Es war fast elf
Uhr, als der Staubsaugervertreter an der Haustür klingelte. Ein gutaussehender
Mann lächelte Maike Braun an. Er war Mitte dreißig und trug einen teuer
aussehenden dunkelbraunen Anzug. Seine Füße steckten in auf Hochglanz
gebrachten schwarzen Lederschuhen. Er war ein Vertreter, das erkannte Maike
sofort. Sie hatte schon unzähligen dieser Kerle die Tür geöffnet, und viele von
ihnen waren so dreist gewesen, sich nicht abschütteln zu lassen. Also hatte
Maike sie hereingelassen, um sich ihre ausschweifenden Vorträge über Teppiche,
Putzlappen, Messer und sonstige Dinge, die es im Geschäft wesentlich
preiswerter zu kaufen gab, anzuhören.
„Guten Morgen, Frau Braun“, sagte der Vertreter. Sein Lächeln
war auch nicht um nur einen Millimeter verrutscht. In seiner linken Hand trug
er einen braunen Aktenkoffer (er paßte farblich ausgezeichnet zu seinem Anzug),
in der anderen hielt er einen Staubsauger.
„Mein Name ist Gregor Pastewski, ich komme von der Firma Clean
und Co. KG“, fuhr der Vertreter fort. „Sie glauben gar nicht, was ich hier in
meinen Händen halte.“ Er streckte seine rechte Hand mit dem Staubsauger ein
wenig in die Höhe.
„Das ist ein Staubsauger“, entgegnete Maike ein wenig
verschlafen. „Da ist nichts besonderes dran.“
„Und ob“, sagte Pastewski mit fröhlicher Stimme. Für ihn gab es
anscheinend nicht schöneres, als an einem sonnigen Frühlingsmorgen Staubsauger
an unwissende Hausfrauen zu verkaufen. „Das ist der neue Powersauger AX 2001.
Der beste Staubsauger, den Sie je gesehen haben. Darf ich ihn Ihnen
vorführen?“, fragte er und drängte zur Tür. Maike wich einen Schritt zurück.
Der Staubsaugervertreter sah nett und freundlich aus (Und er hat ein Lächeln, bei dem ich zerschmelzen könnte, dachte
sie), aber sie hatte keine Lust sich auf eine Präsentation eines Staubsaugers
einzulassen. Wenn sie ehrlich war, hatten sie schon zu viele Staubsauger im
Haus, noch ein Ding von diesen lärmenden Dingern war wirklich zu viel.
„Tut mir leid“, sagte Maike. „Ich bin eben erst aufgestanden.
Unser Sohn hat mich die ganze Nacht wachgehalten. Sie wissen ja, wie Babies
sind...“
Der Vertreter nickte nur kurz. „Und sie hinterlassen eine Menge
Schmutz“, fiel er Maike ins Wort. „Schmutz, den unser neuer Powersauger AX 2001
im Handumdrehen beseitigt hat. Nichts ist dem Powersauger zu viel. Selbst
hartnäckige Krümel, die sich mit aller Gewalt in Ihrem Teppich halten wollen,
werden von dem Powersauger verspeist.“
„Ich glaube Ihnen ja gut und gerne, daß Ihr Sauger einer der
besten ist...“
„Der beste!“
„Schön, der beste. Aber ich habe im Moment keine Lust und Zeit mir Ihren Staubsauger anzusehen, Herr...“
„Pastewski“, entgegnete der Vertreter immer noch lächelnd. „Gregor Pastewski. Firma Clean und Co. KG.“
„Okay, Herr Pastewski.“ Maike machte eine kurze
Pause, in der sie nach einem triftigen Grund suchte, den Vertreter loszuwerden.
„Aber wir haben bereits drei Staubsauger im Haus, und ich denke, das ist mehr
als genug.“
„Drei Staubsauger? Das sind zwei zu viel“, sagte Pastewski. „Mit
dem Powersauger brauchen Sie nur einen. Der ist so leistungsstark, daß er Ihnen
die Haare vom Kopf reißen könnte, wenn Sie nicht aufpassen.“
„Hören Sie. Ich möchte keinen Staubsauger kaufen“, sagte Maike
nachdrücklich. „Auch wenn Sie noch so lange davon schwärmen und nett lächeln.“
Der Staubsaugervertreter schnupperte auf einmal kurz. „Sie
kochen gerade Kaffe“, fragte er. Es war eher eine Feststellung als eine Frage.
