Celine Radau

wasser

Das Wasser benetzte ihre nackten Füße und sie trat einen Schritt zurück. Sie wusste nicht warum, aber sie war vor der Temperatur zurückgeschreckt. Sie machte ein paar unsichere Schritte wieder nach vorn und genoss das Prickeln, dass das kalte Wasser auf ihrer Haut verursachte. Das Wasser umspülte nun ihre Knöchel und die leichten Wellen schwappten hinauf zu ihrer Wade und Kniekehlen. Sie atmete einmal tief durch und spürte wie der Sauerstoff in ihre Lungen gelangte. Während sie Luft holte, schloss sie die Augen. Die Finsternis, die beim Schließen ihrer Augen entstand, unterschied sich nicht viel von der Finsternis draußen am Strand. Kein einziger Stern funkelte am Horizont und das sonst von den Spiegelbildern der Sterne leicht erhellte Wasser, war nun pechschwarz. Mit ihren Jadegrünen Augen blickte sie sich um. Der sonst so belebte Strand war nun menschenleer, nur ein paar Sonnenschirme, Liegestühle und Müll erinnerten noch an den heutigen Tag, der die Besucherrekorde des Strandes hier in Miami, wohl gebrochen haben könnte. Im Gegensatz zu den rekordverdächtigen Temperaturen am Tag, war diese Nacht besonders kalt. Doch trotz der ungewöhnlichen Kälte, trug sie ein sonnengelbes Strandkleid. Ein Windstoß spielte mit ihren haselnussbraunen langen Haaren und ließ ihr Kleid flattern. Sie kam öfters hierher, doch es war die erste Nacht in der sie wirklich allein war. Und diese Gelegenheit wollte sie nutzen. Sie entfernte sich ein wenig vom Wasser und holte einen kleinen Beutel von der Uferpromenade. Diesen befestigte sie an einem weißen Sonnenschirm von ihrer Mutter, den sie aus dem Haus gestohlen hatte und von dem  sie wusste, dass ihre Mutter ihn suchen würde. In dem Beutel befanden sich ihr Schmuck, ein paar Briefe und ihr Lieblingskleid. Ein letztes Mal ließ sie ihren Blick über den Strand gleiten, ein letztes Mal dachte sie an die Uferpromenade mit dem leckeren Eis, ein letztes Mal dachte sie an ihr schönes Zu Hause, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit dem Wasser zu. Mit selbstbewussten Schritten ging sie darauf zu, sie wurde erst langsamer als das Wasser ihre Oberschenkel  berührte. Der Saum ihres Sommerkleides war schon durchnässt und mit jedem Schritt den sie machte, wurde ihr Kleid dunkler und nasser. Das Kleid klebte an ihrem Körper und das kühle Wasser, das ihr nun schon bis an die Hüfte reichte, machte es leicht durchsichtig. Mit beiden Händen umklammerte sie einen Stein an ihrer Kette. Sie war ein Geschenk ihres Freundes gewesen und hatte ihr immer Glück gebracht, nun sollte sie ihr mit in den Tod folgen. Sie wickelte die Kette um ihre Handgelenke und band sie so zusammen, dann ging sie weiter, immer mehr in Richtung offenes Meer. Sie wusste, würde sie nicht ertrinken, so würde sie erfrieren. Kein 10 Sekunden später reichte das Wasser ihr bis an den Hals, doch sie blieb erst stehen, als es kurz vor ihrem Mund war. Sie schluckte und spürte schon das Salz in ihrem Mund und auf ihren Lippen. Sie holte einmal tief Luft und dann machte sie den entscheidenen Schritt. Nun war sie ganz unter Wasser. Da sie aber eine gute Taucherin war, wusste sie, dass die Luft in ihren Lungen noch etwas halten würde und so ging sie unter Wasser weiter, biss ihre Füße nicht mehr den sandig, weichen Boden berührten. Langsam ging ihr die Luft aus. Ihr ganzer Körper versuchte an die Oberfläche zu kommen um Luft zu holen, doch die Kette und die Kälte machten sie Bewegungsunfähig. Sie wand sich, als die Wassermassen auf sie eindrückten. Da sie aber wusste, wie willensstark sie war, machte sie ein paar Beinzüge nah vorn, weiter hinaus ins Meer. Die Wellen drückten sie nach unten und die Luft in ihren Lungen wurde knapp. Das einzige was sie sah, war das tiefblaue Wasser, hier und da ein paar Algen und andere Pflanzen. Das Salz brannte in ihren Augen, als sie versuchte zu blinzeln. Ihr Haar bildete einen Kranz um ihren Kopf und Algen verfingen sich darin, so das es aussah, als ob sie grüne Strähnen hätte. Ihre zusammengebunden Hände hinter ihrem Rücken wurden langsam taub, einerseits durch das eiskalte Wasser, andererseits durch die Kette, die den Blutfluss in ihre Händen unterbrach. Sie atmete durch die Nase aus und kleine und große Luftblasen stiegen nach oben. Sie schaute ihnen nach, wie sie irgendwann an der Oberfläche zerplatzten. Die Wasseroberfläche schien für sie unerreichbar, egal wie sehr sie sich bemühte. Und genau das war es, was sie wollte. Genauer gesagt wollte das ihre große Schwester. Bei jeder Gelegenheit hatte sie ihr den Tod gewünscht und das nur, weil ihre Mutter sie lieber mochte. Ihre große Schwester war immer im Mittelpunkt gewesen und dann kam sie. Seit sie denken konnte, hasste ihre große Schwester sie, dabei hatte sie sie immer als Vorbild gesehen. Als ihre Superschwester. Doch ihre Superschwester hatte ihr immer den Tod gewünscht, hatte sie gedemütigt, bloß gestellt und lächerlich gemacht und ihr sogar nun den Freund ausgespannt und das alles nur, weil sie nicht mehr der Star war, weil es jemanden gab, der hübscher war als sie. Nun sollte ihre große Schwester das bekomme was sie so  sehr verlangt hatte, ihren Tod. Ihre ausgedörrten Lungen schrien nach Sauerstoff, alles in ihrem Körper wehrte sich gegen die langsam beginnende Bewusstlosigkeit. Ihre letzten Gedanken kreisten um ihre Mutter, ihre egoistische Schwester und ihre Freunde. Dann wurde ihr Schwarz vor Augen und der Tod nahm Besitz von ihrem Körper und Geist. Und so schwebte sie wie ein Geist durch das Wasser. Und niemand wusste wo sie war und warum sie das getan hatte. Einzig und allein das kalte, geheimnissvolle Meer.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.08.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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