Klaus Lutz

Der Arztbesuch 4

 


Irgendwie ist die Spannung weg! Es fällt mir
schwer zu Schreiben. Jedes Wort ist nur noch
wie ein Berg. Der meinen Gedanken im Weg steht.
Der meine Phantasie erdrückt. Ein Berg, der
mehr und mehr zu einem unüberwindlichen Hinder-
nis wird. Ich will es versuchen, trotzdem ein
paar Worte zu sagen. Zu all dem was das Leben
noch ist. Ich kann das aber auch benden. Schon
in der nächsten Sekunde. Denn mir fehlt jede
Kraft. Ich habe die Nacht da gelegen. Ohne je-
den Schlaf. Mir nur diese Zelle angesehen. Die-
se weißen Wände. Genau so wie sich mein Leben
im Augenblick zeigt. Die Titanic all meiner
Phantasie. Das größte was die Welt je gesehen
hat. Auch Sie ist zerschellt. Auch sie ist an
einem Eisberg untergegangen. Diese Nacht!


Um 22:00 habe ich den Wärter gerufen. Wegen ein-
er Zwischenmahlzeit. Und er hat mich nur komi-
sch angesehen. Sich wieder auf seinen Stuhl ge-
setzt. Und einfach Zeitung gelesen. Völlig un-
berührt. Nach einer Stunde hat er den Arzt ge-
rufen. Der hat mir etwas gespritzt. Dann war
mein Hungergefühl weg. Um fünf Uhr bin ich dann
aus der Zelle geholt worden. Von 4 Pflegern. Die
haben mich in den Rollstuhl gesetzt. Einen Spe-
zialrollstuhl. Und dann in einen Desinfektions-
raum gefahren. Da bin ich dann 30 Minuten mit
Spezialchemikalien abgespritzt worden. Zwei Pfle-
ger haben die Fettwülste von mir hoch gehoben.
Eingeseift und dann auch alles mit einem Schlauch
weg gespritzt. An der Wand war ein Spiegel. Da
konnte ich zum erstenmal seit Jahren wieder mei-
nen Penis sehen. Er ist klein geworden. Winzig!
Wahrscheinlich durch diese Syphilis. Diese Kilos
von Fett. Die immer auf ihn drücken. Und ich auch
seit Jahren nicht mehr masturbiert habe. Von den
16 zentimetern die er mal hatte, sind vielleicht
noch drei Zentimeter übrig. Dann hat sich mein
Darm unvorhergesehen entleert. Die Pfleger sind ruhig
geblieben. Nur eine paar komische Blicke. Aber
ich habe mich gewundert. Was sich in einem Darm
so alles ansammelt. Das war ein Berg Scheiße von
mindestens 5-6 Kilos. Aber danach habe ich mich
gut gefühlt. Dann bin ich wieder in eine Unter-
suchungsraum gebracht worden. Der Arzt hat sich
all meine Geschwüre angesehen. Einige hat er auf-
geschnitten. Der Prozeß der Heilung verläuft dann
schneller. Vor allem sind es die Eiterbeulen,
die sich in den Speckfalten bilden. Das ist das
Problem. Dann bekam ich wieder eine paar Injek-
tionen.

Was nebensächlich ist. Aber vielleicht doch inte-
ressant ist zu erwähnen. Die ganze Zeit saß so eine
Ärztin in der Ecke. So umd die 30 schlank! Absolut
hübsch. Und hat alles beobachtet. Ohne etwas zu no-
tieren. Nur beobachtet. Ohne komisch zu lächeln.
Oder sich irgendwie zu äussern. Ich will die Wahr-
heit sagen. Was mich fasziniert hat. Ich fand sie
Attraktiv. Nach all dem bin ich dann wieder in die
Zelle gebracht worden. Was beinahe einer Katstrophe
war. Ein Teil von Fett war eingequetscht zwischen
dem Seitenteil und dem Rad.

Dann gab es Frühstück. Wobei der Wärter erwähnt hat
das wäre eine doppelte Portion. Vier Brötchen etwas
Marmelade und Butter ist eine doppelte Portion. Ich
habe das einfach so genommen. Ohne eine Äusserung
von mir. Dann habe ich Ihn nach einem Nacktmagezin
gefragt. Ich lese regelmäßig den Hustler. Für mich
ein Magazin mit Kultur und Wahrheit, ohne schnick
schnack. Der Wärter hat mich nur komisch angesehen.
Ich habe mich einfach wieder auf die Pritsche gelegt.
Und irgendwie bekam ich Probleme mit dem Kreislauf.
Es war einer meiner Fettwülste auf, der ich gelegen
habe.

 

Die Nummer 3 von dem Arztbesuch, befindet
sich unter Gedichten! lg klaus!

Es gibt Schriftsteller die sagen: "Alles
was wir schreiben ist auch Autobiogra-
fisch. Dennn es spiegelt immer unser
Denken wieder. Schreiben ist immer das
intensivste was ein Mensch machen kann.
Sich mit dem Leben auseinandersetzen
mit dem Wieso und Warum. Es gibt Dinge
die sehr viel Energie fordern. Aber am
Ende mehr, unendlich viel mehr wieder
geben. Reisen ist so was. Echtes Reisen.
Also kein Urlaub. Reisen um zu verstehen.
Das ist sehr intensiv. Und fordert alles
an Enregie was ein Mensch hat. Ich woll-
te schon sagen, es sind Grenzerfahrunmgen.
Aber das ist zu abgegriffen. Es ist mehr
als das. Mehr als Grenzerfahrungen. Es
ist der Beginn eines völlig neuen Lebens.
Es ist ein Neuanfang. Echtes Reisen ist
ein Neuanfang. Der neue Begiinn des Le-
bens. Es stellt alles in Frage und läßt
alles nichtig werden was ein Mensch weiß.
Es sind andere Menschen andere Ideen.
Eine ganz eigene Kultur. Das Reisen. Das
sehen der Welt. Mir bleibt durch diese Schwerbehinderung, nur noch das Schreiben.
Und das scheiben bestätigt und stellt in
Frage. Es ist eine Entwicklung. In Wahr-
heit ist es wie Mathematik! Nur eben die
Mathematik des Lebens. Die Formeln des
Lebens neu Interpretieren. Vorausgesetzt
man kennt sie. Die voraussetzung sie zu
kennen, ist wie das Reisen. Das Leben sehen.
Die Reisen des Lebens! Die Reise zu mir.

Oder fangen wir Neu an. Dem Atmen einen Sinn
geben. Dem Essen einen Sinn geben. Dem was
ich sehe, einen Sinn geben. Es ist diese
Formel des Lebens: Nutze die Energie, die Du
zu Dir nimmst Sinnvoll. Gib etwas davon zu-
rück. Gib dem was Du atmest, was Du siehst
was Du ißt einen Sinn. Gib dem Leben etwas
zurück. Du nimmst Leben. Also gib auch Leben
zurück. Dann bleibt die Welt Lebendig. Und Du
wirst Lebendig. Verwandele das Leben von Dir
in etwas lebendiges. Leben kann jeder. Aber
lebendig dabei zu sein, das ist das Leben.
Klaus Lutz, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.08.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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