Kevin Kaiser

Flucht vor mir Selbst

Mittwoch Morgen um 0.24Uhr, also eher
noch Nacht, aber eigentlich spielt es auch keine Rolle, welche Uhr-
oder Tageszeit wir haben. Eigentlich ist gar nichts wichtig im
Moment, außer vielleicht der Grund warum ich wieder schreibe. Ich
kann meine Gedanken wieder ordnen, was mir seit fünf Tagen nicht
einmal Ansatzweise gelungen ist. Seit fünf Tagen befinde ich mich
auf der Flucht vor meinen Gedanken, meinen Gefühlen und eigentlich
allem was in mir Assoziationen und Erinnerungen wecken könnte. Ich
verlasse täglich meine Heimatstadt und nutzte die Vorteile eines
Schülertickets zu 100% aus. Den Rekord habe ich aber heute
aufgestellt in dem ich es schaffte mich 50km vom Ort meiner Probleme
zu entfernen und das mit öffentlichen Verkehrsmitteln, leider bin
ich immer noch gezwungen an den Ort meiner Probleme bzw. in die Stadt
meiner Probleme jeden Abend zurück zu kehren und jede Nacht kommen
mich die Gedanken holen. Die Träume und Erinnerungen vereinen sich
in meinem Kopf zu einem nicht enden wollenden Brei aus Gefühlen und
keine Ahnung was. Ich kann nicht genau beschreiben was in meinem Kopf
vorgeht, ich weiß nur, dass sie meine Gedanken ziemlich stark
dominiert, sie dominiert die sonst so klaren Strukturen meiner
Gedanken und hinterlässt ein Chaos in das es mir nicht gelingt
Ordnung zubringen.
Eine passende Zeile aus einem passenden
Lied, dass ich die letzten fünf Tage öfters gehört habe, als sonst
kommt in den Kopf. „Ich sitze hier alleine und denk an dich, denk
an nichts anderes, als deine Augen, deine Haare, dein Gesicht.“
Absolut treffend, nur leider beruhen diese Gefühle meiner Ansicht
nach auf Einseitigkeit. Was verbindet uns? Ein Abend? Ein paar
getauschte Küsse, getauschte Umarmungen, Zärtlichkeit hervorgerufen
durch Alkohol..Von ihrer Seite...Wahrscheinlich, doch für mich waren
es die schönsten Minuten seit einer Ewigkeit. Vielleicht ist mein
Leben kalt zu nennen, doch ich habe Worte gesprochen und Gesten
vollführt, die ich vollkommen ernst meinte...Meinte? Nein immer noch
ernst meine, doch ich würde gegen meine eigenen Prinzipien
verstoßen, wenn ich weiter auf Erfüllung meiner Sehnsucht
hinarbeiten würde. Es war unser Abend, doch in Wahrheit ist sie an
der Seite eines Anderen und dieser Andere bin momentan nicht ich.
Vielleicht werde ich es nie sein, ich versprach auf sie zu warten und
bekam die Erwiderung, dass nicht klar sei, wie lange ich warten
müsse, doch ich bin bereit zu warten, denn für mich waren die Worte
ernst, aber für sie? Ich weiß es nicht und ich hasse es zur
Passivität verdammt zu sein. Normalerweise habe ich gerne die
Kontrolle über mich selbst und meine Situation, doch in diesem
Moment wird mir bewusst, dass ich diesen Zwang nach Kontrolle zum
ersten Mal bewusst aufgeben muss, wenn ich irgendwann zu meinem Ziel
kommen möchte. Ich muss warten und vielleicht wird irgendwann meine
Zeit an ihrer Seite kommen, doch bis dahin bin ich gezwungen zu
warten, so lange ich nicht meine eigenen Prinzipien verletzten will.
Wir müssen uns Zeit für die Liebe
nehmen, sonst wird die Zeit uns die Liebe nehmen und manchmal muss
man Gefühlen eine Pause gönnen, sonst wird die dauernde Aktivität
und das dauernde Aufwühlen dieser Gedanken uns die Schönheit daran
nehmen. Der Weg ist das Ziel, doch der Weg kann auch das eigentlich
Ziel nur noch zu einer Farce mit fadem Beigeschmack werden lassen,
schließlich kann man all seine Ambitionen in etwas investieren und
merken, dass man das auf das man hinarbeitet eigentlich gar nicht
mehr haben möchte, da es irgendwann im dauernden Prozess des
Verarbeitens seinen Wert für einen verloren hat. Mir fällt der
Spruch nicht mehr genau ein, doch heißt es nicht, man müsse das,
was man liebe ziehen lassen, damit es irgendwann zu einem zurück
kommen könnte.
Vielleicht kommt die Liebe in dieser,
meiner Ansicht nach, kalten Welt irgendwann zu jeder Person, auch
wenn es nur für wenige Augenblicke ist, doch das wichtigste ist der
Augenblick, denn unser Leben besteht nur aus einer Anhäufung und
Abfolge von Augenblicken.
Vielleicht sollte man mehr Zeit darauf
verschwenden diese Augenblicke zu schätzen und zu erkennen, dass das
Leben eigentlich zu kurz ist, um es mit traurig sein zu verschwenden.
Doch gleichzeitig verdient jedes Gefühl im Leben seine eigene Zeit
und man muss selbst wissen, wie lange diese Zeit sein muss, doch darf
man dabei nicht vergessen, dass es auch noch andere Gefühle gibt.
Manchmal glaube ich, dass ich mir
selbst meine Welt nur in grauen Farben male, weil ich Angst vor
Veränderung habe und Angst davor habe, dass eintreten könnte, was
ich mir wünsche. Möglicherweise lege ich auch Züge von
Depressionen an den Tag, doch Schreiben ist mit Sicherheit mein
Antidepressivum und meine Medizin um meine Sehnsucht zu schildern und
für den Augenblick zu befriedigen.



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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.04.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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