Hella Schümann

Gedanken aus einer fernen Zeit

 

Nach all den Jahren der Qualen und Verletzungen: Misshandlungen durch meinen Vater, Missachtung, Verachtung, Übergriffe, und vieles mehr, gab es plötzlich einen Mann, der mich so nahm ich bin. Er lobte meine Arbeiten, bewunderte sie sogar, hörte mir zu, tauschte sich mit mir aus und erfüllte mir Wünsche und vieles mehr. Ja, so hatte ich es mir vorgestellt, die Beziehung zwischen Mann und Frau. Es blieb nicht aus und obwohl er nicht mein Typ war, verliebte ich mich in ihn. Wir sahen uns nur einmal im Monat im Club, manchmal auch noch seltener. Wenn wir uns sahen, saßen wir manchmal stundenlang zusammen, obwohl da auch noch andere Leute waren, mit denen er sich gerne unterhielt. Ich wollte warten, bis er einen Schritt auf mich zu machte. Manchmal schien es so zu sein, doch wenn ich dann darauf einging, zog er sich wieder auf die alte Position zurück. Er machte extra einen Umweg, um mich zu einem auswärtigen Treffen abzuholen, so etwas kannte ich nicht. „ Nimm dir ein Taxi.“ Waren die Sprüche von früher aus der andere Zeit.

Ich war glücklich wie noch nie in meinem Leben. Meine Augen strahlten, meine Haut war trotz meines Alters von über 60 Jahren fast faltenlos, mein Gang war der einer 20 jährigen und ich konnte endlich von Herzen lachen. Ein halbes Jahr verging und die Freundschaft mit Roman dümpelte so vor sich hin. Dieses Glücksgefühl trug mich von Monat zu Monat, bis ich auf eine Idee kam. Wir sahen uns ja nur eingebettet in einen Club. Ich wäre gerne mal mit ihm ganz allein gewesen. So schickte ich ihm eine E-Mail mit der Frage, ob er nicht mal Lust hätte, mit mir in ein Cafe zu gehen. Ja, er wollte, kam sogleich die Antwort, allerdings war er im Augenblick beruflich sehr eingespannt, sodass wir es verschieben mussten. Wochen vergingen, es passierte nichts. Da war es wieder, mein Schritt vorwärts und sein Schritt auf der Stelle. Das Glücksgefühl trug mich. Manchmal wurde die Sehnsucht nach ihm so stark, dass es wehtat. Dann schrieb ich ihm eine E-Mail und ich hatte mir immer ein paar wichtige Fragen für diesen Fall aufbewahrt. „Vielleicht hat er Angst vor Nähe“ dachte ich, „sei vorsichtig und geh behutsam vor.“ Ich wartete und wartete 3 Monate lang, ich hatte ihn so lange nicht gesehen und das mit dem Kaffee trinken hatte sich wohl auch erledigt. Die Sehnsucht tat so weh, dass ich mir ein Herz fasste und noch mal nach dem Kaffee trinken fragte. Ich schämte mich ein bisschen dafür, doch ich musste was für mich tun, um nicht wieder in Depressionen zu fallen. Er antwortete sofort mit einem Termin und dieses Treffen war so schön, so unendlich schön, ich dachte, ich platze gleich vor Glück. Das Gespräch war eine einzige Harmonie in Dur, bis auf …

Er war in Urlaub gewesen und erzählte ganz entspannt, wie sie 4 Stunden lang zur Hütte hinaufgegangen waren, wie sie die Natur genossen hatten… Sie, sie beide, wer waren sie? Roman hat eine Lebensgefährtin. Ein schwarzer Vorhang zog sich über mein Herz und während er sich immer enger schnürte, erzählte ich locker und lachend meine Geschichten. So stark trug mich die Liebe zu Ihm, dass ich mir nichts anmerken ließ. 

Wieder vergingen Monate wir sahen uns wieder im Club, alles lief wie immer, dort jedenfalls. Ich war glücklich, ihn zu sehen, ich genoss seine Aufmerksamkeit und  seine Anerkennung. Nur zu Hause lief alles anders. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, ich ließ das Essen dauernd anbrennen, ich vergaß alles, verlegte alles und war traurig. Wie eine Kugel rollte Roman in meinem Kopf herum. Es half alles nichts, wenn ich gesund bleiben wollte, musste ich etwas tun, doch was? Ich grübelte und grübelte, bis sich ein Gedanke breit machte: Was hatte mein Leben für einen Sinn? Warum gab es für mich keine Liebe? Schmeiß dich vor den Zug, war der alleinige Gedanke. Was mich davon abhielt war nur der Lokführer, dem ich dann einen Schaden fürs Leben zufügen würde. Ich suchte nach Alternativen, denn auch ein Selbstmord muss gut geplant sein, damit er funktioniert. Da kam zufällig eine Freundin vorbei. Sie merkte sofort, wie es mir ging und sorgte für schnelle Hilfe. Trotz allem hielt ich immer den Kontakt zu Roman aufrecht, er war ein Strohhalm geworden. Er ahnte nichts von alle dem, in seiner Gegenwart blieb ich die alte lustige „ Freundin“.

Immer noch rollte die Kugel Roman in meinem Kopf herum, auch noch nach der 6-wöchigen Therapie. Nun konnte ich kaum noch meine Gefühle vor ihm verbergen, meine Hände zitterten wenn er sich neben mich setzte und beim Gespräch fing ich an zu stottern. Meine Ärztin riet mir, Roman zu sagen, dass ich mich in ihn verliebt hatte. Was blieb mir übrig? Ich schämte mich so, doch auf der anderen Seite wollte ich auch wieder ein normales Leben führen. Ich traf Roman also zum zweiten Mal zum Kaffee trinken. Als ich es ihm dann sagte, war seine Antwort: „ So ist das manchmal, der eine ist in der Beziehung und der andere verliebt sich. Das kann man nicht ändern.“

Mein Herz war wie versteinert, ich spürte nichts mehr und doch hatte mich sein Satz befreit, denn auf keinen Fall wollte ich seine Beziehung gefährden und ihn unglücklich machen. Wer wusste denn, ob wir überhaupt zusammen passen würden, in unserem Alter ist es schwierig, zueinander zu finden.

Ich sah auf mein Leben zurück und wusste, nicht Roman hatte ich geliebt, sondern das, was er mit mir gemacht hatte, er hatte mich zu einem wertvollen Menschen gemacht. 

Dafür danke ich ihm und für die schönen Gefühle, die ich einmal in meinem Leben genießen konnte. Das ist es, was mich zufrieden und glücklich macht.

Schön wäre es gewesen, wenn die Geschichte hier endete. Doch es gibt noch eine Fortsetzung. Als ich mit Roman mal zu einer Fotoausstellung ging und wir eine gemeinsame alte Bekannte dort trafen, entwickelte sich die Freundschaft und Liebe zu Roman in eine ganz andere Richtung. Ute war mit ihrem neuen Freund gekommen und ich hatte ja Roman mitgenommen, aber was die beiden, Ute und Roman, da abzogen hatte ich so noch nie erlebt. Sie flirteten miteinander und die Worte flogen wie Pingpongbälle zwischen ihnen hin und her. Beide hatten ihre "Partner" völlig vergessen, es gab nur noch sie beide auf diesem Flur, mindestens 20 Minuten lang. Da sah ich, wie Utes Freund plötzlich einen Schritt auf sie zuging und ihre Hand nahm. Sie merkte es fast garnicht, er tat mir leid. Ich war es gewohnt vergessen zu werden, aber es machte etwas mit mir, es verdünnte die Liebe zu Roman, nicht weil ich eifersüchtig war, sondern wegen seiner schlechten Manieren, seine Fassade bröckelte. Noch einmal wollte ich ihn zum Kaffeetrinken treffen, weil ich ihm sagen wollte, dass ich ihn nicht mehr liebte. Endlich war ich frei. Als ich ihm dann sagte, dass ich ihn nur geliebt hatte, weil er so gut mit mir umgegangen war, antwortete er: " Ich habe gelernt wie man mit Frauen umgeht, ich bin gecoacht worden, außerdem fand ich deine Fotos garnicht so gut."

5 Jahre hatte ich unter dieser ausweglosen Liebe gelitten. Hätte er mir gleich gesagt, dass er in einer Beziehung ist, wäre mir viel erspart geblieben.

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.07.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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