Marco Mann

Die Reiter Sfawnirs Teil 2

Es war ein schlechter Tag. Graue Wolken zogen über den Himmel und ein leichter Nieselregen setzte ein. Und noch immer konnte ich den Dunst von verbranntem Holz riechen. Unweit von mir ging mit schleppenden Schritten ein alter Mann. So grau wie die Wolken am Himmel waren seine Kleider. Ein Schlapphut tief ins Gesicht gezogen und ein weiter Mantel der alle körperlichen Konturen verbarg und ihm bis zu den Schienbeinen reichte, ließen ihn aufgrund des Wetters fast mit seiner Umgebung verschmelzen. Gebeugt und mit zittrigem Arm stützte er sich schwer auf einen knorrigen Holzstab, der mit ungewöhnlichen Schnitzereien versehen war. Nur seine Augen störten sein unscheinbares Äußeres. Hellblaue Augen, so eisig kalt und stechend, dass immer wenn ich in seine Augen sah das Gefühl hatte ,dass er tief in meine Seele blickt, jeden meiner Gedanken liest, ein Blick der mich überall erschaudern ließ. Ohne ihn zu leben kann ich mir nicht vorstellen. Denn er ist ein Teil meines Lebens. Ohne ihn würde meine Seele zerbröckeln, mein Herz zerspringen, mein Leben vergehen. Ich liebte ihn. So wie ein Sohn seinen Vater liebt, wie ein Geistlicher seinen Gott. Und so zogen wir weiter. Hinter uns die Ruinen eines Dorfes, neben uns, ob zu meiner rechten oder linken Seite, kahle Felswände dessen Gestein durch den Lauf der Zeit und der Witterung so glatt georden waren, dass kein sterbliches Wesen sie je erklimmen könnte. Und vor uns lag ein Weg der aus Kindern Erwachsene machte und aus Hoffnungen Entsetzen gebar.

Ein Weg der beschritten werden musste damit ein alter Mann erlöst, ein junger Mann befreit und die Welt gerettet werden konnte.

Habe ich eigentlich schon erwähnt wieso ich euch dies erzähle?

Nein?

Weil ich der einzige bin, der die Wahrheit kennt und der einzige der sie niederschreiben konnte, bevor die Zeit, der schlimmste Feind aller Geschöpfe, seinen Tribut forderte.

Genannt werde ich Schattenfell und mein Gefährte, der alte Mann trägt den Namen Questro.

Es war Herbst als wir uns aufmachten den Spuren der Reiter Sfawnirs zu folgen. Die Reiter Sfawnirs waren die schlimmsten Dämonen von denen ich je gehört hatte. Sie waren nämlich nicht nur fähig zu hassen, zu betrügen oder zu zerstören, sondern auch zu lieben. Glaubt mir die Liebe ist mächtig und in den Händen der Reiter eine schreckliche Waffe. Die Liebe als Waffe zu benutzen empfinde ich als Sakrileg und dies will ich versuchen zu verhindern. Genau deswegen bin ich wie der alte Mann auf der Suche nach ihnen um Vergeltung zu üben.

Vergeltung für zerfetzte Herzen, für zerrissene Familien und zerstörte Leben. Questros Ziel war eine kleine Bergstadt, nicht unweit meines Geburtsortes Donâmus. Noch meilenweit von der Stadt entfernt wurden die Zeichen einer Zivilisation sichtbar. Baumstümpfe ragten in den Himmel und brackiges Wasser floss träge in kleinen Bächen und Flüssen dahin und die Pfeifkonzerte übermütiger Vogelkolonien, die lautstark beratschlagten wer den nun als erstes den Störenfried attackierte und verscheuchte, verebbte langsam. Laut keuchte sein Pferd.

Schaum befleckte das Maul des Pferdes und die blutunterlaufenen Augen schienen gar nicht mehr aufhören zu tränen.

 „Bald mein alter Kerl, bald sind wir am Ziel“ flüsterte Questro und gab seinem Pferd die Sporen. Mit einem keuchendem Wiehern und einem sehr lautem rasselnden Atemzug wurde das Pferd schneller. Auch wenn es nicht grade sehr deutlich war.

Einst war dieses Pferd eines der stärksten und edelsten seiner Rasse, viele Schlachten hat es überlebt und ist immer als Sieger vom Schlachtfeld galoppiert. Doch nun mit mattem Fell und stark hervortretenden Rippen war es nur ein Schatten seiner selbst. Nur noch der Wille seinem Reiter einen letzten Dienst zu erweisen, hielt das stolze Pferd auf den Beinen.

Trotz der Schwäche des Gaules hatte ich meine Schwierigkeiten ihnen zu folgen.

Verfluchte Reiter Sfawnirs…!

Ich schüttelte meinen mächtigen Kopf und lief schneller.

 

Gegen Abend kam endlich das alte Wirtshaus in Sicht.

Beim näher kommen konnte ich die alte verblichene Aufschrift lesen.