Pastewski wartete Maikes Antwort erst gar nicht ab. „Wissen Sie, um diese
Uhrzeit bekomme ich immer Lust auf einen schönen schwarzen Kaffee. Wollen Sie
mich denn nicht hereinbitten und mir einen anbieten?“
„Ich kann wohl nichts sagen oder tun, was sie veranlassen würde,
wieder zu verschwinden, oder?“, fragte Maike. Der Vertreter schüttelte nur den
Kopf.
„Na gut, kommen Sie rein. Aber wenn Sie Ihre Tasse aufgetrunken
haben, dann gehen Sie wieder. So lange können Sie mir von Ihrem Supersauger...“
„Es ist der Powersauger AX 2001.“
„Na gut, von dem Dings da in Ihrer Hand erzählen. Aber danach
gehen Sie.“
„Einverstanden“, sagte Pastewski und folgte Maike in die
Wohnung.
„Milch oder Zucker?“, fragte Maike Braun, als der Vertreter im
Wohnzimmer Platz genommen hatte. Es war ein geräumiger, heller Raum, der mit
einem fast weißen Teppich ausgelegt war. Ein kleiner Glastisch stand vor der
Couch und dem Sessel (auch sie waren hell).
„Nur Zucker,
vielen Dank!“ Pastewski betrachtete die Bilder an der Wand. „Haben Sie die
Bilder selbst gemalt?“, rief er in die Küche.
„Ja. Mein Mann hat sie vor drei oder vier Jahren angefertigt.
Gefallen Sie Ihnen?“
„Und ob.“ Das war selbstverständlich eine Lüge. Aber als
Vertreter hatte er in den letzten sechs Jahren gelernt, die Wahrheit zu
verdrängen. Es ließen sich nunmal keine
Staubsauger verkaufen, wenn man den Leuten erklärte, daß ihr Wohnzimmer absolut
häßlich eingerichtet war oder daß das Baby, das einen mit einem großen Klumpen
Schleim bespuckte, absolut gräßlich war. Bevor Pastewski bei Clean und Co.
angefangen hatte, war er Vertreter für Kosmetika. Eines Tages hatte er einer
jungen Frau – sie mochte so um die dreiundzwanzig gewesen sein – gesagt, daß
ihr das starke Makeup überhaupt nicht stand. Sie sähe damit eher wie eine
billige Straßennutte aus und nicht wie eine Schönheit. Die Frau hatte sich
damals bei seinem Vorgesetzten beschwert, und beinahe hätte Pastewski seinen
Job verloren. Aber er war der Angestellte, der den höchsten Umsatz im Monat
machte. Man wollte nur ungern auf ihn verzichten und er behielt seine Arbeit,
wenn er auch eine kräftige Verwarnung eingesteckt hatte.
Im Wohnzimmer der Brauns war es ähnlich. Die Bilder, allesamt
billige Ölkritzeleien auf Leinwand, hielt er für vollkommen geschmacklos.
Zufällig gewählte Farben, die wild auf die Leinwand aufgetragen worden waren,
gehörten sicherlich nicht zu den Dingen, die er als schön bezeichnet hätte.
Aber was sollte es? Er war hier, um Staubsauger an den Mann – oder in diesem
Fall: an die Frau – zu bringen. Wenn man den Leuten ein wenig schmeichelte,
ließ sich dies wesentlich leichter bewerkstelligen.
„Danke vielmals, Frau Braun“, sagte Pastewski als Maike mit zwei
großen Bechern Kaffe ins Wohnzimmer kam. Er roch an dem Kaffee. „Mhh“, sagte
er. „Das scheint ein guter Kaffee zu sein.“
„Das will ich auch hoffen“, sagte Maike. Sie hatte sich
mittlerweile umgezogen. Statt des Morgenmantels trug sie nun eine blaue Jeans
und einen dünnen Pullover. „Was ist denn an Ihrem Staubsauger so besonders?“,
fragte sie. Es hätte keinen Sinn gemacht, dem Thema auszuweichen. Der Mann, der
ihr gegenüber saß, war ein Vertreter. Und dieser Typ von Mensch wollte immer
nur das eine.
„Das will ich Ihnen gerne zeigen“, erklärte Pastewski. Er
öffnete seinen Aktenkoffer und holte eine Dose heraus. Als er sie öffnete,
erkannte Maike große Staubflocken darin. Pastewski nahm eine Handvoll davon
heraus und warf sie achtlos auf den sauberen Teppichboden. Er nahm den
Powersauger AX 2001, steckte den Stecker in eine naheliegende Steckdose und
fing an, die Staubflocken wegzusaugen. Der Sauger lief ruhig und gleichmäßig,
während Pastewski in Nullkommanichts den Staub aufgesaugt hatte.
