Yvonne Schwab

Das Magische Buch- Kapitel 1-










Kapitel -1-

„Der Feenwald“

Ein Blitz
durchzuckte den nachtschwarzen Himmel. In der Ferne konnte man bedrohlich ein
Donnergrollen hören. Der Sturm bog die Bäume, so dass sie um zu stürzen
drohten. Johnny rannte durch den Wald, der ihm eigentlich so vertraut war. Doch
heute Nacht verwandelte sich dieser Ort in eine tobende Hölle. Der Regen setzte
ein und peitschte Johnny ins Gesicht. Er rannte noch ein bisschen schneller. Er
musste es zur Hütte bei der großen Lichtung schaffen. Als er in den Wald lief,
tat er das nicht zum ersten Mal. Er dachte an den Streit, den er mit seinem
Vater hatte. Immerzu gab es Streit mit ihm. Seit dem Tod von Johnnys Mutter
verstand ihn sein Vater nicht mehr. Johnny erinnerte sich an die Worte seines
Vaters: „Wenn Du nicht hörst, stecke ich dich in ein Heim. Du bist nicht zu ertragen“.
Oh wie sehr Johnny seine Mutter vermisste. Sie hatte immer Verständnis. Er
vermisste ihre Stimme, ihre Umarmungen. Johnny fühlte sich alleine und nun
rannte es durch den Wald in diesem Unwetter. Er hatte Angst. Der Regen
durchnässte sein grünes Sweatshirt. Die Hütte musste ganz in der Nähe sein. In
dieser Dunkelheit mit dem peitschenden Wind und den furchtbaren Blitzen sah
alles ganz anders aus. „Hoffentlich verlaufe ich mich nicht“, dachte Johnny.
Ihm war bewusst, dass er viel zu tief in den Wald rannte. So weit weg vom
Waldrand lief er sonst nie. Die Erde auf dem schmalen Pfad wurde glitschig.
Johnny stolperte über Steine, fiel beinahe hin. Doch da sah er sie, die Hütte.
Endlich konnte er Unterschlupf finden und abwarten bis das Gewitter vorbei war.
Er lief noch schneller, bekam Seitenstechen. Noch ein paar Meter. „Puh“, Johnny
schüttelte sich vor Kälte. Das war geschafft. Als er in die Hütte gehen wollte,
stelle er fest, dass die Tür verschlossen war. Gott sei Dank hatte die Hütte
ein vorgezogenes Dach. Erschöpft und nach Luft japsend ließ sich Johnny die
Außenwand hinuntergleiten und setzte sich vor die Türe. Er musste so heftig
atmen, dass jeder Atemzug ein glucksendes Geräusch ergab. Hoffentlich würde sich
das Unwetter schnell wieder verziehen. Johnny beobachtete die meterhohen Bäume,
die sich im Wind bogen. Ihre Wipfel schwankten hin und her, als würden sie
einen bedrohlichen Tanz aufführen. Johnny erschauerte. Was würde er jetzt dafür
geben zu Hause in seinem trockenen Zimmer zu sitzen. Er würde seine
Lieblingsmusik hören und das Gewitter draußen würde ihn kaum interessieren.
Aber nach dem Streit mit seinem Vater musste er einfach raus. Und wie immer
floh er in den Wald, der ihm so lieb geworden war. Bis auf heute. Heute machte
er ihm Angst. Er kauerte sich zusammen. Ihm war kalt und er war erschöpft. Wie
lange war er wohl gelaufen? Er holte tief Luft. Langsam fielen ihm die Augen
zu. Von Weitem hörte nur noch leise das Blasen des Windes, das Rauschen der
tanzenden Bäume und hier und da ein Tier, das vor dem Gewitter flüchtete.

„Hey,
hallo..hey Du…, meinst Du er schläft?“

„Ach, was
weiß ich?!“

„Och nö,
aufwachen, hey Du!“

Johnny erwachte
von einem warmen Luftzug der ihm ins Gesicht wehte und irgendetwas kitzelte
seine Nase. Er schlug die Augen auf und erschrak. Er wurde von zwei
überdimensional großen, runden Glupschaugen angestarrt.

„Ha!“, Johnny
richtete sich blitzartig auf und das Ding, das vorher auf seinem Gesicht
gesessen hatte, schleuderte zu Boden.

„Autsch! Das
hat weh getan. Das ist nicht nett, aber mit uns Kleinen kann man das ja machen.
Mach du nur weiter so. Mein Schwänzchen, wo ist es denn, ahja, hab´s wieder. Da
hast du aber nochmal Glück gehabt. Unverschämt. Mich einfach so abzuwerfen“.

