Klaus-Peter Behrens

Artefaktmagie Teil 7 (vorläufiger Titel)

 

Michaels Herz flatterte vor Schreck wie ein Vogel in einem zu engen Käfig, als er sich hektisch abmühte, den störrischen Fensterladen heranzuziehen, während mit entsprechender Verzögerung der Donner durch das Tal rollte. Er schätzte, daß der Unbekannte trotz des Sturms höchstens ein paar Sekunden brauchen würde, um den Hof zu überqueren, und was dann passieren konnte, wollte er sich lieber nicht vorstellen.

Grenzenlose Erleichterung erfaßte ihn daher, als es ihm endlich gelang, den inneren Riegel umzulegen. Dann erst flutete das eben Erlebte wie eine Brandungswelle über ihn hinweg und ließ seine Beine zittrig werden.

Hatte er dort draußen wirklich einen Fremden gesehen, der in die Schatten der Scheune geflohen war?

Oder hatte ihm das Blitzlicht nur einen Streich gespielt, und die Erlebnisse des Vortages hatten seine Phantasie beflügelt?

Michael war sich plötzlich nicht mehr so sicher.

Immerhin hatte die Gestalt auf ihn seltsam gedrungen gewirkt, fast wie eine der gebeugten Steinfiguren auf den Kirchturmsimsen von Notre Dame. Schon das sprach dafür, daß alles nur ein Ausbund seiner überstrapazierten Nerven war.

Ein leises Knurren ließ ihn herumfahren. Sammy war herangekommen und knurrte in Richtung des Fensterladens, allerdings eher halbherzig, als ob er Angst hätte.

"Mist!"

Michael schluckte den Kloß, der sich vor Aufregung in seinem Hals gebildet hatte, hinunter. Langsam trat er von dem Küchenfenster zurück. Vielleicht hatten ihn seine Augen doch nicht getäuscht, und nun war irgend jemand dort draußen, der da nicht hin gehörte. Das klang nicht nach einer gemütlichen Nacht.

Was sollte er nun tun?

Tante Betty aufwecken?

Die könnte im Zweifel auch nichts ausrichten.

Und was sollte er ihr erzählen?

Daß er glaube, für einen Sekundenbruchteil im strömenden Regen auf der anderen Seite des Hofes in den Schatten jemanden gesehen zu haben, der einem Wasserspeier auf Notre Dame ähnelte? Er vermutete, daß Tante Betty ihm kaum Glauben schenken würde. Seiner Erfahrung nach, neigten Erwachsene selten dazu, Wahrnehmungen ihrer Kinder ernst zu nehmen, es sei denn, man konnte mit einer ganzen Armee von Zeugen oder zumindest einem Foto als Beweismittel aufwarten. Er hatte nur Sammy, und der war als Beweismittel denkbar ungeeignet.

Im Übrigen befürchtete er, daß seine Tante ihm kaum noch erlauben würde, alleine unterwegs zu sein, wenn er sie ängstigen sollte, und das waren keine verlockenden Aussichten. Also mußte er da alleine durch.

Sein Blick fiel auf den Küchentisch, auf dem noch immer das Beil lag, mit dem Tante Betty am Abend zuvor ein wenig Holz für den Kamin gehackt hatte. Eilig nahm Michael das schwere, rasiermesserscharfe Arbeitsgerät vom Tisch. Jetzt fühlte er sich nicht mehr ganz so wehrlos. Ein verbissenes Lächeln trat auf seine Lippen, als ihm klar wurde, daß er allmählich begann, sich wie ein gejagtes Tier zu verhalten.