 „Zum Wolfsrachen“ stand auf einem Holzschild mit roter Farbe geschrieben.

Eine halbe Meile von dem Wirtshaus entfernt, hinter einer kleinen Anhöhe, zügelte Questro sein Pferd. Ich wusste was jetzt kam und konnte es kaum ertragen.

Selbst wenn ein Wesen vom Tot gekennzeichnet war, versuchten die Menschen das Wesen zu retten. Koste was es wolle. Doch Quastro war da ganz anders, bevor die Wesen unendliche Qualen erleiden mussten, erlöste und begleitete er sie in das Paradies.

Das Pferd sank mit zittrigen Bewegungen zu Boden. Keuchend auf der Seite liegend, strichen langsam schon fast zärtlich die Hufen des alten Gaules ein letztes Mal über den sandigen Boden. Ein letzter warmer Blick, ein Blick voller Liebe, ein Danke an die zusammen erlebte Zeit. Questro legte liebkosend seine Hand auf den Hals des Pferdes und strich sanft mit den Fingerspitzen über das weiße Fell des Tieres. Es waren nur Augenblicke in denen der Blick des Pferdes und des alten Mannes sich trafen. Und doch kam es mir vor wie eine Ewigkeit.

Eine stumme Konversation zweier Wesen die einander ebenbürtig waren.

Der Blick des Rosses fing an zu verschleiern und das Feuer in ihm erlosch.

Eine kleine Brise strich über das Land. Kleine Gräser wiegten sich im Wind und das ewige

Konzert der Natur setzte für ein Moment aus.

Questro richtete sich auf und murmelte etwas.

Kaum das sein Flüstern verklungen war, erklang ein Geräusch von brechendem Holz und an der Stelle des toten Pferdes wuchs ein kleiner Baum. Ein Baum mit silbrigen Blättern dessen

Rascheln wie Harfenmusik klang und ein weißer Stamm heller als der Schnee auf den unbezwingbaren Bergen von Donâmus.

Ob er mich eines Tages auch nach Tir Nan Og begleiten wird?

Höhnisch lugte meine rote Zunge zwischen scharfen Zähnen aus meinem Maul hervor.

Man soll den Teufel nicht an die Wand malen. Schließlich werde ich es noch früh genug mit seinen Knechten zu tun bekommen.

Mit sanften Schritten, verborgen in den Schatten der Welt folgte ich Questro der nun den Weg zur nächsten Stadt eingeschlagen hatte.

 

Die Dämmerung brach herein und die Welt tauchte in Dunkelheit. Nachdem Questro das große Eichenholztor des äußersten Walles der Stadt passiert hatte, wurde es mit einem lauten Scharren von Innen mit einem schweren Riegel verschlossen. Ich hatte nicht genügend Zeit zwischen Questros passieren der Stadt und das Schließen der Tore gehabt. Mit einem wütenden Knurren umrundete ich den ganzen Wall mit der Hoffnung eine eventuelle Schwachstelle zu finden, um doch noch in die Stadt zu gelangen. Wie es der Zufall wollte fand ich die besagte Stelle, bloß war sie nicht richtig nach meinem Geschmack.

So leicht wie eine Libelle in den Himmel flog, so kletterte ich einen Felsbrocken der einem stattlichen Drachenkopf glich, empor. Hier oben, keine 15 Menschenschritte von dem Wall entfernt, stand ich nun. Eine schwarze Gestalt in der Nacht, stehend vor dem Gesicht des Vollmondes und mit einem selbstmörderischen Plan im Kopf. Ich wusste wenn ich jetzt weiter über mein Vorhaben nachdenken würde, dann würde mich der Mut verlassen.

Mit bebendem Körper und jeder zum zerreißen gespannter Faser meiner Muskeln, sprang ich vom Felsbrocken in Richtung Wall. Wie ein riesiger Vogel zerteilte ich die Luft. Adrenalin schoss durch mein wildes Blut, ich fühlte mich so frei, so ungebunden.

Abrupt endete mein kolossaler Sprung als ich mit einem hässlichen Knirschen gegen den steinernen Wall klatschte.

 

Ich wanderte durch Finsternis. Es war nicht kalt, eigentlich spürte ich gar nichts. Aber wo war ich und warum konnte ich fliegen? Ich drehte mich schnell um meine eigene Achse. Immer schneller und schneller. Warum hörte das nicht auf? Jetzt wurde mir übel.

Grelles Licht riss Zacken und Löcher in die Schwärze. Ich übergab mich. Langsam kroch die Angst in meine Knochen, warum konnte ich mich nicht erinnern. Wer war ich und wo war ich?

Mir wurde wieder übel. Würgend übergab ich mich, aber wohin? Aus meiner Angst wurde Panik. Ich bekam Schweißausbrüche und unkontrollierte Zuckungen. Das grelle Licht verschwand, schillernde Farben umgaben mich, bis sich mein Blick langsam wieder normalisierte. Jetzt stürzten die Erinnerungen wie Platzregen auf mich ein. Schattenfell das war mein Name. Der steinerne Wall. Questro. Aber wo war ich jetzt?

