Luki K

Goldstreifen

 

 

Ob ich ihr helfen könne, habe ich die Dame mit den zwei Koffern gefragt. Einerseits bin ich hilfsbereit und zuvorkommend. Andererseits trage ich die Uniform und repräsentiere somit den Staat. Es wurde uns so eingetrichtert, in der ersten Theorielektion. Die Indoktrination begann mit dem Kapitel „Anständiges Benehmen gegenüber Zivilisten“.

 

Das Licht zaubert einen Goldstreifen an den Horizont des Sees, welcher wieder ruhig ist und stillt.

Es ist ein sanfter, lauer Wind, der kleine Wellen ans Ufer plätschern lässt.

Es werden Erinnerungen wach, an gestern Samstagabend, Erinnerungen an das Restaurant am Fluss, als mein Kopf leer war von Gedanken ans Militär. Und der Zug rattert weiter dahin.

 

Die Dame versucht, mit mir zu tratschen, wohin ich denn müsse, wie lange ich fahre und ob es anstrengend sei. Seit den Unfällen würden die wohl schon etwas besser schauen, sagt sie. Ich antworte kurz und knapp. So gut war der Vortrag nun auch wieder nicht.

Freundlich ja, Heucheln nein.

Tut mir Leid, Dame, aber auch ich brauche mal etwas Ruhe und Abstand, und so drehe ich meinen Kopf fast etwas demonstrativ weg und schaue wieder zur Landschaft.

Still und ruhig.

 

Ich fahre den neuen Wochen entgegen. Und ich weiss nicht, was ich empfinde. Ob ich mich freuen soll, oder nicht. Eine Leere macht sich in mir breit und versucht, sich noch breiter zu machen. Und ich weiss, dass es nicht möglich ist.

 

Während die Dame über das Gewitter vom Nachmittag ein paar Worte verliert, mustere ich kurz den Mann, der gegenüber Platz genommen hat. Bislang hat er kein Wort gesprochen und ebenfalls nur die Landschaft betrachtet.

Er trägt eine Gucci – Uhr und einen Ring, der ebenfalls nach Geld aussieht. Sein Blick ist starr und die Augen rötlich.

Ein Kiffer im Anzug.

Sein träger Blick ist noch immer nach draussen gerichtet, die Finger umspielen etwas nervös seinen Mund.

Entzugserscheinungen, oder ebenfalls Gedanken an die neue Woche?

 

Die beiden steigen aus, das Abteil gehört mir. Leise Musik gelangt in mein Ohr, nicht entspannende, aber spannende.

Ein Mann im Abteil nebenan stellt seine zwei Stoffteddys ans Fenster, damit sie ebenfalls die Landschaft sehen können. Er hat ihnen die Hüte abgenommen und ich erkenne die Namen der Teddys. Sind denn heute nur Psychophaten, senile Grossmütter und Junkies mit von der Partie?

Er richtet die Teddybären noch etwas besser zu Recht, damit sie auch alles mitbekommen, was draussen passiert. Überraschenderweise spricht er nicht mit Bruno und Maria. Komisch eigentlich.

 

Nun habe ich bereits die ersten Wochen überstanden und eigentlich ist das Ganze ja gar nicht so schlimm. Und eigentlich ist es total beschissen. Und eigentlich geht die Zeit ja schnell vorüber. Und eigentlich zähle ich schon wieder die Stunden, bis ich am nächsten Wochenende zurück nach Hause fahren kann.

Je näher mein Zielort rückt, desto düsterer wird der Himmel. Als ob ein Gewitter aufziehen wird, an diesem Herbstabend. Als ob meine neue Woche mit Blitzen und Donner beginnen wird. Es schaut irgendwie so aus, wie der Zug direkt in Richtung Hölle fahren würde, hinein in den Sturm. Ich wünsche mir die Goldstreifen zurück.

 

In Zürich steige ich in den bereitstehenden Anschlusszug um. Ich setze mich zu einer Frau, die mir kurz zunickt und sich dann wieder über ihr Rätsel beugt. Schön, dass sie nicht reden will.

Der Zug fährt los. Als wir die Bahnhofshalle verlassen, sehe ich die kräftiger gewordenen Wolken und erste Regentropfen trommeln an die Fensterscheiben. Wir rattern in gleichmässigem Tempo dahin und es ist ruhiger als im vorherigen Zug. Die Bässe und die nicht wirklich tiefgründigen Zitate einer Band dröhnen noch immer in meinen Ohren. Es herrscht eine düstere Stimmung und mein Herz pocht etwas schneller als normal.

 

Ich schaue erneut aus dem Fenster. Hinter einem kleinen Berg zwischen den Regenwolken erkenne ich ganz scheu einen Ansatz von gelblichem Abendsonnenlicht. Ein bisschen Optimismus, der sich beginnt, auszudehnen. Ich lächle und bewundere meinen Lichtblick.

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.07.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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