Opa, also der
Vater meines Vaters wohnte in H. Er besaß ein kleines Kaufhaus. Ich kann mich
noch gut daran erinnern, obwohl ich erst 3 oder 4 Jahre alt war. Da gab es
einen Schrank mit lauter Schubladen. Eine war gefüllt mit Kandiszucker, der an
einer langen Baumwollschnur klebte. Manchmal, wenn Opa mal nicht aufpasste,
verlor sich meine Hand zwischen dem Kandis und immer klebten ein paar
Bruchstücke daran. In jeder der Schubladen befanden sich andere lose
Lebensmittel wie Mehl, brauner Zucker, Salz und sie wurden mit einer Schaufel
in spitze Tüten gefüllt und auf einer Waage mit zwei Schalen abgewogen. Auf
einer Waagschale standen Gewichte und auf die andere legte man die Tüte und füllte sie so lange bis der
Zeiger in der Mitte stehen blieb.
Eines Tages saß
ich in der Küche und lutschte am Daumen. Da schimpfte Opa: „Nimm den Daumen aus
dem Mund, wenn du noch einmal am Daumen lutscht, dann kommt der
Daumenabschneider mit der großen Schere und schneidet dir den Daumen ab.“ Ich
kannte den Daumenabschneider wohl, denn ich besaß ein Buch von ihm.
(Struwwelpeter). Aber das war ja nur eine Geschichte.
Als ich mal wieder
in der Küche war, ich weiß noch, dass ich auf dem Tisch neben einem großen Spülbecken aus meliertem Stein saß und
genüsslich am Daumen lutschte, da öffnete sich plötzlich die Schiebetür und
eine riesige Schere durchschnitt die Luft. „Mein Opa macht einen Witz“, dachte
ich, doch oh weh, ein wildfremdes Gesicht erschien hinter der Schere. Schwupp war der Daumen weg, nämlich im Bund
meiner Schürze versteckt. Der Daumenabschneider verschwand wieder, doch als ich
aus dem Fenster sah, saß er auf der Stange am Feuerlöschteich und sah zu mir
herüber. Der wartete doch tatsächlich, bis ich wieder den Finger in den Mund schob.Ab
und zu klapperte er mit der Schere. Irgendwann war er verschwunden, doch Daumen
lutschen ist eben etwas, was ein kleines Kind von Herzen genießen kann.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.07.2009.
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