Christina Wolf

Gesucht und gefunden

Allmählich wurde es leer in dem großen Kaufhaus und die Nachtbeleuchtung in den Schaufenstern wurde

eingeschaltet. Endlich war auch in der Auslage der Spielwarenabteilung Ruhe eingekehrt. Man sah nur noch

die plattgedrückten Stupsnasen der Kinder an den Scheiben. Der dicke große Braunbär hatte so sehr damit

gerechnet, abgeholt zu werden, weil er so eine gute Position gleich vorne links hatte und die vielen be-

geisterten Laute der Kinder über ihn vernahm. Gar zu gern läge er jetzt auf der bequemen Couch neben

einem Buben, um mit ihm mal fernzusehen, denn er kannte es ja nur vom Hören und Sagen. Auch die

Käte Kruse Puppe Lotti mit ihren langen Zöpfen sucht schon so lange eine liebevolle Puppenmama, die

einen Puppenwagen schon hat oder dazubekommt. Dann käme sie endlich mal an die frische Luft,

vielleicht in einen Park und hörte das Zwitschern der Vögel. Scheinbar bin ich zu teuer, seuftzte sie

zu ihrem Kater, der neben ihr saß, oder sind die Kinder nicht artig genug, oder gehen ihre Eltern lieber

für das Geld mit ihnen in Urlaub. Das Warten auf eine andere Umgebung fällt uns allen schwer, meinte

eine Giraffe, und das Schaukelpferd auf der anderen Seite hatte Tränen in den Augen. Heute wurde

nur das Eichhörnchen, ein kleiner Frosch und ein Häschen von einer Verkäuferin herausgeholt und

scheinbar auch verkauft, wie man hier so sagt. Dabei sind wir doch alle wertvolle Lieblinge, jedenfalls

der meisten Kinder, und sie würden uns niemals mehr verkaufen. Wir sind ein Teil ihres Lebens und

der beste Tröster in der Not. Ich stelle es mir wunderbar vor, nachts in einem warmen Bettchen im

Arm von einem Kind zu liegen, schön zugedeckt und immer wieder gestreichelt zu werden, ertönte

die leise Stimme eines Lämmchens. Verzweifeln wir nicht, meinte ein grauer langzottiger Esel, der

vor einem Holzwagen angekettet war, morgen ist auch noch ein Tag, und die Nacht ist so schnell

vorbei, laßt uns jetzt schlafen, wer weiß, wo wir unser Nachtlager dann vorfinden, bei guten oder

braven Kindern, in einer Villa oder in einer kleinenWohnung oder gar in einem Stall. Ich mache mir

da nicht so viel Gedanken, hier mit euch zusammenzusein, ist doch auch nicht das Schlechteste.

Am folgenden Vormitagbetrat eine feine alte Dame mit drei kleinen Enkelkindern unseren Bereich,

und die lebhaften Kleinen redeten auf ihre Oma ein mit wilden und auch sanften Gesten. Die Wünsche

wurden immer lauter vorgetragen mit Blicken, denen man nachgeben mußte. "Lotti" wollte die kleine

Jule unbedingt haben und den feingestreiften blauen Puppenwagen dazu. Bastian hatte sich für den

großen Brummbär entschlossen, und die zurückhaltende Evi begeisterte sich für das Eselchen; weil sie

selber einer ist, rief daraufhin ihr Bruder Bastian lautstark. Aber das Glück war zu groß, um sich darüber

zu ärgern. Als die liebe Oma ihre große Geldbörse zückte, war alles im grünen Bereich, und keinem

ging es schnell genug, alles vom Fahrer verstauen zu lassen, denn nach Hause wollten sie und mit ihren

neuen Hausgenossen spielen - die Oma war jetzt Nebensache, bis zum nächsten Einkauf natürlich nur!

 

                                                               E n d e

 

von Christina Wolf,Lahr

Geschichte " Gesucht u. Gefunden"

Eine Gute-Nacht-Geschichte für Groß und Klein

aus der Spielwarenabteilung eines Kaufhauses

Christina Wolf, Lahr
Christina Wolf, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.06.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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