau bezeichnet wurden, an einem fremden Hof.

Sehr geehrter Herr Graf Schusselhausen,

das Bundesinstitut für Schule und Berufsausbildung hat Ihren Vorschlag, die Ausbildung zur Zofe staatlich anzuerkennen und zu regeln, geprüft und ist zu einem positiven Ergebnis gekommen. Ihrem Gedanken folgend werden wir die Themengebiete Körperhygiene, Bekleidungshygiene, Grundkenntnisse der Speisenzubereitung und Gästebewirtung, der Kosmetik und im Friseurwesen behandeln. Der Beruf ist dem Handwerk zugeordnet. Dementsprechend wird es dort auch – wenn gewünscht – eine Abschlußprüfung geben.
Herr Graf Schusselhausen, Sie sind ein Pionier bei der Wiederbelegung des galanten und höfischen Adelwesens. Viel Glück bei Ihrem Projekt.
Ihr
Bundesinstitut für Schule und Berufsausbildung.

Du, Edwina, ich habe heute eine gute Nachricht bekommen. Die Regierung erlaubt uns, eine Zofe auszubilden. Überleg schon mal, wie du sie den ganzen Tag beschäftigen wirst.

Sie wird mir helfen, mir ein kleines Reich einzurichten. Sie wird mir auch helfen, meine Garderobe aufzuwerten. Wichtig ist mir nur, daß sie alt, häßlich und dick ist.

Alt, häßlich und dich? Wieso das denn?

Na ja, mir ist das schon wichtig. Sonst hältst du sie nur von der Arbeit ab.


Um die Tätigkeit und den Stadt einer Zofe zu ergreifen, waren bestimmte Voraussetzungen und Vorbildungen nötig. Dazu zählten treue Ergebenheit und Kenntnisse, die in der elterlichen Erziehung erworben werden mußten.

Außer Schönheit, Anmut und Geschmack in bezug auf Kleidung und Schmuck war ein gewisses Unterhaltungstalent sowie Witz, Verstand und Bildung gefragt. Auch gutes Benehmen, ein würdiges Auftreten und Taktgefühl sowie ein heiteres Wesen, geprägt von Sanftmut, Güte und Bescheidenheit, sollten zu den Tugenden einer Zofe zählen.

Uff, das wäre geschafft. Die neue Zofe wäre gefunden. Xavierine heißt sie. Hinsichtlich ihres Aussehens ist sie eine Granate. Lange blonde Haare, ein riesiger Schmollmund, sanfte Augen, eine riesige Brust, zärtliche Hände, ein einladend breites Becken gehören zu ihrem Erscheinungsbild. Ihre fachlichen Qualifikationen sind allerdings mehr als zweifelhaft. Beim Nähen sticht sie sich in den Finger und beim Kochen läßt sie das Wasser anbrennen. Warum hat Edwina nur Xavierine ausgewählt?

Höflichkeit und Ehrerbietigkeit gegenüber ihrer Herrin war oberstes Gebot. Mit ganzen Herzen und ganzer Seele mußte sie der Gräfin, Herzogin oder Fürstin ergeben und zugetan sein und ihr stets die Wahrheit sagen. Zurückhaltung, keine unpassende, ausgelassene Heiterkeit oder gedankenlose abgedroschene Bemerkungen gehörten ebenso dazu wie die Führung einer angenehmen Konversation.

Eine Zofe hatte ihrer Herrin bei der Morgentoilette zu helfen und diese beim Auswählen und Anlegen von Schmuck und Kleidern zu beraten. Die Bereitstellung des Gedecks bei Tisch, das Auftragen der Speisen, die Bedienung beim Essen waren typische Zofenaufgaben, ebenso wie das Planen und Organisieren von Feierlichkeiten. Helfen beim Nähen von Kleidungsstücken oder Wandhehängen war selbstverständlich.

Oft fungierte die Zofe als Vermittlerin oder Überbringerin von Botschaften und teilweise war ihr auch das Verhandeln mit Händlern und Kaufleuten gestattet. Sie war Gesellschafterin bei Ausritten und auf der Jagd und Begleitung bei Festlichkeiten und auf Reisen. Die jungen adligen Damen lernten auf diese Weise Haushaltsführung und Wirtschaften.

Demgegenüber wies die höfische Herrin ihre Zofe in die geltenden Umgangsformen ein, gewährte ihr freie Kost und Logis und unterlag einer strengen Aufsichtspflicht. Dazu gehörte mitunter, die Zofe vor dem Drängen der Männer zu schützen und sie vor Unüberlegtheiten und Regelbrüchen zu bewahren. Die Zofe war somit das weibliche Ambivalent eines Junkers, wobei sie nicht der Waffenpflicht unterstand.

Die Tätigkeit der Zofe, teilweise auch Kammerzofe genannt, erstreckte sich über die Instandhaltung der Garderobe der Herrin, über Näharbeiten bis hin zum Frisieren. Die Position der Zofe war bei jungen Frauen war in früheren Zeiten sehr gefragt, verband sich doch damit ein gewisser sozialer Status, da sie von jüngeren Angestellten innerhalb des Wohnsitzes oder, da sie die Herrschaft auch begleiten mußte, anderer Häuser als Fräulein Kammerzofe (Nachname) angesprochen werden mußte. Die Arbeitszeit war nahezu unbegrenzt, da erwartet wurde, daß die Zofe auch aufblieb, wenn die Dame ausgegangen war, um ihr bei der Rückkehr aus den Kleidern zu helfen. Dafür begleitete sie die Herrschaft auch auf Reisen und hatten neben Kost und Logis auch noch einen Lohn.

Edwina! Edwina! WO bist du? In deinem Zimmer? Was sind das denn für lustvoll-stöhnende Geräusche? Meine Güte! Edwina und Xavierine liegen nackend im Bett und küssen und streicheln sich. Und ich soll keine Zofe haben dürfen!?

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.03.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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