Hella Schümann

Die Kellertreppe erzählt

Ich wohne in einem alten Mehrfamilienhaus und bin eine besondere Kellertreppe. Manchen Bewohnern erscheine ich im Traum, denn ich bin gefährlich. Ich bin das Gespenst, das knarrt und in der Dunkelheit lauert. Elisabeth hat sogar am Tag Angst vor mir, noch heute, obwohl sie längst erwachsen ist. Vor dem Krieg stieg sie angstvoll hinunter um Kohlen aus dem dunklen Keller zu holen und wenn sie in meiner Mitte war, ließ ich es ordentlich knacken. Sie konnte nicht hinunter laufen, denn ich war viel zu steil und eng und hatte kein Geländer. Oma Berta ging komischerweise immer rückwärts hinunter und fluchte bei jeder Stufe. Jedes Jahr ließ ich eine Stufe mehr knarren und jede hatte ihr eigenes Geräusch, bis schließlich ein Lied daraus wurde. Eines Tages verschwanden die sanften Füße auf mir, harte Stiefel krachten auf dem Holz und taten mir weh. Manchmal sprang ein kleiner Splitter heraus. – Es war Krieg-

Dann trat wieder die gewohnte Ordnung ein, Kinderfüße und Frauen, wo waren die Männer? 1954 endlich wieder einmal ein Mann und er sagte: „Wir sollten ein Geländer anbringen, die Treppe ist viel zu gefährlich.“ Da merkte ich, dass noch nie jemand von mir herunter gefallen war. Eigentlich schade, das wäre mal ein Abenteuer in diesem langweiligen Keller gewesen.

Ich wurde langsam alt und müde. Noch ein paar Jahre konnte ich das schöne Geländer genießen, bis sich eines Tages der Schlüssel im Schloss der Kellertür drehte , ein Geräusch, das ich noch nie gehört hatte. Von da an war Ruhe, Totenstille auf meinen Stufen.

Lebt wohl, ihr Menschen...

Diese Kellertreppe gibt es heute noch.Hella Schümann, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.07.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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