"Na dann, zumindest ist es hier nicht langweilig", murmelte er während er sich zur Treppe hin zurückzog, das Beil fest in beiden Händen haltend. Aufmerksam lauschte er auf verdächtige Geräusche, aber da war nichts, außer dem Heulen des Windes und dem ständigen Prasseln des Regens. Auch Sammy hatte aufgehört zu knurren und saß nun neben ihm am Fuß der Treppe, wobei er das Beil in Michaels Händen mißtrauisch beäugte. Den beruhigte zwar der Umstand ein wenig, daß der Hund aufgehört hatte zu knurren, andererseits hatte Sammy aber auch nicht angeschlagen, als der Unbekannte auf dem Hof gewesen war. Michael verließ sich daher lieber nicht zu sehr auf den Instinkt des Hundes.

Leise schlich er die Treppe zu seinem Zimmer hinauf, um von dort einen Blick auf den Hof zu werfen. Vorsichtig spähte er seitlich durch die Gardinen, um nicht von draußen gesehen zu werden.

Dunkel und verlassen lag der Hof unter ihm. Große Pfützen hatten sich auf dem kiesbestreuten Hof gebildet, in denen sich andeutungsweise die dunkle Masse des Hauses widerspiegelte. Sein Blick glitt weiter zu den Bäumen des nahen Waldes, die sich unter der Windlast zum Haus hinüber bogen, als wollten sie mit ihren langen Ästen nach ihm greifen. Nur von dem Unbekannten war weit und breit keine Spur zu entdecken.

Trotzdem war Michael überzeugt davon, daß die Gefahr noch lange nicht vorüber war. Die Schatten bei der Scheune erschienen ihm dazu ein wenig zu dunkel, und er konnte sich des Gefühls nicht erwehren, als hätte sich etwas in den Schutz dieser Finsternis zurückgezogen und würde nur auf eine neue Gelegenheit warten, um in dieses Haus zu gelangen.

Aber warum?

Michael konnte sich keinen Reim darauf machen. Das Haus war zwar ganz nett eingerichtet, allerdings wirkte es auch nicht so, als ob seine Tante hier Reichtümer horten würde.

Welches Interesse konnte dieser unheimliche Fremde dann an diesem Haus haben?

Michael wußte es nicht, aber er beschloß, es herauszufinden.

Nachdem ihm aber selbst eine weitere Stunde intensiven Spähens keine neuen Erkenntnisse gebracht hatte, redete er sich ein, daß der Unbekannte es zumindest für diese Nacht aufgegeben hatte. Übermüdet aber noch immer angespannt legte er sich wieder ins Bett, das Beil griffbereit, allerdings nicht ohne zuvor seine Tür sorgfältig abgeschlossen zu haben. Eine Weile lauschte er noch wachsam dem stetigen Prasseln des Regens, dann übermannte ihn die Müdigkeit, und er fiel in einen tiefen Schlaf.

 

Einen Augenblick später löste sich eine düstere Gestalt aus dem Schatten der verfallenen Scheune. Ein haßerfülltes Grollen erklang unter der tief ins Gesicht gezogenen Kapuze. Dann glitt das Wesen mit einem seltsam schleppenden Gang zum Wald hinüber. Am Waldrand blieb es noch einmal stehen und warf einen letzten Blick zurück. Es wußte, daß es für heute verloren hatte, aber es würde wiederkommen.

Bald.

Die Zeit lief ihm davon, denn es gab noch sie, die ebenfalls auf der Jagd war. Das Wesen hatte sie am Vorabend im Wald gespürt. Sie war in der Nähe des Hofes gewesen und von dem Hund aufgescheucht worden. Also mußte es sich etwas einfallen lassen und das bald, oder sie würde ihm zuvorkommen. Mit einem Fluchen verschmolz es mit den Schatten des Waldes.


In der nächsten Episode wird Michael sich mit dem unheimlichen Besucher auseinandersetzen müssen, und dabei bekommt er unerwartet Hilfe..........

Wenn Euch interessiert, wer das sein könnte, dann schaut doch so in etwa 3 Wochen hier wieder herein. Bis dahin freue ich mich über Eure Kommentare.

Euer

Klaus

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.05.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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