„Na schön. Das können meine Sauger aber auch“, sagte Maike ohne
jegliches Interesse an dem Produkt.
„Das mag sein“, entgegnete der Vertreter. „Aber können sie auch das?“
Er nahm eine weitere Dose aus seinem Koffer und öffnete sie. Eine dicke
schwarze Flüssigkeit tropfte auf den weißen Teppichboden.
„Was machen Sie denn da? Sie ruinieren meinen Teppich“, sagte
Maike scharf.
„Warten Sie ab.“ Er hatte den Staubsauger wieder eingeschaltet
und war bereits dabei, den Schmutzfleck, der sich deutlich von dem Teppich
abzeichnete, zu entfernen.
„Der neue Powersauger AX 2001 hat ein integriertes Waschsystem,
mit dem es Ihnen gelingt, selbst die hartnäckigsten Flecken und Verfärbungen
aus allen Teppichböden zu entfernen.“ Pastewski fuhr mit der Düse des Saugers
ein paar Mal über den Fleck und nach ein paar Sekunden war dieser verschwunden.
Es war fast so, als ob dieser niemals dagewesen wäre.
„Das ist ja erstaunlich“, wunderte sich Maike Braun und schaute
zu der Stelle, an der vor wenigen Sekunden der schwarze Fleck gewesen war. Der
Fleck, den Maike nur mit stundenlanger Arbeit und sehr viel Bleichmittel wieder
hätte entfernen können.
„Ganz und gar nicht“, entgegnete der Vertreter. „Unser
Powersauger AX 2001 ist so konzipiert, daß er alles wegsaugen kann. Und wenn
ich sage ‚Alles‘, dann meine ich auch alles.“
„Das klingt ja alles schön und gut“, sagte Maike und ging auf
den Vertreter zu. Sie war zwar fasziniert von der Leistungsfähigkeit des
Staubsaugers, aber sie war dennoch fest entschlossen, dieses Gerät nicht zu
kaufen und den Vertreter zur Tür zu bitten. „Aber ich habe wirklich kein
Interesse an Ihrem neuen Produkt.“
„Stellen Sie sich doch nur einmal vor, welche Erleichterung
Ihnen dieser Sauger bringt. Sie benötigen nur noch einige Minuten um das Haus
zu reinigen. Mit dem Powersauger AX 2001 haben Sie viel mehr Freizeit. Sie
können mit Ihren Freundinnen telefonieren, einkaufen gehen...“
Maike hörte dem Vertreter nicht mehr richtig zu. Der Sauger war
faszinierend, und wenn er ihr wirklich so viel Arbeit abnehmen konnte (Und er erspart dir eine Menge Zeit und
Ärger, dachte sie), dann wäre das fantastisch. Wenn Jochen abends nach
Hause kam, dann interessierte er sich nicht dafür, ob seine Frau einen
anstrengenden Tag gehabt hatte. Er wollte nur, daß das Haus in Ordnung war. Und
wenn er Dreck sah, sei es auch nur wenig, dann erhielt Maike direkt eine
Beschwerde. Als ob sie nichts besseres zu tun hätte, als jede Sekunde hinter irgendeiner
Staubflocke hinterher zu sein. Es gab immerhin noch Frederik, um den sie sich
kümmern mußte...
„Na, was sagen Sie?“, beendete der Vertreter seinen Satz.
Maike schreckte aus ihren Gedanken und sah Pastewski ein wenig
überrascht an. „Ja, ich denke, der Powersauger ist wirklich eine Sensation“,
sagte sie. „Aber ich weiß wirklich nicht, ob ich...“
„Sie sind sich immer noch nicht sicher?“
„Ich denke... Ich weiß nicht... Nein, vermutlich nicht.“
„Brauchen Sie noch eine weitere Demonstration, damit Sie sehen
können, daß unser Powersauger wirklich sein Geld wert ist?“, fragte Pastewski.
Er war ein wenig genervt. Es passierte nicht allzu oft, daß jemand nach den
ersten beiden Demonstrationen nicht von den Fähigkeiten des Staubsaugers
überzeugt war.
„Das wäre nett“, entgegnete Maike und setzte sich wieder in den
Sessel, um sich die nächste Vorführung des Vertreters anzusehen.
