Evelyn Goßmann

Die Frühreifen

 

 

Junge, junge, ein Höllenlärm war das mal wieder im Raum. Alle sprachen durcheinander, lachten, erzählten oder lümmelten sich auf den Stühlen.

Kaum konnte die dunklere energische Stimme all das chaotische Durcheinander übertönen und klatschte daher mal ganz laut in die Hände.

Mannomann, das war ja heute wieder nicht auszuhalten. Frau Kirsch verdrehte die Augen und packte den an ihr vorübereilenden Volker mal schnell am Schlafittchen, der daraufhin gleich lauthals protestierte, er sei total unschuldig. Er war schon ein rechter Lausbub, und hatte den Kopf immer voller Streiche. So passierte es oft dass er in der Menge erst mal immer als derjenige herausgefischt wurde, denn dann war es schon gleich stiller im Raum. Ganz unschuldig war er eigentlich nie, obwohl er nicht wirklich ein Bösewicht war.

Mit einer leisen Verwarnung wurde er zu seinem Tisch dirigiert und angehalten etwas ruhiger zu sein. Brav kam er der Aufforderung nach, versuchte aber das Gemauschele zu erklären, doch eine abwehrende Handbewegung ließ ihn schließlich verstummen.

Tabea die ihm gegenüber saß hatte Mitleid mit ihm, und spürte ein seltsames Gefühl in der Herzgegend das sie nicht kannte, und auch nicht erklären konnte.

Aber es wurde leiser, das energisch Eingreifen zeigte Wirkung, zumindest für Momente. Jeder ging seiner Beschäftigung nach, hin und wieder kam es zu Neckereien, Stühle wurden gewippt und gekippelt, bis dann pardautz wieder eines mit dem Stuhl umkippte, was bei den anderen wieder großes Gelächter und neuen Lärm herauf beschwor. Wieder wurde gemahnt, der Schwerenöter bekam einen puterroten Kopf, und schlich verlegen an seinen Platz und schaute unverhohlen das blondgelockte Mädchen an das am Nebentisch saß. Wie erstarrt schien er plötzlich, kein Mucks kam mehr aus seinem Mund, nur die Augen schienen immer größer zu werden und hingen wie gebannt an dem lieblichen Gesicht. Das bemerkte auch Tabea, die neugierig seinem Blick folgte und dann plötzlich nachdenklich und etwas unzufrieden aussah.

Volker war toll fand sie, und wollte eigentlich genau so sein wie er, immer zu Streichen aufgelegt, lustig, und ständig von vielen Freunden umgeben. Sie war eher still, schon fast schüchtern, und beobachtete mehr als dass sie sich traute einfach mitzumachen.

Sie spürte wieder dieses merkwürdige Gefühl dass sie als so komisch empfand, als hätte sie Ameisen im Bauch. War ihr schlecht, oder hatte sie Fieber? Wurde sie etwa krank?

Plötzlich traf sie mit Volkers Blick zusammen, und fühlte sich wie elektrisiert. Ach es war toll dass er mit ihr an einem Tisch saß, aber sie schauten sich meist nur an, und sprachen wenig miteinander.

War sie aufgeregt, wenn ja warum nur? Sie stand plötzlich abrupt auf ohne zu wissen warum, warf dabei ihren Stuhl um der polternd zu Boden stürzte, ging zum Nebentisch und zog das Mädchen an den Haaren. Ganz gegen ihre Art handelte sie so, sie konnte nicht haben dass Volker das liebliche Puppengesicht so anstarrte. Da wurde sie auch schon beim Namen gerufen und bekam eine Strafe weil sie diese Handlung nicht erklären konnte. Frau Kirsch schüttelt daher auch verwundert den Kopf, das kannte sie doch sonst nicht.

Dadurch wurde aber auch der 'Angebetete' aufmerksam auf sie. Beide blickten sich an, wurden verlegen und machten wortlos weiter an ihren Arbeiten.

Später, beim Heimgehen als alle zur gleiche Zeit durch die Türe stürmen wollten stießen sie aneinander. Im letzten Moment erst bemerkte sie dass ihr ein rosarotes Himbeerbonbon hingehalten wurde. Hhm, ihre Lieblingssorte, die gab es nicht oft  zu Hause. Errötend, mit fragenden Blick schaute sie sich um als wäre es für jemand anderen gedacht. Ein aufmunterndes Kopfnicken sagte aber sie sei gemeint. Zögernd, aber mit einem flüchtigen Lächeln griff sie nun danach, bedankte sich leise und ging rasch weiter. Wieder rumpelte es so aufgeregt in ihr. Was war das denn nur?

Volker und Tabea wurden später ein Paar. Viel später erst erkannte das Mädchen dass sie schon im Alter von 3 Jahren so etwas wie Liebekummer hatte. Ja sie war verliebt gewesen damals schon, ohne es zu wissen. Volker war seit dem Tag nicht mehr nur der Schlingel der alles ausheckte, auch wenn er oft genug noch zur Strafe mit einer aufgesetzten langen roten Nase in der Ecke stehen musste. 

Tapfer ertrug er das denn dann hatte die anderen immer etwas zu lachen. Tabea aber ging seit dem Tag dann zu ihm und steckt ihm verstohlen auch ein Bonbon zu um ihn zu trösten.

Sie verstanden sich nun durch ein Lächeln und waren bald auf ewig unzertrennlich.

Das Engelsgesicht mit den blonden Locken war nicht mehr wichtig. Dafür aber die rabenschwarzen, mit Perlen durchzogenen Rattenschwänzchen von Tabea. Oft stand er mit sehnsüchtigen Blicken in einiger Entfernung vor ihrem Haus und wartete ob sie vielleicht runter kam zum Spielen. Protzig kam er sich vor der kleine Kerl, der ihr mit seinem Tretroller zu imponieren suchte, und es auch schaffte. Mal eine Runde damit fahren dürfen war zu der Zeit das Allergrößte.

Sogar einen anderen eifersüchtigen kleinen Freund gab es da, der immer brav und unauffällig geblieben war – Jürgen der unendlich litt, wenn die beiden nun miteinander lachten, scherzten und spielten.

Behutsam war sie gewachsen die Kindergarten Liebe zu einer unendlich großen für's Leben.

Kamen sie später mit den damaligen Freunden zusammen hießen sie nur: die beiden Frühreifen...

Heute allerdings konnten sie alle miteinander ausgelassen darüber lachen und hatten  ihren Spaß bei den Erinnerungen aus der Kindergartenzeit. Jürgen war viel, viel später tatsächlich mit dem blondgelockten Puppengesicht zusammen gekommen und alle hatten nach vielen Jahren  ihren Spaß wenn sie an diese  Zeit zurück dachten.

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Evelyn Goßmann).
Der Beitrag wurde von Evelyn Goßmann auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.08.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

Bild von Evelyn Goßmann

  Evelyn Goßmann als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Wörterworte von Iris Bittner



Ich bin nur ein armer Poet
reime und schreib hie und da ein Gedicht.
Wie´s meinem Girokonto geht?
Lieber Himmel, frag lieber nicht!

So beginnt die Autorin dieses Buch mit vielen kürzeren oder längeren, aber meist heiteren Gedichten über die vielen All-täglichkeiten, die sie - und wie wir beim Lesen festellen - auch uns bewegen und beschäftigen. Doch unversehens werden die Texte ernster [...]

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Kindheit" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Evelyn Goßmann

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Lars besorgte Fragen von Evelyn Goßmann (Leben mit Kindern)
...Eiszeit.. von Annie Krug (Kindheit)
Auf der Suche nach Manieren von Isabel Seifert (Humor)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen