Jürgen Berndt-Lüders

The power of butterflies

Wenn sich die Liebe nicht entmachten lässt...

 

Die Caretowwn AG hatte Konkurs angemeldet. Die Zeit, in der sich jeder Consumer gefreut hatte, alles in einem einzigen Unternehmen kaufen zu können, war vorbei. Die Kunden wurden immer weniger, und täglich fuhr man Verluste ein.

 

Los Angeles lag im Sonnenschein, als Ramon heute früh seine Letterbox öffnete. Kein Kündigungsschreiben, aber irgendwie erleichterte ihn diese Tatsache nicht. Er rief Frederic an und fragte ihn.

 

„Meine Kündigung hatte ich gestern schon“, murmelte der und unterdrückte seine Emotionen. „Und alle anderen meines Wissens auch.“

 

„Ich nicht“, wunderte sich Ramon und fuhr die Mexico Avenue hinunter. An dessen Ende lag der Glaspalast der Caretowwn, der letzte einer einst stattlichen Reihe von Kaufhäusern.

 

Der Assistent der Geschäftsleitung, Mister Addicks, ein ziemlicher Arschkriecher, hatte bereits auf Ramon gewartet.

 

„Rauf zur Chefin“, rief Addicks und grinste anzüglich. Ramon war nicht klar, was dieses Grinsen hätte auf sich haben können und er sah den widerlichen Typen verwundert an.

 

„Welche Chefin? Mrs. Grousouski, die Abteilungsleiterin?“

 

„Na, die richtige Chefin. Oder wenn Sie so wollen, die Hauptaktionärin der Caretowwn, Mrs. Wellington. Sie wird Ihnen die Kündigung wohl persönlich übergeben wollen.“

 

Die Bonzenschleuder schleuderte Ramon nach oben, und während der Fahrstuhl stieg, dachte Ramon angestrengt darüber nach, aber ihm fiel keine Lösung ein. Weshalb sollte Mrs. Wellington ihn persönlich mit der Kündigung abfertigen wollen?

 

Mrs. Wellingtons Sekretärin, Miss Palms, sah nicht einmal von ihrer Arbeit auf und winkte Ramon durch. Bemerkte er eine Art Verachtung in dieser weit ausholenden Bewegung?

 

Ramon betrat das Allerheiligste, und eine Art ehrfürchtiger Schauer überlief ihn, der durch die Aussicht auf die Kündigung getrübt wurde.

 

Mrs. Wellington stand am Fenster und sah auf Los Angeles hinab, auf den brodelnden Verkehr und auf die grünen Oasen, die das Stadtbild angenehm unterbrachen. Sie wies über die Schulter auf den schweren Ledersessel auf der Besucherseite ihres Schreibtisches.

 

„Setzen Sie sich, Ramon“, sagte sie, verschränkte die Arme und drehte sich aufreizend langsam zu ihm. „Ich darf doch Ramon sagen?“

 

Wieder dieses Grinsen, was schon Mister Addicks drauf gehabt hatte.

 

Ramon blieb stehen. Seine Kündigung konnte er auch senkrecht in Empfang nehmen.

 

„Sie werden sich sicherlich wundern, weshalb Sie ihre Freisetzung noch nicht haben und weshalb  ich meine Zeit mit Ihnen verbringe. Ich sage es Ihnen. Sie sind mir aufgefallen.“

 

Ramon setzte sich nun doch. Das kalte Leder senkte seine Temperatur. „Wodurch?“, fragte er.

 

„Nun, Sie sind ein ausgezeichneter Decorater, jemand mit Kunstverstand und Geschick. Durch Sie und Ihre prachtvollen Schaufenster haben wir sicherlich einiges mehr verkauft, als wir ohne Sie verkauft hätten. Solange es noch lief“, schränkte sie ein.

 

„Und jetzt soll ich Ihre Firma retten?“

 

Wellington lachte gequält. „Nein, Sie sollen nicht das Unternehmen retten, Sie sollen etwas ganz Anderes. Kommen Sie“, rief sie, zog Ramon am Arm bis ans Fenster und betrachtete ihn im Licht der Sonne mit einer gewissen Gier im Blick.

 

Die Berührung und der Gesichtsausdruck dieser Frau bereitete ihm Unbehagen.

 

„Jetzt, wo Caretowwn liquidiert wird, kann ich mich endlich meinem Leben widmen. Ich kann das tun, was ich immer schon wollte.“

 

Ramon stutzte. Er verstand kein Wort. „Und was wollen Sie tun?“

 

„Mein Geld ausgeben. Mit einem Mann zusammen, der immer für mich da ist, der mit mir lange Reisen unternimmt, nach Asien, nach Europa, überall hin, wo ist schön ist. Der mit mir in teuren Hotels absteigt, und mit dem ich heiße Nächte feiern kann.“

 

Sie wirkte plötzlich zehn Jahre jünger.

 

„Warum retten Sie mit Ihrem Geld nicht das Unternehmen?“, fragte Ramon.

 

Wellington hörte Unmut aus seinen Worten, was ihr gar nicht zu gefallen schien.

 

„Die Zeit der Konsumtempel ist vorbei“, schnarrte sie. „Wollen Sie nun, oder wollen Sie nicht?“

 

Ramon löste sich von ihr und setzte sich wieder. Er schlug die Beine übereinander und bemerkte mit Genugtuung, wie Wellington die Finger an die Lippen legte und darauf trommelte.

 

„Ich überschreibe Ihnen auch einen Teil meiner Aktien an Standard Oil, damit Sie sich nicht wie ein Gigolo vorkommen“, schlug sie unsicher vor.

 

Ramon kam sich nicht wie ein Stricher vor, was verständliche gewesen wäre. Er dachte an seine Liebe und sprang auf.

 

„Nein, schicken Sie mir die Kündigung“, schlug er vor. „Ich kann so etwas nicht.“

 

„Sie werden es schwer haben...“, rief sie ihm nach, aber das hörte er schon nicht mehr.

 

Ramon nutzte die Treppe. Der Fahrstuhl war ihm plötzlich zuwider.

 

Unten wartete Frederic. Der zog ihn hinter eine Säule, küsste ihn heiß und nahm ihm den letzten Atem.

 

„Ich kenne einen Journalisten, den könnte das interessieren“, fiel Frederic ein, als Ramon ihm alles erzählt hatte....

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.08.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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