Meine erste Geschichte und die Folgen

  Es war in der so genannten schlechten Zeit, kurz nach dem Krieg.

Ich war so etwa 5 Jahre alt, und schon damals steckte  ich voller Geschichten, die jedoch niemand ernst nahm, geschweige denn hören wollte. Ich saß also bei unserer Schneiderin (ja, wir hatten eine Schneiderin, die unsere Kleider nähte) auf dem Küchenbüffet und erzählte ihr Auge in Auge die Geschichte meiner Geburt:

„Einmal, “ fing ich an, „hat meine Mutti Radio gehört und da hat ein kleines Mädchen so schön gesungen.“ Sie hat gesagt: „Das Mädchen möchte ich unbedingt haben.“ Die Schneiderin wollte wissen; „Wie bist du denn aus dem Radio gekommen?“„Meine Mutti hat das Radio hinten aufgeschraubt und hat mich herausgenommen.“ Die Schneiderin lächelte, ob sie mir die Geschichte wohl geglaubt hatte?

Das mit dem Schrauben kannte ich nämlich, denn mein Vater schraubte den ganzen Tag, wenn er zu Hause war. Ich dagegen sang manchmal und ich liebte meinen Gesang. Das Radio, war damals etwas Besonderes, das hatte nicht jeder.

Schade, dass meine Mutter all meine Talente wie auch meine Gesangskünste ein Leben lang erfolgreich unterdrücken konnte. Immer wenn ich anfing etwas zu erzählen hörte sie nicht zu und  wenn ich sang und ich sang gerne, sagte sie: „Ich hatte früher eine schöne Stimme.“ Ich habe sie nie singen gehört. Einmal als ich singend die Treppe herunterkam sagte sie abfällig: „Da kommt die Nachtigall vom Waldweg. Seit diesem Tag sang ich nie wieder zu Hause.

Dies ist ein Ausschnitt aus meiner AutobiografieHella Schümann, Anmerkung zur Geschichte

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