Gaby Schumacher

Familie Gespenst hat Kummer

In einem feudalen Schloss lebt hinter den Wänden des Ballsaales in einer mindestens ebenso feudalen Geisterwohnung die Gespensterfamilie Stöhnwürg. ´Stöhn`, weil Papa- Gespenst so toll seufzen kann wie kein anderes im weiten Umkreise und ´würg`, weil zum Leidwesen der ganzen Verwandtschaft der kleine Sohn ´Spuck` an dem sogenannten Würgsyndrom leidet, dass sich stets bemerkbar macht, wenn dieses untypisch veranlagte Untotenkind sich etwa besonders gespenstertypisch verhalten soll.

Es ist Hopfen und Malz verloren. Der Kleine bringt keine einzige Untat zustande. Bei jedem verzweifelten Versuch, böse zu sein, endet es damit, dass er schrecklich würgen muss. Seine Eltern huschen nachts mit ihrem Sprössling von Schlosskeller zu Schlosskeller und von einem untoten Arzt zum nächsten, doch keiner weiß einen Rat.

 

Schließlich versprechen sie Klein-Spuck das Blaue vom Gespensterhimmel herunter wie eine tolle Ritterrüstung ohne Helm und letztendlich, weil nichts fruchtet, ein wahnsinnig schickes Gespensterauto mit drei Hupen und vierzehn Rädern nur für ihn ganz allein. Bei dem letzteren Angebot gerät die bisher so unanständig anständige Haltung ihres Sohnemannes plötzlich beträchtlich ins Wanken.

´Ich will es aber erst sehen, bevor ich dann ... !“

„Blöd ist der nicht!“, gestehen sich Mama und Papa Gespenst zu.

„Und du versprichst uns, heute Nacht etwas wirklich Schreckliches anzustellen?“

Beim Gedanken an das Auto nickt Spuck immer williger.

 

Deshalb darf der Kleine nach dem Sonnenuntergang mit seinem Papa zum drei Schlösser weit entfernten Geisterautohaus fliegen. Spuck kommt aus dem Staunen nicht heraus, was er dort alles entdeckt. Autos, die auf ein Handzeichen hin wie verrückt im Kreise herum sausen und deren Motoren, wie es sich dabei für echte Geisterautos geziemt, aufheulen wie mindestens zehn erwachsene Meistergespenster auf einmal. Außerdem stinken sie  pflichtgemäß echt grauenhaft nach Benzin. Manche Fahrzeuge schießen auf einen Befehl hin Purzelbäume am laufenden Band und andere wiederum brausen sogar durch dickes Mauerwerk hindurch, ohne sich etwa dabei eine Beule oder gan eine noch so geringe Schramme zu holen.Vor ihnen ist einfach nichts sicher.

 

Spuck quengelt seinen genervten Eltern so lange etwas vor, bis die, besorgt um die Gespensterfamilienehre, einwilligen und ihm mit furchtbar vielen, zerknitterten Geistergeldscheinen ein solches Horrorgefährt kaufen.

„Aber vergiss nicht: Du darfst auf keinen Fall irgendwelche Verkehrsregeln beachten. Sonst landest du im Geistergefängnis!“

Das giftgrüne Riesengeschenk bringt den Kleinen tatsächlich zur Räson. Erleichtert beobachten Papa und Mama Stöhnwürg in dieser Nacht, dass Spuck wohl endlich Unvernunft angenommen hat. Wie ein wild gewordener Handfeger rast er mit seiner Karre kreuz und quer durchs ganze Schloss, reißt dabei die gesamte Ahnengalerie des Schlossherrn von den Wänden, schleudert das wertvolle Mobiliar durch die Luft und schießt wie ein Düsenjäger durch die zerklirrenden Fensterscheiben. Alles zusammen macht es ein solch entsetzliches Getöse, dass selbst die erwachsenen Gespenster sich ihre Nebelohren zuhalten oder sich Kopfhörer aufsetzen, weil sie es denn doch vorziehen, sich stattdessen lieber von einer zwar gruseligen, aber denn doch bei weitem nicht dermaßen schaurigen Geistermusik unterhalten zu lassen.

„Junge, prima!“, loben Papa und Mama Stöhnwürg und platzen fast vor Stolz. „Er ist geheilt! Wenn er so weiter macht, wird er eines Tages ein Oberprofessorgespenst wie sein Onkel
Buhuuh!“

Allein bei dem Gedanken daran rollen vor allem seiner Mutter gespenstische Freudentränen übers Gesicht.

 

Einhundert Jahre später steht im ganzen Land keine einzige Schlossruine mehr. Das ehemals aus der Art geschlagene Gespensterkind ist zu einem extra tüchtigen Gespenst heran gewachsen und hat sich als Prüfungsaufgabe zur Ernennung zum Oberoberprofessorgespenst der Zerstörung aller Prunkgebäude weit und breit gewidmet und seine Arbeit dermaßen  gewissenhaft antigewissenhaft erledigt, dass wirklich kein Stein auf dem anderen geblieben ist.

 

Am Tage seiner feierlichen Stöhn-röchel-und-schepper-Ernennung zum obersten Gespensteruniversitätsleiter der Universität ´Stirb-vor-Schrecken` sitzen seine Mama und sein Papa sowie sämtliche Verwandten in der ersten Reihe im Publikum und würden sich vor Begeisterung beinahe halbtot applaudieren, wenn sie es denn nicht ohnehin schon sein würden.

Als Anerkennung für seine gruseligen Verdienste darf ´Spuck` sich in ´Gräuelmonster` umbenennen - die denkbar größte Ehre für ein Gespenst.

Das Familienansehen ist gerettet, die Gespensterwelt wieder in bester Ordnung.

    

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Gaby Schumacher).
Der Beitrag wurde von Gaby Schumacher auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.06.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Gaby Schumacher als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Auf den Schwingen der Poesie von Ilse Reese



70 Gedichte mit schwarz/Weiß Fotos eigener Gemälde

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Humor" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Gaby Schumacher

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Das Geheiminis des gestohlenen Ostereies von Gaby Schumacher (Märchen)
Aufsatz vom Karli über verschiedene Tiere von Margit Kvarda (Humor)
Pilgerweg VI. von Rüdiger Nazar (Abenteuer)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen