Jürgen Berndt-Lüders

Ein romantisches Date

Sie hatte ihn angeschrieben und ihn für seine Artikel gelobt. Und ausgerechnet einen, der ihm viel zu romantisch geraten war, fand sie besonders toll.

 

Er hatte keine Ahnung, wer sie war, aber sie schien in seiner Gegend zu wohnen, und weil er gerade einen hoffnungslosen Kontakt abgebrochen hatte, freute er sich über die Nähe.

 

Sie telefonierten. Sie gab ihm ihre Handynummer, und weil er keine Flatrate für so was hatte, beschloss er, nach einer angemessenen Zeit nach ihrer Festnetz-Nummer zu fragen.

 

Die Verbindung war nicht besonders gut. Zwischen Hören und Sprechen lag eine halbe Sekunde, was dazu führt, dass man sich ins Wort fällt. Er kannte das von einigen Anbietern.

 

Im Hintergrund lief Xavier Naidoo.

 

...schaff ein kleines bisschen Klarheit

und schau wie sich der Schleier hebt

eine Wüste aus Beton und Asphalt...

 

Er mochte diesen Sänger nicht. Der war ihm zu schnulzig, und bereits dieser Punkt bedeutete für ihn einen schlechten Anfang.

 

„Ihr seid also Rudolph R.“, stellte sie fest.

 

Sie sprach ihn merkwürdigerweise in der Dritten Person an, wie in einem vergangenen Jahrhundert, und auch das fand er nicht so toll. Aber vielleicht deutete ja gerade dies darauf hin, dass sie keine routinierte Internet-Biene war, die jeden Tag zu einem anderen Mann Kontakt aufnahm. Auch ihren Namen nannte sie nicht, wobei ihm aber ihre Stimme gefiel. Sie klang mädchenhaft hell, verspielt, und das deutete auf eine zarte Person hin.

 

War sie vielleicht ein wenig neben der Rolle?

 

„Kann ich Euch nicht im Festnetz anrufen?“ fragte er und spielte das Spiel mit.  

 

„Ich verfüge nicht über so etwas“, bekannte sie beiläufig.

 

Okay, dachte er. Wer nicht viel telefoniert, spart die Grundgebühr, wenn er keinen Festnetz-Anschluss hat.

 

„Wie darf ich Euch ansprechen?“, fragte er vorsichtig.

 

„Sagt Komtesse, das ist mein Titel“, schlug sie vor.

 

Die Verbindung wurde immer schlechter.

 

Eine Irre, dachte er. Gleich behauptet sie, dass sie im Mittelalter lebt und dass ihr das Handy durch einen Zeitsprung in die Hände gefallen ist.

 

„Ich heirate nicht unter meinem Stand, Rudolph R. Welchen Titel tragt Ihr?“

 

Langsam machte ihm die Sache Spaß. „Sagt Eure Lordschaft zu mir“, rief er und unterdrückte ein Lachen.

 

Für sie schien das normal zu sein. „Ich nenne Euch Lord Rudolph“, beschloss sie. „Sagt Ihr bitte, ob Ihr mich sehen wollt.“

 

„Das entspräche meinem Begehr. Wo kann ich Euch treffen?“

 

„Trefft mich auf dem Schloss meines Vaters. Verfügt Ihr über ein Navigationsgerät?“

 

Er prustete innerlich los. Mit dem Mittelalter schien sie es nicht zu haben. „Wenn Ihr nicht gerade einen Sextanten meint. Den braucht eben der Kapitän eines meiner Frachtsegler.“

 

„Nein, ein ganz normales Tomtom braucht Ihr. Stellt „Schloss Tiefenwassers“ ein, dann führt es Euch zu mir. Und kleidet Euch bitte standesgemäß.“

 

„Wann ist es Euch genehm?“

 

„Sagen wir, morgen gegen zehn? Da reitet mein Vater zur Jagd aus. Wir treffen uns direkt an der Freitreppe.“

 

„Sehr wohl, Komtesse“, bestätigte er und legte auf.

 

Er atmetet tief durch. So ein Schmarrn. Was hatte diese Frau mit ihm vor? Sicherlich war sie eine Verrückte, aber eine mit viel Phantasie, und vielleicht ergab sich ja ein netter Vormittag.

 

Wie gut, dass er in einer Großstadt wohnte, wo einem Vieles zur Verfügung stand...

*

Das Kostüm Heinrich des Achten, der einige seiner Frauen umgebracht hatte, war schwer zu tragen und noch schwerer zu ertragen. Das Ding drückte und kniff überall.

 

Glück hatte er gehabt, dass seine Schwester beim Theater im Fundus beschäftigt war und ihm das Kostüm schnell besorgen konnte. Das Barett setzte er erst auf, als sein geliehener, weißer Mercedes 300 SEL durch das Schlosstor fuhr.

 

Der Butler öffnet eben den Schlag, als sich das Portal öffnete und ihm eine Frau entgegen tänzelte, eine Lady besser gesagt, denn sie trug ein langes Spitzenkleid mit riesigem Ausschnitt bis zum Bauchnabel, Modell Rokoko, und unter dem verspielten  Hut wagten sich einige Locken hervor. Sie eilte ihm mit zierlichen, anmutigen Schritten entgegen und hielt die Hand zum Handkuss bereit. Rudolf deutete denselbigen an, und sein Verhalten schien ihren Erwartungen zu entsprechen.

 

„Ich muss Euch das erklären“, vermutete sie. „Mein Name ist Ingelore, ich bin bürgerlich und beileibe keine Komtesse, aber ich liebe es exotisch und suche einen Prinzen.“

 

Rudolph lachte. „Im Grunde sucht jede Frau einen Prinzen, aber nur wenige finden einen.“

 

Sie musterte ihn. „Vielleicht seid Ihr ja einer. Lasst uns in der Gartenlaube dinieren.“

 

„Mit Verlaub“, wandte der Butler ein. „Sie haben nur für eine halbe Stunde gemietet. Um halb elf haben wir hier eine Hochzeit, und um zwei eine Beerdigung.“

 

Rudolph lachte. Er fand diese Ingelore ganz entzückend. Auf was für Ideen die bloß kam...

 

„Fahren wir in mein Stammlokal“, schlug Rudolph vor. „Der Wirt ist einiges von mir gewöhnt.“

 

„Übernehmen Sie die Kasse?“, fragte der Butler, und Rudolph nickte und zeichnete die Rechnung ab.

 

„Ein weißes Ross hast du als Prinz also auch“, lobte Ingelore und tätschelte den Mercedes. Es drückte sie in die roten Sitze, als der Wagen beschleunigte.

                       

 

 

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