Minus fünf Grad und mehr, zeigte das Thermometer an.
Diese eisige Kälte umgab uns bereits seit etlichen Tagen, ja sogar Wochen. Es war Mitte Januar, alles lag in einem sanften, ruhig wirkenden Weiss, welches glitzernd auffunkelte, wenn sich die Sonnenstrahlen darin spiegelten.
“Sollte die Temperatur die nächsten drei Tage nicht steigen, so wird der See zur Begehung und anderen Belustigungen freigegeben.” war der Zeitung zu entnehmen.
Das war wohl das erste, und übrigens auch das letzte, Mal in meinem Leben, dass ich hoffte, ja sogar betete, dass es nicht wärmer werden darf die nächsten Tage, damit wir einmal übers Wasser wandeln konnten.
Es blieb frostig.
Vier Tage später standen meine Zwillingsschwester, unsere Freundin und ich, zusammen mit unserem Hundi Zita auf dem Eis. Höchst unbeholfen rutschten, taumelten, wackelten wir Zweibeiner durch die Gegend, doch Zita übertraf alles! Sie schaffte es kaum eine Pfote vor die andere zu setzten, völlig überfordert blickte sie uns hilfesuchend mit gesenktem Kopf aus ihren grossen braunen Hundeaugen an.
Aber wie hilft man einem Hund, der ständig ausrutscht und auf dem Bauch landet?
Wir versuchten erstmals mit aufmunternden Worten ihren Glauben in sich selbst und ihrem Können zu stärken und zu unterstützen. Mit nur geringem Erfolg. Immer noch zittrig schaute sie uns an, als ob sie sagen wollte, ‘Kommt schon, was soll das Ganze. Lasst uns einfach von hier verschwinden! ‘
Schnell war klar, dass unsere Taktik drastisch geändert werden musste. Eine rennt – gleitet, rutscht, schliddert – mit ermunternden Zurufen voraus, die anderen mit Hund an der Leine hinterher. Und siehe da, es funktionierte. Immer schneller wurden ihre Hundeschritte, immer rasanter ihr Tempo. Was zur Folge hatte, dass es schleunigst zu einem Positionswechsel kam. Nun war Zita diejenige, die allen voraus pirschte und uns, auf unseren Füssen rodelnd, auf der Eisfläche durch die Gegend zog.
Blitzschnell hatten wir eine beachtliche Strecke des Sees hinter uns gelassen. Dieses Eiltempo war dafür verantwortlich, dass unseren Köpfen bereits die nächste Idee entsprang. Wir wollten einmal den ganzen See überqueren bis hin zur gegenüberliegende Ortschaft. Gesagt getan.
In der Mitte der Eisschicht lichtete sich die Menschenmenge allmählich, was Zita nur recht war. Abwechslungsweise liess sich eine von uns dreien übers Glatteis kutschieren. Immer näher kam das andere Ende, immer deutlicher erkennbar das Seeufer. Je näher das Land heran kam, desto mehr Menschen tummelten sich erneut auf der Fläche.
Plötzlich, wir wissen gar nicht wie uns geschah, hielten wir zwar die Leine immer noch fest im Griff, aber ohne Gegengewicht, nur ein leeres Hundehalsband ohne Inhalt baumelte am anderen Ende...
Völlig verwirrt, mussten wir erst mal begreifen, was soeben passiert war.
Zita war weg.
Fleissig hielten drei Augenpaare voller Konzentration Ausschau nach dem schwarzen Hund, nichts war zu sehn. Wir riefen ihren Namen in alle Richtungen, doch keine vier Pfoten kamen auf uns zu getrappelt, sie war weg. Keine Zita weit und breit... Wir verbrachten etliche Minuten mit gezieltem abkämmen des Seeufers. Jede Personengruppe wurde aufs gründlichste unter die Lupe genommen, jeder andere Vierbeiner, der am spielen war, genaustes beobachtet, um zu sehn wer sein Spielkamerad war, aber es half nichts, Zita war wie vom Erdboden verschluckt.
Langsam wurde uns mulmig zu Mute, dass konnte doch nicht sein, dass sie einfach weg ist. Wir sahen keinen anderen Ausweg, als an Land zu gehen, und unseren Vater zu benachrichtigen, damit er uns, so hofften wir, zu Hilfe kommt oder wenigstens weiss, was zu tun ist. So marschierten wir, mit gesenkten Köpfen, traurig und verzweifelt Richtung Seeufer.
Auf einmal hörten wir dicht hinter uns, eine uns wohlbekannte Männerstimme, laut unsere Namen rufen.
Wir drehten uns um und glaubten nicht was wir sahen.
Es war unser Vater. Brav neben ihm sitzend, wie konnte es auch anders sein, Zita!
Sie hatte ihn in dem ganzen Tumult erkannt, sich losgerissen, ist zu ihm gerannt, um ihn zu begrüssen.
Unfassbar, dass sie ihn unter all den Menschen gefunden hatte. Wir fanden diese Leistung überaus beeindruckend, gleichzeitig fiel uns ein riesiger Stein vom Herzen vor Erleichterung, dass wir sie wohlbehütet zurückbekommen hatten.
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Der Beitrag wurde von Mirjam Horat auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.07.2009.
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