Ich fing an zu schwitzen, war ganz nass vor Schweiß. Nass? Jetzt endlich schaffte ich meine Augen aufzureißen. Eine Blauschattierung wich der nächsten, mir wurde immer kühler, Panik und Urängste überfluteten mich. Ein wildes Knurren drang tief aus seiner Kehle. Ich wollte Brüllen doch stattdessen gurgelte und würgte ich. Wasser tretend, mit einer gewaltigen Kraftanstrengung,  kam ich an die Oberfläche eines Flusses. Aufgrund großer Todesängste, schaffte ich es an der Oberfläche zubleiben. Immer wieder zog mich eine Macht in die Tiefe des Flusses. Eine Macht? Ich konnte noch immer nicht richtig denken, es kostete mich unglaubliche Kraft, um festzustellen dass es mein nasses Fell  war, das mich immer wieder in die Tiefe zog. Umständlich, halb am ertrinken, mobilisierte ich meine letzten Kräfte. Nur das Ufer versprach Rettung. Wo ich die Kraft nahm das Ufer zu erreichen, wusste ich nicht .Aber ich schaffte es und nur das alleine zählte. Erschöpft blieb ich am Ufer liegen, warmes Blut lief in meine Augen. Ich war dem Tot näher als dem Leben. Aber ich starb nicht. Zwar schüttelte mich das Fieber und ich wurde besinnungslos, aber der Tot wollte mich noch nicht zu sich holen. Wieder fiel ich in diese schwarze Finsternis, die so erschreckend und doch faszinierend zugleich war. Ob ich jemals wieder aufwachte?

 

Langsam kam ich wieder zu mir. Aber nicht am kalten Ufer des Flusses, sondern auf einem wunderschön weichen Schafsfell. Mein rechtes Auge, halb geöffnet blickte durch den Raum in dem ich mich befand. Bei dem prasselnden Kamin blieb mein Blick hängen. Lange Zeit starrte ich in das Feuer, bis plötzlich sanfte Schritte im Raum erklangen. Mit einem erschreckten aufspringen, wollte ich eigentlich herausfinden wer da in meiner unmittelbaren Nähe war. Doch mit einem schrecklichen Heulen sank ich wieder zu Boden. Ein unglaublich stechender Schmerz pochte an meinen Rippen.

„Du brauchst keine Angst haben, ich tu dir nichts“, sprach eine Stimme die wie Musik in meine Ohren klang. In diesem Augenblick erschien in meinem Blickfeld eine Frau von unglaublicher Schönheit. Ihr Lächeln drang tief in mein Herz und hinterließ feurige Spuren.

Die Augen von so einer Klarheit, dass ich darin versank und die Zeit vergaß. Dann trat sie auf mich zu, ging in die Hocke und fing an meinen mächtigen Schädel zu streicheln.

Ich wusste nicht was mit mir passierte aber ein unglaublicher Drang beherrschte mich mit meinem Schwanz zu wedeln. Verdammt. Wie ich manchmal diese animalischen Gesten hasste. Erst jetzt gewann ich die Oberhand über mein Verstand und meiner Gefühle.

Mein Blick ließ sie nicht mehr los. Jeden Teil ihres Körpers betrachtete ich sehr intensiv.

Sie war kein Mensch. Sie war eine Elfe. Schlank und hoch gewachsen, weiße zarte Haut, die typischen spitzen Ohren, umrahmt von einer goldenen Haarpracht die in Locken auf ihren Schultern lag. Und wieder sprach sie mit dieser atemberaubender Stimme die mich erzittern ließ: „Nur im Schlaf heilen dein Wunden am besten. Schlaf und genese.“ Ich wusste nicht wie mir geschah, aber ihrer Stimme verfallen, wurde ich müde. Noch ehe mich der Schlaf vollendend gepackt hatte, fragte ich mich ob auch die Wunden der Silberwölfe schnell verheilten. Doch weiter kam ich nicht, denn meine Augen wurden schwer und zwangen mich sie zu schließen. Langsam ging ich in der Welt der Träume über und verlor mich in Erinnerungen an alte Zeiten.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Marco Mann).
Der Beitrag wurde von Marco Mann auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.06.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Marco Mann als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Perlen der Seele von Anita Namer



Alles was uns ausmacht ist das, was wir in unser Leben mitgebracht haben und was wir in ihm erleben. Die Autorin schreibt über Gefühle, die uns im Leben so begegnen: Liebe, Freude, Trauer, Leid, lachen, weinen, hüpfen, springen, fühlen und lebendig sein. Sie möchte Impulse setzen, die die Seele berühren und zum Nachdenken anregen.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Fantasy" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Marco Mann

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Der Kristall von Marco Mann (Fantasy)
Eternal Love - Band 1 von Tim Klostermann (Fantasy)
Verdummung der Kunden von Norbert Wittke (Glossen)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen