Andreas Rüdig

Freie Liebe

Die freie Liebe definiert Liebe und Sexualität als natürliche seelische und körperliche Bedürfnisse, die frei von gesellschaftlichem Druck und Zwängen gelebt werden sollen.

Dazu gehört, dass Beziehungen ausschließlich und partnerschaftlich von den an ihnen Beteiligten definiert werden und ansonsten keinen Vorgaben unterliegen, was etwa die Dauer, die Anzahl der Beteiligten und die Stärke betrifft. Herkömmliche Liebeskonzepte wie die Ehe werden als besitzergreifend, ökonomisch begründet und unfrei kritisiert. Geschichtlich gibt es eine Entwicklung von ursprünglich eher freie Sexualität zu heute eher freie Liebe.

Dieser Artikel stellt den Begriff Freie Liebe im Wesentlichen in seiner Verwendung seit den 1960er Jahren dar und wie er von modernen Anhängern Wilhelm Reichs und manchen Vertretern der Kommunebewegung, wie der AAO, verwendet wird. Dem voraus gehen historischen Entwicklung seit der Antike und insbesondere aus der feministischen Bewegung seit Mitte des 19. Jahrhunderts, welche die Ehe als Institution kritisierte, und Liebesbeziehungen ohne Einmischung des Staates vertrat.

Befürworter

Theoretisch hat Wilhelm Reich mit seiner Analyse der von ihm so bezeichneten sexuellen Zwangsmoral und seinen Schriften zur sexuellen Revolution zur Idee der freien Liebe ebenso beigetragen wie Herbert Marcuse, der sich für freie Ausübung der Sexualität und – damit verbunden – einer Auflösung der Kleinfamilie aussprach.

Marcuse und Reich beeinflussten wesentlich die Sexuelle Revolution und die Hippie-Bewegung, die sich selbst auch als love generation bezeichnete und mit dem Slogan Make love - not war unter anderem gegen die etablierten gesellschaftlichen Normen protestierte. Diese Forderungen nach freier Liebe stießen auf zeitgleich stattfindende Liberalisierungen der gesellschaftlichen Realität, die in der Sexwelle - also der Sexualisierung größerer Lebensbereiche und in der Kommerzialisierung sexueller und körperlicher Bedürfnisse – ihren Ausdruck fanden und nur teilweise mit der ursprünglichen Forderung nach freier Liebe als Ausdruck der Gesamtpersönlichkeit und freier Liebe als Protest gegen sexuelle und gesellschaftliche Beschränkungen harmonierten.

Bereits der Frühsozialist Charles Fourier (1772 - 1836) propagierte Gemeinschaften (Phalanstères), in denen Menschen gemeinsam leben und arbeiten sollten, unter anderem motiviert und zusammengehalten durch die freie Liebe. Über die Gemeinschaften hinaus bedeutet Freie Liebe im Sinne Fouriers jedoch auch die uneingeschränkte Entscheidung für jede Art von Partnerschaft und schließt damit auch Zweierbeziehungen usw. ein.

Befürworter des Konzepts freier Liebe führen an, sie hätten die Spontaneität menschlicher Liebe und Sexualität endlich von den Zwängen einer bürgerlich und religiös definierten Ehe und Moral befreit. Liebe sei das, was Spaß mache und Lust bereite, unabhängig von den dabei angewandten Mitteln und Wegen der sexuellen Bedürfnisbefriedigung.

Themen wie vorehelicher Geschlechtsverkehr, wilde Ehen, gemischte Wohngemeinschaften, Homosexualität, Fremdgehen, Ehescheidungen wurden zu einem gewissen Grad durch die sich zunehmend durchsetzende Idee der sexuellen Selbstbestimmung in der Gesellschaft und Gesetzgebung enttabuisiert.

In den Organisationen ZEGG, Tamera und assoziierten Gruppen wird – auch durch den Einfluss von Dieter Duhm und Sabine Lichtenfels – Freie Liebe stärker von Freier Sexualität getrennt, um die es in der Vergangenheit eigentlich gegangen sei und die in der Regel wieder zum Rückfall in überwunden geglaubte Kleinfamilienstrukturen geführt habe. Liebe wird per se als frei beschrieben, sonst sei sie keine. Zwar hat Freie Liebe eine freiheitliche Sexualität zur Folge, aber es geht immer um den ganzen Menschen, nicht ausschließlich um die Lustbefriedigung, und insoweit um die persönliche und spirituelle Weiterentwicklung. Modellhaft wird dies nach Ansicht ihrer Mitglieder in Gemeinschaften wie ZEGG und Tamera gelebt. Während solche Gemeinschaften tief verschüttete Sehnsüchte und Bedürfnisse nicht nur nach Sexualität und Körperlichkeit, sondern auch Gemeinschaft, Geborgenheit und Nähe ansprechen, werden ZEGG und Tamera jedoch auch von Kritikern in Frage gestellt, teils wegen der (von Befürwortern des ZEGG abgelehnten) Einordnung der Aktionsanalytischen Organisation von Otto Muehl als Vorläuferprojekt, dem Dieter Duhm früher angehörte, teils wegen erheblicher Bedenken über die Techniken, mit denen Gemeinschaft hergestellt wird. Teilweise werden sektiererische oder kulthafte Tendenzen vermutet, z.B. aufgrund der dominanten Führungsrolle von Personen wie Duhm und Lichtenfels oder einer gewissen Vermischung von politischen und spirituellen Ideen. Die Entscheidungsstrukturen in den Gemeinschaften beruhen nach deren Darstellung auf dem Konsensprinzip.

Demgegenüber bildet die Polyamory-Bewegung heute eine Art Subkultur ähnlich jener der bisexuell orientierten Menschen. Auf den Anspruch, dass eine nicht monogame Beziehungsform besser sei als die traditionelle, wird in aller Regel verzichtet.

Luthertum

Lutherische Theologie kann nicht an den „Biblische(n) Grundlagen“ vorbei. Denn es „bleibt allein die Heilige Schrift der einzige Richter und die einzige Regel und Richtschnur (iudex, norma et regula), nach der […] alle Lehren gemessen und beurteilt werden sollen und müssen, ob sie gut oder böse, richtig oder unrichtig sind“. Die Bekenntnisschriften stellen daher auch folgendes fest:

Die Ehe sei göttlichen Rechts. D.h. sie beruhe auf einem Gebot Gottes, sie sei eine gute, gottgewollte Schöpfungsordnung. Es handele sich um ein Naturrecht, das nicht aufhebbar sei. Nach dem Willen Gottes sei die Ehe ein lebenslanger Bund, der nicht aufgelöst werden solle. Ferner solle es keinen Ehebruch und Unkeuschheit geben, wozu die Freie Liebe ja führen kann. Da Ehebruch und Scheidung aber vorkämen, müsse dem unschuldigen Partner gestattet werden, wieder zu heiraten. Das aber ist nicht gleichbedeutend mit Freier Liebe. Freie Liebe erlaubt überhaupt das, was Bibel und Luthertum als Ehebruch ansehen. Daher ist sie insgesamt aus lutherischer Sicht abzulehnen.

Katholizismus

Durch den Sündenfall sei es zwar dazu gekommen, dass die „vom Schöpfer geschenkte Zuneigung“ von Mann und Frau z.T. pervertiert worden sei. Doch im Katholizismus gilt die Ehe prinzipiell als unauflöslich. Sie sei von Gott gestiftet. Er selbst besiegele das Eheband. Ehe bedeute für die Partner ein Herz und eine Seele werden und fordere die Bereitschaft, sich ganz an seinen Partner hinzugeben. Polygamie widerspreche dieser ehelichen Liebe. Diese verlange unverletzliche Treue, welche durch das Sakrament der Ehe möglich werde[5]. Freie Liebe ist folglich nicht mit dem Katholizismus zu vereinbaren.

Anthropologie

Von Anthropologen wird eingewandt, dass die menschliche Freiheit nicht unbegrenzt sei und auch die menschliche Sexualität eine Zielbestimmtheit (Finalität) aufweise, die nicht willkürlich umdefiniert werden könne. Freie Liebe mache die Person des Sexualpartners zum Objekt der Befriedigung, was der menschlichen Würde widerspreche. Die Kehrseite der in der so genannten „freien Liebe“ intendierten Auflösung der Kleinfamilien seien zerrüttete Ehen und Familien, ohne andere Möglichkeiten eines solidarischen Miteinander zu finden.

Als immanente Kritik der freien Liebe wird angeführt, dass entweder unmittelbar bei ihrem Vollzug oder erst im Nachhinein eine Ernüchterung (Desillusionierung) eintreten kann. Die rein sinnlichen Werte im Sinn des Hedonismus werden dabei als ungenügend für das eigene Leben empfunden. Das Resultat kann entweder der völlige Absturz in den Nihilismus oder die Verzweiflung sein oder aber auch eine Zuwendung zu personalen Werten und sinnstiftenden Elementen, wie der Ästhetik, dem selbstlosen Einsatz für die Mitmenschen sowie der Religion.

Aus anderer Perspektive wird die einseitige Reduzierung auf Sexualität kritisiert, Liebe – freie wie „konventionelle“ - umfasse weitaus mehr, und Liebe könne auch ohne jede Art von Sexualität stattfinden.


Bewegungen wie Flower Power trugen dazu bei, dass viele Ideen der freien Liebe sich in der Gesellschaft etablierten.

Als Gegenstück einer „freien Liebe“ gilt eine ausschließlich an ein Eheversprechen gebundene Sexualität oder der Verzicht auf Sexualität und Partnerschaft. Obwohl die Zahl der Eheschließungen in Deutschland bereits wieder zunimmt, gilt es als normal, zuvor ohne Trauschein zusammen zu leben und zuvor mit wechselnden Partnern sexuell zu verkehren.