Johnny traute
seinen Ohren nicht. Wo kam diese Stimme her? Hier redete doch jemand mit ihm?
Er schaute nach untern und er glaubte seinen Verstand zu verlieren. Vor ihm
stand ein kleines Eichhörnchen, das ihn mit erhobenem Zeigefinger wütend
beschimpfte.

„Das kann nicht
sein“, dachte Johnny, „ich muss wohl noch träumen. Ein Eichhörnchen, das
spricht. Das kann nicht sein“. Johnny rieb sich die Augen.

„Hey, mach
bloß die Augen auf. Nicht das du mich jetzt auch noch zertrittst.“.

Das
Eichhörnchen war immer noch ziemlich aufgebracht.

„Tiny, nun
lass ihn doch mal zuerst zu sich kommen. Lass ihm ein bisschen Zeit“. Da trat ein
weiteres sprechendes Eichhörnchen aus dem Gebüsch.

Johnny wurde
heiß und kalt zu gleich. War er wahnsinnig geworden? Hatte ihn ein Blitz
getroffen und sein Gehirn verdreht?

„Entschuldige“,
meinte das zweite Eichhörnchen. Es war viel größer als das erste und es
lispelte ein wenig beim Sprechen, „ mein kleiner Freund Tiny ist ein wenig
übereifrig. Ich bin übrigens Fred. Ich weiß, das muss wohl alles ein wenig
verwirrend für Dich sein. Denn Du bist ein Mensch und wir sind Eichhörnchen“.
Fred verzog das Gesicht zu einer unheilversprechenden Fratze und setzte einen verheißungsvollen
Blick auf. Johnny musste bei diesem Anblick kichern, denn Fred schaffte es
dabei auch noch zu spucken wie ein Wasserfall.

„Wie, findest
Du es denn etwa nicht komisch, dass wir die Menschensprache sprechen?“ Nun war
es Fred, der ein wenig beleidigt drein schaute.

„Och doch“ Johnny
wischte sich Freds Spucke aus dem Gesicht und blinzelte mehrmals, da er immer
noch nicht seinen Augen traute.

„Na siehste?“,
Tiny streichelte seinen Schwanz. „Ich denke wir erklären dir erst einmal alles.“

Die
Eichhörnchen kamen näher. Verwirrt wich Johnny zurück. Was waren das für Tiere,
warum konnten sie mit ihm sprechen und was, wenn er das alles nur träumte? Er
kniff sich selbst in die Wange. Er schien wach zu sein. Er beschloss erst einmal
die Ruhe zu bewahren und den beiden zuzuhören.

Die
Eichhörnchen erzählten ihm, dass sie aus dem Feenwald kamen.

„Der
Feenwald? Was ist das?“

„Eigentlich existiert
der Feenwald innerhalb des Menschenwaldes. Also innerhalb dieses Waldes. Siehst
Du die drei großen Bäume da drüben“.

Johnny erspähte
drei mächtige Tannenbäume, die sich majestätisch im Wind bogen.

„Das ist das
Portal“ plapperte Tiny.

„Das Portal?
Was für ein Portal?“, Johnny runzelte die Stirn.

„Das Portal
zum Eintritt in die magische Welt“, Fred rieb sich die Pfoten.

Die beiden
Tiere erklärten, dass Menschen, die der magischen Welt offen gegenüber traten
und den Gesang der drei mächtigen Tannen hören konnten, berechtigt waren den
Feenwald zu betreten. Die Ungläubigen unter den Menschen jedoch würden den
Feenwald niemals finden. Johnny blieb der Mund offen stehen. Es sollte eine
Arte Zauberwald geben? Eine Welt, die magisch sein sollte?

„Etwas Schreckliches
ist passiert“, platzte Tiny heraus. „Du musst uns helfen“.

„Na na, Tiny
meinst du im Ernst, er würde verstehen was Du meinst? Ich denke es ist besser
wir erklären alles von vorne“.

Fred erzählte
von den Bewohnern des Feenwaldes. Im Wald lebten Fabelwesen gemeinsam mit
Tieren. Im Gegensatz zu den Fabelwesen konnten sich die Tiere jedoch in beiden
Welten aufhalten. In der Welt der Menschen und in der magischen Welt. Im
Feenwald gab es Gnome, Elfen und Trolle. Sie alle sprachen und verstanden die
Menschensprache.

„Der Hüter
des Waldes ist ein alter Gnom namens Moflan.“

„Mof…was?“
Johnny versuchte den Erzählungen Freds zu folgen.