In diesem Moment huschte die Katze vorbei. Sie kam aus der Küche
und flitzte durch das Wohnzimmer. Pastewski wäre fast über sie gestolpert, als
er ein paar Schritt auf seinen Koffer machte, um eine weitere Dose
herauszunehmen. Der Vertreter fluchte leise.
„Entschuldigen Sie“, sagte Maike. „Das ist unsere Katze Little
Joe.“
„Ich hasse Katzen“, murmelte Pastewski. Dieses blöde Viech, dachte er.
Little Joe. Du bist überhaupt nicht klein. Du bist dick und fett und stinkst,
als ob du vor ein paar Minuten in der Kanalisation geschwommen wärst.
„Bitte?“ Maike schaute den Vertreter verwirrt an. „Was haben Sie
da eben gesagt?“
„Ich sagte, ich hasse den Dreck und die Spuren, die Katzen in
der Wohnung hinterlassen“, erklärte er. Und zum Beweis deutete er auf ein paar
Katzenhaare, die auf dem Teppich lagen. Außerdem fielen ihm ein paar frische
Spuren auf. Little Joe mußte sich draußen irgendwo die Füße dreckig gemacht
haben.
„Kein Problem für unseren Powersauger AX 2001“, sagte er.
Null Problemo, dachte
Maike. Der Powersauger AX
Was-weiß-ich-was ist der beste. Er ist der größte, der neueste, der
leistungsstärkste, der widerstandsfähigste, der teuerste, der... der
gefährlichste... der was-auch-immer... aber er ist einfach der beste. Ach,
scheiß drauf, Maike. Der Vertreter geht dir allmählich auf die Nerven. Ich
glaube ja gut und gerne, daß sein Produkt viel hergibt, aber warum kann er nicht
endlich gehen?
Pastewski hatte den Staubsauger bereits eingeschaltet und saugte
die Katzenhaare und die dunklen Spuren, die den Weg von Little Joe markierten,
im Nu weg. Little Joe blickte um die Ecke ins Wohnzimmer. Der
Staubsaugervertreter war mittlerweile in seine Nähe gekommen, er führte die
breite Düse des Saugers mühelos über die kleinen Katzenpfoten, die als Abdrücke
im Teppich zu sehen waren.
„Ich hasse Katzen“, murmelte Pastewski und ging mit der Düse auf
Little Joe zu. Die Katze machte keine Anstalten fortzurennen. Sie war eine
alte, etwas dickliche Katze, die jede Scheu vor Menschen und ihren merkwürdigen
Maschinen verloren hatte. Neugierig schaute sie den Vertreter an, der immer
weiter auf sie zu kam. „Ich hasse alle Katzen“, sagte Pastewski. Er murmelte es
diesmal nicht, er schrie es heraus.
Maike schaute
ihn verblüfft an und wollte auf ihn zugehen, da hatte die Düse des Saugers den
Schatten der Katze erreicht. Und dann passierte etwas, das Maike zwar im
Nachhinein hätte beschreiben können, aber es nicht verstand. Als die Düse den
Schatten von Little Joe erreicht hatte, gab es ein merkwürdiges Geräusch. Es
hörte sich an, als würde ein Kind aus einem Becher mit Strohhalm trinken, der
nur noch am Boden mit einem Getränk bedeckt war. Es war ein langes Schlürfen,
und es schien aus dem Staubsauger zu kommen.
Dann war der
Schatten der Katze verschwunden. Maike schaute ungläubig auf den Boden. Dort,
wo eigentlich das helle Grau des Schattens von Little Joe hätte sein sollen,
strahlte nun nur noch der weiße Teppichboden.
„Reinigt
porentief“, sagte Pastewski und lächelte sie an. „Der Powersauger beseitigt
jede Unreinheit im Handumdrehen.“
Maike war sich
immer im Klaren darüber, daß Katzen zu den reinlichsten Tieren gehörten, aber
anscheinend sah der Powersauger AX 2001 das anders, denn plötzlich war Little
Joe im Bauch des Saugers verschwunden. Die Katze wurde einfach durch die breite
Düse hineingezogen. Sie verformte sich merkwürdig, als sie in das enge Rohr
gesaugt wurde. Der graue Schlauch verformte sich, als Little Joe in dem Bauch
des Saugers verschwand. Es gab wieder dieses merkwürdige Geräusch, dieses
Schlürfen. Nur war es diesmal wesentlich lauter. Und Maike glaubte, ein leises
Rülpsen zu hören, als die Katze verschluckt wurde.
Maike Braun
stand regungslos da. Sie traute ihren Augen nicht. Ihre Katze, der Liebling der
Familie war soeben von dem Staubsauger verspeist worden. (Selbst hartnäckige Krümel, die sich mit aller Gewalt in Ihrem Teppich
halten wollen, werden von dem Powersauger verspeist.) Ja, Krümel und Staub.
Aber Katzen? Sie waren doch viel zu groß für die Düse und den schmalen
Schlauch. Der Sauger mußte eine unvorstellbare Kraft (einen riesigen Hunger) haben, um eine ausgewachsene Katze in sich
hineinzuziehen (zu verschlingen).
„Was ist los,
Frau Braun?“, fragte der Staubsaugervertreter voller gespieltem Mitgefühl. „Sie
sehen nicht gut aus. Überzeugt Sie der Powersauger nicht?“
„Doch...
doch...“, stammelte sie. „Es ist nur so...“ Ja, wie war es denn? Es ist nur so, daß Ihr Sauger meine Katze
gefressen hat. Und das finde ich absolut nicht in Ordnung. Ich glaube, das ist
eine Straftat. Ein Mord.
„Sie sind also nicht von den hervorragenden Eigenschaften des Powersauger AX 2001 überzeugt“, sagte Pastewski. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. Er würde es auch in diesem Haus nie mehr aufsetzen. „Sie müssen doch eingestehen, daß Little Joe nur Dreck war“, fuhr er fort. „Dreck, den der Powersauger ohne Probleme beseitigt hat.“
„Dreck?“, kreischte Maike. Sie war den Tränen nahe. Sie hatte sich in den letzten Jahren oft über Little Joe aufgeregt, aber jetzt stellte sie fest, daß sie ihn viel zu lieb gewonnen hatte, als daß sie akzeptieren konnte, daß er für immer in diesem Sauger sein würde. Zerquetscht zu Mus. „Sie nennen meine Katze Dreck?“ Maike war außer sich vor Wut. „Ich denke, es wird höchste Zeit, daß Sie mein Haus verlassen. Denn andernfalls werde ich die Polizei rufen.“
„Nur zu. Tun Sie’s doch“, grinste Pastewski. In seinen Augen war ein merkwürdiges Funkeln zu erkennen. „Sie sind doch auch nur wie alle anderen Frauen“, fuhr er fort. „Dumm und total verdreht im Kopf. Sie haben doch keine Ahnung, wozu dieses Gerät fähig ist. Es könnte sie glücklich machen. Es könnte Ihren Mann aus der Welt schaffen. Dann könnten Sie endlich mit Frank Johannsen ficken.“
Maikes Gesicht wurde kreidebleich. „Woher zum Teufel wissen Sie...“
„Ich weiß alles, Maike! Ich weiß alles!“, schrie Pastewski. „Ich weiß auch, daß Sie nicht mehr Verstand haben, als eine beschissene Hand voll Dreck.“ Er machte eine kurze Pause. „Nein, Sie sind genau wie Dreck. Genau wie Dreck!“
Bei diesen Worten stockte Maike der Atem. Ihr war aufgefallen, wie sehr dieser Kerl Dreck haßte. Sie wußte, wie sehr er jede Art von Dreck bekämpfen würde. Und dann bezeichnete er sie als Dreck. Dies waren im Grunde die letzten Gedanken, die Maike hatte, bevor sie starb.
Der Staubsaugervertreter war auf sie zugekommen. In der rechten Hand hielt er das Rohr mit der breiten Düse. Der lange Schlauch schwang hin und her. „Sie sind Dreck“, rief er immer wieder. „Wie sehr ich Dreck hasse! Ich hasse ihn! Wie gut, daß der neue Powersauger AX 2001...“ Und so weiter, und so fort.
Der Vertreter hatte den Staubsauger wieder angestellt. Maike hörte das leise Summen des Motors. Sie stellte sich vor, was für ein Geräusch er von sich geben würde, wenn sie in die Düse gezogen wurde. Sie wich ein paar Schritte zurück. In ihrer schnell aufsteigenden Panik bemerkte sie nicht, daß sie sich in eine Ecke des Wohnzimmers zurückzog, aus der es kein Entkommen gab. Hier hingen zwei Bilder ihres Mannes an der Wand.
