Giuseppe Rinaldi

Ein trüber Tag

 

 

Es ist ein düsterer regnerischer Tag, der Himmel ist wolkenverhangen, der Regen prasselt auf alles nieder, was sich nicht unter einem Dach befindet, alles und jeder wird durchnässt.
Ein Mann geht durch die glänzenden Strassen, er achtet nicht darauf, ob sich Pfützen auf dem Weg befinden und er hat seinen Kopf zwischen die Schultern gezogen, den Blick auf den Boden gerichtet und er hält einen Monolog:
„Warum, warum bin ich hier ? Was mache ich hier ? Was suche ich hier ? Warum gehe ich zur Arbeit, warum ?? Es würde keinen interessieren, wenn ich nicht da wäre, es ist alles trostlos, öde, grau und langweilig, aufstehen, waschen, anziehen, essen, zur Arbeit gehen, arbeiten, essen, Feierabend, nach Hause gehen, wieder essen, Fernsehen glotzen, waschen, ins Bett gehen und am nächsten Tag wieder dasselbe.“
Er stöhnt leise auf, bleibt kurz stehen, guckt in den grauen Himmel, kneift seine Augen zusammen, als Regentropfen ihn in die Augen treffen, senkt seinen Kopf wieder und geht weiter.
„Keine Frau, keine Kinder, keine Hobbys, keine Freunde habe ich, mir macht nichts Spaß, nichts. Es muss doch irgendwo, irgendwas geben für mich, am besten, ich hau ab, überall ist es besser als hier, es kann gar nicht mehr schlimmer kommen, ich will nicht mehr, ich will das alles nicht mehr“. Er seufzt tief und geht dann in ein Bürohaus.
Aus einer dunklen Ecke des Gebäudes löst sich ein Schatten, dieser Schatten ist dem Mann gefolgt, was der Mann aber nicht weiß, er wird schon seit ein paar Tagen von ihm beobachtet. Nun ist seine Zeit gekommen und er schwebt dem Mann hinterher.
Vor einem Aufzug holt er ihn ein, als die Türen sich öffnen und der Mann den Aufzug betritt, huscht der Schatten mit hinein, die Türen schließen sich.
Nach ein paar Sekunden Fahrt ruckelt der Aufzug, Lichter flackern und er bleibt stehen.
„Nanu“, denkt der Mann, „was ist das?“. Aber ehe er den Notrufknopf drücken kann, hat er das Gefühl, als wenn er in Ohnmacht fällt, er bekommt weiche Knie, hält sich dann am Geländer fest und er schließt seine Augen.
Der Schatten umhüllt ihn mittlerweile vollständig, aber er bekommt es nicht mit.
Plötzlich sieht der Mann Bilder, Bilder von einer Insel, von einem weißen Strand, er verspürt Wärme, hört die Wellen leise rauschen, er riecht das salzige Meer, hört Frauen lachen und ein unheimliches Glücksgefühl erfasst ihn.„Jaaa“, denkt er, „ jaaaaa, ich will dahin, ich will unbedingt dahin, dass ist das, wovon ich träume“ und er fängt an zu wimmern vor Sehnsucht.
Der Schatten um ihn wird dichter, dunkler, schwärzer und dann mit einem mal durchsichtig. Nur noch ein sanftes Flimmern liegt in der Luft, was nach einigen Sekunden vergeht. Der Aufzug ruckt an, die Lichter hören auf zu flackern und die Türen gehen auf. Im Inneren des Aufzuges ist keiner zu sehen, nur für einen kurzen Moment trübt sich das Licht ein, danach ist alles wieder normal, nichts erinnert mehr an den Mann im Aufzug.

In einer tiefen Höhle, Finsternis überall, Tropfen fallen laut klatschend von oben herab, Stöhnen hallt dumpf durch unsichtbaren Gänge, eisige nasse Kälte hüllt alles ein, da steht ein Mann, mit irrem Blick und er schreit, er schreit laut, er schreit solange, bis Schatten kommen, die ihn umhüllen, hochheben und noch tiefer in die Höhle bringen, wo das Stöhnen lauter wird. Sein Schreien wird leiser und es geht in ein Gurgeln über, bis es endgültig verstummt.

Auf der Erde regnet es noch immer und obwohl es düster ist, sieht man, wenn man darauf achtet, ab und zu einen Schatten auf dem nassen Pflaster, meistens hinter einem Menschen, der griesgrämig durch die Pfützen stampft und mit sich und der Welt unzufrieden ist.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.03.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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