Christina Wolf

Mein unvergeßliches Erlebnis mit "Max"

Ich war vier Jahre alt, als wir umzogen in eine andere Stadt und bald darauf begann der erste Kinder- gartentag an der Hand meiner Mutter. Selbstbewußt und ohne Scheu, denn ich war eine Frohnatur, gab ich den beiden "Tanten", früher in den 50er Jahren nannte man sie so, die Hand. Sie hießen Erika und Hede, wobei mir die letztere besser gefiel. Es war ein kurzerWeg dorthin und so konnte ich schon allein am nächsten Vormittag mich auf den Weg machen, weil meine Mutter von unserem Haus aus die Eingangstür des Kindergartens sehen konnte. Alles schön und gut, wenn es für mich nicht vorher ein großes Hindernis zu überwinden gegeben hätte. Ein kleiner an sich harmloser weißer "Spitz", namens "Max", saß doch jeden Morgen um die gleiche Zeit bei noch so schlechtem Wetter brav auf dem Gehweg vor seinem Zuhause und beobachtete alles, was sich bewegte. Autos gab es zu dieser Zeit so gut wie keine und so konnte auch er ohne Gefahr herumstrolchen. Als ich ihn erblickte, blieb ich ratlos 2-3 Meter vor ihm wie angewurzelt stehen. Es halfen die aufmunternden Worte meiner Mutter von weitem nichts, doch weiter zu gehen, ganz langsam an ihm vorbei, er tut dir bestimmt nichts. Meine Blicke blieben auf ihn gerichtet, er bellte nicht, wedelte auch nicht mit dem Schwanz und ich wagte auch nicht ihn anzusprechen. So ging das eine Weile, ungefähr 5-10 Minuten, bis meine Mutter die Geduld verlor und mich etwas streng ermahnte, endlich in den Kindergarten zu gehen. Daraufhin überlegte ich nicht mehr lange und rannte, wie vom Teufel gejagt, an ihm vorbei. Er nicht faul und angriffslustig hinterher. Ich zog natürlich den kürzeren und fiel vor meinem Ziel hin und er zwickte mich ein wenig ins Bein. Da ich keineswegs empfindlich war, ließ ich mir weiter nichts anmerken und spielte fröhlich mit den anderen Kindern bis zur Mittagszeit. Seltsamerweise war "Max" nie um diese Uhrzeit draussen, wenn ich den Heinweg antrat. Scheinbar bekam er da sein Fressen oder legte sich auf`s Ohr. So ging das tagein, tagaus immer das gleiche unliebsame Spiel, man könnte es auch Affentheater nennen. Aber meine Mutter erbarmte sich nicht, ich hatte mich an ihre Anweisungen zu halten, und brachte mich nicht an Ort und Stelle. Sie wollte mich dazu bringen, keine Angst mehr vor "Max" zu haben, und vor allem sollte ich lernen, mich richtig zu verhalten. Aber das Resultat war gleich Null, bis der arme Max eines Tages aus Altersschwäche von der Bildfläche für immer verschwand. Mit einem lachenden, aber mehr noch mit einem weinenden Auge sah ich beim Vorübergehen immer auf den Platz, wo er mich erwartete. Vergessen konnte ich ihn nie, er fehlte mir sogar auf irgendeine Weise, denn er gehörte zu meinem Alltag wie das Aufstehen und das Zubettgehen, wie das Lachen und das Weinen. Und zum ersten Mal wurde mir bewußt, dass Abschied- nehmen sehr weh tat, besonders, wenn es für immer ist, wie in diesem Fall!

 

                                                                         E n d e

 

von Christina Wolf

 

 

Liebe Leser,
eine Geschichte aus der Kindheit meiner Mutter. Sie erzählte uns diese Geschichte sehr oft vor dem Zubettgehen und wir wollten sie immer wieder hören.
Vielleicht gefällt sie Ihnen auch. Das würde mich sehr freuen. Herzlichst Christina Wolf
Christina Wolf, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.07.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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