Maike sah die breite Düse auf sich zukommen. Der Staubsaugervertreter hielt sie jetzt ein wenig hoch, so daß sie darunter sehen konnte. Fast schien es, als lächelte die Düse. Nein, sie lächelte nicht; sie grinste höhnisch. Maike erkannte zwei dicke Bürsten, die sich schnell drehten. Dazwischen befand sich ein etwa drei Zentimeter breiter Spalt. Der Staubsaugervertreter kam langsam auf sie zu, freudige Erwartung war in seinem Gesicht zu erkennen. Bald würde er jeglichen Schmutz aus der Wohnung entfernt haben. Ein weiterer Pluspunkt für den neuen Powersauger.
Maike Braun stieß mit dem Rücken gegen die Wand. Nun erkannte sie, daß sie in eine Sackgasse geraten war. Der Vertreter war nun fast bei ihr, die Düse war nur noch fünf Zentimeter von ihr entfernt. Sie preßte sich weiter in die Ecke. Links stand eine große Topfpflanze, die ihr den einzigen Fluchtweg versperrte. Maike versuchte zu schreien, aber es kam nichts als heiße Luft aus ihrer Kehle heraus.
„Mein Mann wird jeden Moment kommen“, flüsterte sie heiser. Es war das einzige, was ihr noch einfiel.
„Ihr Mann?“, fragte der Vertreter und lachte. Es war ein Lachen, das aus den tiefsten Höhlen seines Körpers zu kommen schien. „Ich weiß, daß Ihr Mann die Wohnung gerne sauber vorfindet. Es wird ihm sicher nichts ausmachen, wenn ich den letzten Dreck entferne.“
Dann stieß er mit der breiten Düse vor. Sie berührte Maike an ihrem Bauch. Die beiden Bürsten schrubbten feste an ihrem Pullover und kurz darauf wurde er in den schmalen Spalt gezogen. Maike spürte, wie auch ihr Bauch, ihre Haut und das Fleisch darunter, in die Düse gezogen wurde. Etwas rumorte in ihrem Bauch, aber sie nahm es kaum wahr. Der Staubsauger zog mit einer unglaublichen Kraft an ihr, der sie nichts entgegenzusetzen hatte. Jetzt war ihr Bauch fast völlig in der Düse verschwunden. Sie spürte heftige Schmerzen, als etwas in ihrem Unterleib riß und dunkles Blut hervorquoll. Sie sah hinunter und stellte fest, daß der Sauger ein großes Loch in ihren Unterleib gerissen hatte. Jetzt war er dabei, ihr die Hose vom Leib zu reißen. Aber dabei würde es nicht bleiben. Er würde auch sie verschlingen. Maike spürte, wie die Düse über ihren Körper wanderte und ihre Brüste in sich hineinsaugte. Zunächst war es ein angenehmes Gefühl, als ihre Brustwarzen auf eine merkwürdige, aber dennoch wirksame Art stimuliert wurden. Doch als sie schließlich hin den schmalen Spalt hineingezogen wurden und ihre Brüste immer weiter von dem gierigen Sauger verschluckt wurden, da schrie Maike. Bald ist es vorbei, dachte sie. Der Supersauger wird mich in wenigen Sekunden bei lebendigem Leibe verputzt haben. Ich frage mich, wie es dort drinnen wohl sein mag. Bei diesem Gedanken wurde Maike ohnmächtig, und so blieb ihr die Erfahrung erspart, wie es war, bei lebendigem Leibe in einen Powersauger AX 2001 gezogen zu werden.
„Guten Tag“, sagte der Mann in dem dunkelbraunen Anzug. „Mein Name ist Gregor Pastewski. Ich komme von der Firma Clean und Co. KG.“
Silvia Richter betrachtete den Vertreter mit einem ächeln. Sie lebte schon seit vier Jahren allein und freute sich über jede Art von Besuch. Männliche Besucher mochte sie natürlich besonders gerne.
„Darf ich Ihnen unser neuestes Modell, den Powersauger AX 2001, vorstellen?“, fragte der Vertreter.
„Darf ich Sie zu einer Tasse Kaffee einladen?“, stellte Silvia eine Gegenfrage. Sie lächelte dabei.
„Das wäre sehr nett, Frau Richter.“ Der Vertreter lächelte ebenfalls. „Dabei kann ich Ihnen die Vorzüge des Powersaugers ausführlich erläutern.“
Er folgte Silvia Richter in die Wohnung und lächelte immer noch, als die Eingangstür hinter ihm zufiel.
15. – 16. September 2001
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Stephan Römer).
Der Beitrag wurde von Stephan Römer auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.09.2001.
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