Elke Birninger

Das Erwachen der Plüschbären

 

 

Henrik rieb sich die Augen. Wo war er bloß? Ein zarter Lichtschein durchbrach hier und da das Dunkel, es war unheimlich still. Da fiel es ihm ein: Er war mit der Mutter ins Kaufhaus gegangen. Sie wollte sich ein neues Kleid kaufen, das dauerte sehr lange. Anfangs war Henrik noch zwischen den Kleiderständern herumgetobt, doch dann wurde er müde und rollte sich in einer leeren Kabine zusammen. Dort war er eingeschlafen. Jetzt lag alles verlassen im Licht der Notbeleuchtung.  Henrik ging die Rolltreppe hinunter und hörte plötzlich ein zartes Stimmengewirr. Es kam aus der 2. Etage. Dort gab es Spielzeug. Gerade heute hatte er die Bären gestreichelt und mit Bausteinen gespielt. Es zog ihn nun magisch in diese Abteilung. Angst verspürte er keine, mit 5 Jahren war er ja schon groß.

 

Henrik ging auf die Geräusche zu und blieb verdutzt stehen. Was war denn da los? Alle Plüschtiere bewegten sich und redeten laut. Sie waren aus den Regalen gesprungen, tanzten und purzelten durch die Gegend. Henrik konnte sich vor lauter Staunen kaum bewegen. Da hatten sie ihn entdeckt. War das ein Spektakel, alle stürzten auf ihn zu. Henrik wurde es nun doch mulmig, er versteckte sich in einem kleinen Indianerzelt.

 

„Henrik, hab keine Angst, wir tun Dir nichts, wir mögen Dich doch“ hörte er eine tiefe Bärenstimme. Er steckte den Kopf zum Zelteingang heraus und sah Teddys in allen Größen und Farben vor sich. „Komm heraus und sprich mit uns. Wir freuen uns, endlich mit Dir reden zu können“ wiederholte der große schwarze Bär, der gerade gesprochen hatte. „Woher kennt Ihr mich und wieso könnt Ihr reden?“ fragte Henrik, nun schon etwas mutiger. Der große Bär sagte: „Du bist uns wohlbekannt. Jedesmal, wenn Du hier bist, streichelst Du uns, guckst uns lieb an und legst uns sogar ordentlich in Regal, wenn uns andere einfach achtlos herunter geworfen haben. Dass Du uns liebst, spüren wir genau. Auch hast Du noch nie gesagt, dass einer von uns häßlich sei oder dumm guckt. Das machen viele andere Kinder. Oft tun sie uns nicht nur mit Worten weh, sondern zerren an uns herum, verletzten uns sogar. Deinen Namen haben wir von Deiner lieben Mutter gehört. Sie hat ja auch schon oft einen von uns für Dich gekauft.“ „Ja, das stimmt. Ich habe viele Bären zu Hause. Da hat man immer jemanden zum Kuscheln, auch wenn man traurig ist.“ „So soll es sein, dafür sind wir da.“

 

„Aber wieso seid Ihr lebendig?“ „Das werden wir immer um Mitternacht. Eine Stunde dürfen wir uns bewegen und reden. Um 1 Uhr ist  alles vorbei, wir sind wieder steif und scheinbar leblos. Aber unsere Seelen können alles hören und fühlen.“ „Ist das bei mir zu Hause auch so?“ „Aber ja, doch Du schläfst um diese Zeit und merkst es nicht. Und nur Kinder mit einem lieben, einfühlsamen Herzen können uns lebendig erleben. Die anderen nicht.“ „Da habe ich ja Glück“ lachte Henrik, kuschelte mit allen und zauselte sie zärtlich. Er spielte mit ihnen, tanzte und tollte durch die Reihen. Gerade als er auf eine Giraffe klettern wollte, fiel er herab. Alles um ihn herum wurde schwarz.

 

Als er wieder zu sich kam, lag er vor seinem Bett, den Lieblingsbär im Arm. Die Sonne schien hell und die Mutter kam herein und fragte besorgt, ob etwas passiert wäre. Henrik sah sie verwundert an „Woher kommst Du denn, das Kaufhaus ist doch leer und dunkel, nur die Bären sind wach. Wo sind sie alle hin?“ Da strich ihm die Mutter liebvoll über den Kopf und sagte: „Du hast fest geschlafen und geträumt. Hast Du Bären gesehen?“ Da erst begriff Henrik, dass er zu Hause war und erzählte seine Erlebnisse aufgeregt der Mutter. „Schade, dass ich das nur geträumt habe oder ist es vielleicht doch wahr?“

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.08.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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