Menschen, die dies nicht tun, sondern jede gelebte Sexualität außerhalb der Ehe – damit auch die „freie Liebe“ – negativ (z.B. als Unzucht) bewerten, stellen laut den Befürwortern des Konzepts der "Freien Liebe" gesellschaftlich eine Minderheit dar. Es fehlen allerdings soziologisch repräsentative Untersuchungen.

Der Staat geht z.B. mit seiner Anti-AIDS-Werbung „Machs mit“ von einer Gesellschaft aus, in der die Sexualität mit wechselnden Partnern stattfindet und auch stattfinden darf.

Parallel versucht er mit finanziellen Anreizen, die Kleinfamilie zu fördern. Staatliche Nutzenerwägungen können insbesondere den Erhalt einer gesunden Altersstruktur der Gesellschaft berücksichtigen, die man sich vom Erhalt der Kleinfamilie verspricht.

 

Herr Rüttenscheidt-Pumppelmus, bei uns in Klein-Spargeldort gehörten Sie in den 1960er Jahren zu den Vorreitern der `68er- Bewegung.

Stimmt. Ich war damals ja selbst Student. Ich studiert zu der Zeit Philosophie, Soziologie und Politische Wissenschaften an der Niederrheinischen Universität in Duisburg.

Und da hatten Sie Streit mit Ihrem Professor? Er behandelt Sie ungerecht, gab Ihnen schlechte Noten und wollte Ihnen die Freundin ausspannen?

Nein. Wie kommen Sie auf diesen Blödsinn?

Oh, Entschuldigung. Ich glaube, meine Phantasie ist mit mir durchgegangen. Was ist wirklich passiert?

Ich hatte Ärger mit meinen Eltern. Sie waren gute, brave Menschen...

                                                                                                           ...äh, sie waren?

           ...ja, sie sind leider schon tot. Stockkonservativ und katholischer als der Papst waren sie. Sie mochten meine Freundin nicht. Yvette war damals eine Punkerin, die zu der Zeit Kunst und Musik studierte. Stellen Sie sich einfach nur ihr Aussehen vor: Orangefarbener Irokesenschnitt, Ring in der Nase, eine riesige Büroklammer in der Unterlippe und eine überdimensionierte Nähnadel in jedem Ohrläppchen. Irgewann Ende `67 ist es dann zum großen, finalen Krach mit meinen Eltern gekommen.

Was wollten ihre Eltern? Was sollten Sie machen?

Ich sollte mich von Yvette trennen! Von der Liebe meines Lebens! Von der schönsten und besten Frau auf Erden!

Da haben Sie beschlossen, Vielweiberei in einem Harem zu betreiben?`

Nein, nicht unbedingt. Ich war auf den monatlichen Wechsel meiner Eltern angewiesen. Also trennte ich mich pro forma von Yvette und zog in meine eigene Wohnung. Für Yvette war dies sehr unangenehm.

Wieso?

Naja, ich konnte sie zwar jeden Tag besuchen kommen, ihr aber nicht mehr die Wohnung bezahlen. Also suchte sie sich Untermieter. Dummerweise zogen nur junge Frauen in die Wohngemeinschaft ein. Dumm daran auch: Es waren alles hübsche Damen.

Und Sie verliebten sich in diese Damen?

Ja, in jede einzeln.

Und Sie machten Liebe mit allen?

Ja, natürlich.

Und Yvette weiß davon.

Ja, natürlich.

Und warum.

Sie behauptete, ich hätte wenig, zu wenig Erfahrung. Wenn ich Mitbewohnerinnen genieße, mich sozusagen menschlich und sexuell weiterbilde, wäre ich am besten auf ein Leben mit ihr vorbereitet.

Wie meinen Sie das?

Wie hatten damals vor, zuerst unser Studium erfolgreich zu beenden und dann zu heiraten.

Und? Hat es geklappt?

In gewisser Weise schon. Yvettes Mitbewohnerinnen waren alle Mitstudentinnen, die gleichfalls Musik studierten. Heute sind wir eine erfolgreiche Musikgruppe. Wie soll ich sagen - ich bin das Schutzschild, das die Mädel vor ihren Fans bewahrt. Wir ein Fan zu aufdringlich, weise ich ihn ab. Haben die Mädels nach dem Konzert Lust auf hemmungslose körperliche Liebe, können sie auf mich zurückgreifen.

Sind Sie denn verheiratet?

Ich habe mich nie richtig entscheiden können. Heirat hört sich so kitschig bürgerlich und nach Steuern sparen an. Mit Yvette habe ich einen geistigen Bund für`s Leben geschlossen. Mit den drei anderen Mädels habe ich einen Freundschafts- und Liebesvertrag geschlossen. So kann ich jede von ihnen genießen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.

Und Yvette - darf sie auch andere Herren beglücken?

Um Gottes Willen - das würde der Beglückte nicht überleben.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.05.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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