Hella Schümann

Meine Kindheit in den 40-ger Jahren

Opa, also der Vater meines Vaters wohnte in H. Er besaß ein kleines Kaufhaus. Ich kann mich noch gut daran erinnern, obwohl ich erst 3 oder 4 Jahre alt war. Da gab es einen Schrank mit lauter Schubladen. Eine war gefüllt mit Kandiszucker, der an einer langen Baumwollschnur klebte. Manchmal, wenn Opa mal nicht aufpasste, verlor sich meine Hand zwischen dem Kandis und immer klebten ein paar Bruchstücke daran. In jeder der Schubladen befanden sich andere lose Lebensmittel wie Mehl, brauner Zucker, Salz und sie wurden mit einer Schaufel in spitze Tüten gefüllt und auf einer Waage mit zwei Schalen abgewogen. Auf einer Waagschale standen Gewichte und auf die andere legte  man die Tüte und füllte sie so lange bis der Zeiger in der Mitte stehen blieb.

Eines Tages saß ich in der Küche und lutschte am Daumen. Da schimpfte Opa: „Nimm den Daumen aus dem Mund, wenn du noch einmal am Daumen lutscht, dann kommt der Daumenabschneider mit der großen Schere und schneidet dir den Daumen ab.“ Ich kannte den Daumenabschneider wohl, denn ich besaß ein Buch von ihm. (Struwwelpeter). Aber das war ja nur eine Geschichte.

Als ich mal wieder in der Küche war, ich weiß noch, dass ich auf dem Tisch neben einem großen Spülbecken aus meliertem Stein saß und genüsslich am Daumen lutschte, da öffnete sich plötzlich die Schiebetür und eine riesige Schere durchschnitt die Luft. „Mein Opa macht einen Witz“, dachte ich, doch oh weh, ein wildfremdes Gesicht erschien hinter der Schere. Schwupp war der Daumen weg, nämlich im Bund meiner Schürze versteckt. Der Daumenabschneider verschwand wieder, doch als ich aus dem Fenster sah, saß er auf der Stange am Feuerlöschteich und sah zu mir herüber. Der wartete doch tatsächlich, bis ich wieder den Finger in den Mund schob.Ab und zu klapperte er mit der Schere. Irgendwann war er verschwunden, doch Daumen lutschen ist eben etwas, was ein kleines Kind von Herzen genießen kann.

 

2. Geschichte aus meiner AutobiographieHella Schümann, Anmerkung zur Geschichte

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Hella Schümann).
Der Beitrag wurde von Hella Schümann auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.07.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

Bild von Hella Schümann

  Hella Schümann als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Kunterbunt von Marianne Reuther



Achtung; Alfons kommt, aber nicht mit auf die Reise nach Sizilien. Ob der Affenkummer am Tresen erörtert wird? Jedenfalls löst angebranntes Wasser nicht das Problem. Selten bekömmlich ist Ohrmuschelragout, Koch beschert es einen Blick zum gestreiften Himmel. Die Frage des Alibis wird vom Schleusenwärter überprüft. Wohin führt die Straße der Looser? [...]

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (2)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Autobiografisches" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Hella Schümann

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Die roten Linsen von Hella Schümann (Tiergeschichten)
die Geschichte vom Maffeiplatz ! von Egbert Schmitt (Autobiografisches)
DAS TANZENDE TULPENMÄDCHEN von Christine Wolny (Zauberhafte Geschichten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen