Petra Virbinskis

das Fest der Tränen

“ Petra... Telefon!“
Hörte sie die Stimme ihrer Cheffin vom Büro aus in den Verkaufsraum erschallen. Petra, die gerade damit beschäftigt war, den Fleischtresen gründlich zu reinigen, ließ den Wischlappen in den Eimer gleiten, wischte sich die Hände an ihrer rotkarierten Schürze trocken und ging mit eiligem Schritt in Richtung Büro.
Es war Heiligabend und die Schlachterei, in der Petra lernte, wurde wie jeden Samstag und jeden Feiertag um12 Uhr Mittags geschlossen. Aber da war ja noch das leidige Putzen, daß mindestens 2 volle Stunden in Anspruch nahm, denn immerhin lagen ja zwei volle Tage, in denen das Geschäft geschlossen war, vor ihnen.

Heiligabend! Heute Abend würde Petra zu ihrer Mutter gehen, um mit ihren Geschwistern und ihrer Mutter ein besinnliches Fest in Frieden und Harmonie, unter dem Tannenbaum zu verbringen. Sie freute sich darauf, denn so ganz allein mit ihren zwei Katzen, die ohnehin schon den Minitannenbaum mitsamt den Kugeln ruiniert hatten, war es kein richtiges Weihnachtsfest. Umsomehr überraschte es sie, daß Jemand für sie im Geschäft anrufte, aber vielleicht sollte sie ja der Mutter noch etwas mitbringen, was Diese vergessen hatte?

“ja?“, hörte Petra sich in den Telefonhörer sprechen.
“Komm nicht nach Hause!!! Komm nur nicht nach Hause!!!“ schrie Petras Mutter fast in den Hörer.
“Was ist denn los“, wollte Petra wissen... “WAS IST LOS???“
“Dein Stiefvater steht mit einer Pistole vor der Tür und will mich umbringen“
“WAS??? WAS SAGST DU DA???“

Petra konnte kaum glauben, was die Mutter ihr erzählte und Angst um ihre Mutter und ihre kleineren Geschwister drohte ihr die Kehle zuzuschnüren.
“Ruf sofort die Polizei an. Ich komme sofort nach Hause!“
“Nein!“schrie die Mutter ins Telefon. “Bleib wo du bist!!“
Petra legte verstört den Hörer auf die Gabel und lief zur Cheffin.
“Bitte, kann ich schon gehen? Bei uns zu Hause ist etwas Schreckliches passiert“, fragte Petra mit tränenerstickter Stimme.

“Mach erst einmal deine Arbeit fertig, wir sind ja eh gleich alle soweit und dann kannst du gehen“, bekam sie zur Antwort.
In diesem Moment hasste sie ihre Cheffin und Wut über ihren Stiesfvater machte sich breit. Sie putzte, wie sie noch nie in ihrem Leben zuvor geputzt hatte und war schneller weg, als sich alle Anwesenden noch ein frohes Weihnachtsfest haben wünschen können.
Sie lief förmlich nach Hause zu ihrer Mutter und Seitenstiche bohrten sich durch die eine Körperhälfte. Immer wieder hämmerte es in ihrem Schädel....

“Mama, bitte, bitte, Mama... laß dir nichts passiert sein! Bitte lieber Gott, mach daß meiner Mutter und meinen Geschwistern nichts passiert ist. Bitte, bitte!“

Endlich bog sie in die kleine Seitenstraße ein und lief schnurstracks auf den großen Parkplatz zu, der sich vor dem großen Hochhaus befand. Von Weitem konnte sie erkennen, wie drei Männer aus dem Eingang kamen, in dem auch sie früher einmal gewohnt hatte. Sie erkannte zwei Polizisten, die in ihrer Mitte einen Mann in Handschellen abführten... - Ihren Stiefvater.
Mit festen Schritten ging sie auf die Männer zu und spürte nur noch abgrundtiefe Verachtung für den Mann, der ihre Mutter schon mehrfach mißhandelte, für den Mann, der ihre Mutter mit einem Stromkabel erdrosseln wollte und der heute mit einer Pistole vor ihrer Mutter stand, um die Frau, die er ja angeblich so liebte einfach abzuknallen.

“Du Schwein!“
war alles, was sie ihm voller Hass entgegenbrachte und ohne sich auch nur noch einmal umzusehen, lief sie den Weg bis zum Eingang und schloß mit zittrigen Händen die Haustür auf. Normalerweise nahm sie den Fahrstuhl um in den zweiten Stock zu kommen, doch heute flog sie nur so die Treppen rauf. Oben angelangt klingelte sie Sturm und ihre Schwester machte ihr mit verheultem Gesicht die Tür auf... Die Mittlere knallrot von vielen Weinen und die Angst war noch deutlich in den erst zehnjährigen, großen, dunklen Kinderaugen zu erkennen. In der Stube saß die Mutter in dem Sessel und wiegte die erst fünfjährige kleine Schwester, die sich immer noch nicht beruhigen konnte, hin und her. Alle vier fielen sich weinend und schluchzend in die Arme...
In den Knochen die Angst und gleichzeitig sie Erleichterung darüber, daß Alles doch noch glimpflich abgelaufen ist. Rechte Weihnachtsstimmung jedoch kam nicht auf, in Petras Leben nie wieder.
Für sie ist es das Fest der Tränen...

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