„Mofffflllaaaaan“,
Fred spuckte fürchterlich. Etwas davon traf Johnny ins rechte Auge. Tiny kicherte
leise, woraufhin er einen strafenden Blick von Fred bekam.

„Also, was
wollte ich sagen? Achso..ja, Moflan. Er ist der Hüter des Waldes und vor allem
auch der Hüter des magischen Buches.“

Johnny
erfuhr, dass das magische Buch eine Art Lichtstrahl ausstieß, der den gesamten
Feenwald erhellte und den Einwohnern somit Licht und Wärme schenkte.

„Das Buch ist
lebensnotwendig für den Feenwald. Ohne das Buch kann die magische Welt nicht
überleben.“ Tiny schien zu zittern.

„Aber vor
einigen Stunden haben gefährliche Banditen Moflan hinterrücks niedergeschlagen
und das magische Buch entwendet. Wenn wir das Buch nicht wieder bekommen, wird
der Wald mitsamt seinen Einwohnern sterben.

„Aber wer
sollte denn Interesse daran haben Euch das Buch weg zu nehmen?“ Johnny wurde
nicht schlau aus der ganzen Sache.

„Es waren die
Hernoids. Sie sind Fabelwesen aus der Unterwelt. Oh, diese Welt ist böse“.

„Oh ja sehr
böse“, stimmte Tiny ein.

„Die Hernoids
haben nichts als schwarze Magie im Sinn. Sie wollen den Feenwald als Lebensraum
für sich. Sie haben es satt unter der Erde zu leben. Sie wollen alles vernichten
um die magische Welt an sich zu reißen und deren Herrschaft ein nehmen zu
können. Wir dürfen das aber nicht zu lassen. Sie sind böse.“ Fred schien
ziemlich besorgt und nervös zu sein.

„Was tun sie
denn so Böses?“ Johnny glaubte die beiden Eichhörnchen übertrieben maßlos. Was
sollte das Gerede von Gut und Böse?

Fred setzte
sich auf Johnnys Brust und sah ihm tief in die Augen.

„Hast Du
schon einmal ein Erdbeben gespürt? Weißt Du was Erdrutsche sind“
Vulkanausbrüche und Schneelawinen?“

„Ja,
natürlich“ Johnny war erneut verwirrt.

„Das sind die…die
Hernoids. Wenn sie ihre dunklen Mächte einsetzen beeinträchtigt dies auch die
Menschenwelt. Ohne den Feenwald und dessen Einwohner, die sie seit
Jahrhunderten bekämpfen, sind sie im Stande sogar die Menschenwelt vollständig
ins Verderben zu stürzen, um nicht nur die magische Welt sondern die ganze Erde
zu übernehmen.“

Johnny lief
ein kalter Schauer über den Rücken. Konnte das wahr sein? Sollte er diese
Geschichte glauben?

„Aber wie
konnten die Hernoids so leicht an das Buch gelangen, wenn es doch so wertvoll
ist?“

Tiny ließ
sich auf Johnnys Turnschuhen nieder.

„Es ist genau
das passiert, was das magische Buch prophezeit hat. Moflan wird geschwächt, das
magische Buch gerät in falsche Hände und der Retter wird kommen und das Buch
zurück bringen. Der Retter des Feenwaldes, der JOHNNY.“

Johnny traf
es wie ein Blitz. „Wie? Was?“

„Ja aber
verstehst du denn nicht? Du bist der JOHNNY. Dich meinte das magische Buch und
wir haben dich glücklicherweise gefunden. Du musst mit uns kommen, in die
magische Welt. Du musst das magische Buch zurück holen. Aus der Unterwelt
zurück in den Feenwald, verstehst du?“

Johnny
verschluckte sich und musste kräftig husten. Fred, der immer noch auf seiner
Brust saß, hüpfte dabei auf und ab.

Johnny konnte
es nicht glauben. Er war wohl doch verrückt geworden oder war das alles
Wirklichkeit und er war tatsächlich der Auserwählte, der die magische Welt und
somit auch die gesamte Menschheit retten sollte? Er war erst zehn Jahre alt.
Durfte man in diesem Alter denn schon so was wie eine dunkle Unterwelt
betreten? Ihm fröstelte und Angst stieg ihm langsam und kalt den Rücken hinauf.
Dann schaute er in die niedlichen Gesichter von Fred und Tiny. Sie sahen ihn
mit ihren großen Augen erwartungsvoll an.

Fred spuckte
einen Riesenschwall als er fragend den Kopf zur Seite neigte:

„Was is nun?“
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.06.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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