Klaus Lutz

Arztbesuche 16 (zwei Texte)

Der Arztbesuch 52

Der Arzt hat mir eine Nachricht zukommen lassen.
Jetzt wo es klar ist, wie wenig Zeit mir noch
bleibt. Kann ich Plätzchen bekommen, wenn ich
will. Ein Plätzchen, an jedem Wochentag. Zwei
Plätzchen am Samstag. Und Sonntags vier Plätz-
chen. Es ist diese Freude. Für Menschen die
nicht mehr zu retten sind. So ein kleines Bon-
bon zum Abschied. Das, was mich wissen läßt: "Es
gab auch etwas gutes im Leben!" Es gab auch Men-
schen mit Güte! Mit Herz! Mit Mitgefühl. Ich
werde die Plätzchen nehmen Ein Drittel des
Plätzchens, werde ich zum Frühstück nehmen.
Ein drittel zum Tee am Nachmittag. Und ein
Drittel des Plätzchens, werde ich vor dem Ein-
schlafen nehmen. Etwas postives zum Einschlafen.
Dann habe ich gute Träume. So bin ich. Ich be-
nötige so wenig für gute Träume. Und es ist so-
viel da. Aber ich bekomme nur das Wenigste. Und
ich träume gut. Wenn ich drei Plätzchen vor dem
Schlafen gehen hätte. Dann wären meine Träume
nur Himmlisch. Fünf Plätzchen und meine Träume
wären Göttlich. Aber mit einem drittel Plätzchen
sind sie gut. Und Morgens ein drittel Plätzchen
und der Tag wird gut. Nachmittags zum Tee ein
drittel Plätchen und ich habe ein paar wunderbare
Augenblicke. Elf Plätzchen die ganze Woche. Das
ist so die Grenze zu einem schönen Leben. Ab fünf
Plätzchen pro Tag ist das Leben Wunderbar. Aber
mit elf Plätzchen die Woche ist da Leben gut.
Aber das ist auch so die Frage. Warum bekomme
ich die Plätzchen erst jetzt. All die Wochen wo
ich hier bin. Mit ein paar Plätzchen wäre das
Leben anders gewesen. Es hätte wunderbar ange-
fangen. Ein paar schöne Augenblicke gehabt. Und
dann gute Träume. Nur mit dieser kleinen Geste.
Ein oder zwei Plätzchen am Tag.

Aber dann, habe ich mich nach zwei Stunden wie-
der an den Pc gesetzt. Ich denke mir, kann sein
ich habe noch ein paar Ideen. Auch wenn mir vom
Essen gerade Übel ist. Mein Magen Darm Trakt.
Kann sein, das ich auch deswegen nur elf Plätz-
chen die Woche bekomme. Aber, ist das wichtig. Ich
meine, der Magen Darm Trakt. Jetzt wo ich sowieso
sterbe. Wo meine Zeit abgelaufen ist. Jetzt, wo
ich diesen Körper schon der Wissenschaft übergeben
habe. Aber wer weiß? Kann auch sein, das ich wert-
los werde, wenn all der Schaden an meinem Körper
noch größer wird. Und elf Plätzchen die Woche
sind das abslolute Limit. Und mehr als elf Plätz-
chen bedeutet einfach das aus. Das Ende der
wissenscaftlichen Verwertbarkeit von mir. Das ist
auch so dieser Magen Darm Trakt, was der so alles
erlebt hat. Das ist auch so eine Erinnerung. Als
drei oder vier jähriger war mal die Scheiße vol-
ler Würmer. Da überlege ich mir auch. Was habe ich
da alles so zu mir genommen. An Müll. Über den Tag!
Wenn ich so durch das Dorf ging. Oder durch die
Gemarkung.

Arztbesuch 53 (Neue Fassung)

Heute, habe ich auf dieser Pritsche gelegen. Und habe
mir diesen Raum angesehen. Den Tisch. Die Bank. Das
Fenster. Die Tür. Dieser Raum und sein Endloses. Die-
ser Raum und sein Kosmos. Das Leben von diesem Tisch.
Das Leben von diesem Stuhl. Das Leben von dieser Tür.
Das Leben von diesem Fenster. Das Leben der Wände
Das Leben von Allem. Auch das Leben von mir. Und so
überhaupt. Das Unendliche in dieser Zelle. Und diese ka-
putte Welt. Dieser kaputte Körper. Mitten in all dem. Die-
ses Leben, in diesem Universum von einem Tisch. Einer
Tür. Einem Fenster und vier Wänden. Ich habe Tee ge-
trunken. Und versucht diesen Tisch zu verstehen. Ich
habe diesen Tisch für Stunden angesehen. Ich habe den
Wald gesehen. Den Baum der gefällt wurde. Und wie
dieser Baum nun als Tisch vor mir steht. Wenn der
Tisch reden würde! Würde dann der Baum zu mir red-
en oder der Tisch. Was ist die Wahrheit von diesem
Tisch. Ist er Tisch? Oder ist er Baum? Als was fühlt er
sich? Hat er seine Vergangenheit vergesssen und ist
nur noch Tisch. Oder ist da nur diese Erinnerung. Und
diese Erinnerung ist der Baum, den es nicht mehr gibt.
Wie denkt so die Natur über uns Menschen. Sagt sie
sich gut, heute bin ich ein Tisch. Der Baum war Gestern.
Oder sagt sie Gestern war ich das Leben. Und heute
bin ich nur ein toter Tisch. Und irgendwie Sinnlos. Weiß
der Kukuck. Ich sehe diesen Tisch an. Und ich weiß es,
eines Tages redet er zu mir. Und er redet einfach Klar-
text. Dieser Tisch, gibt mir eine neue Klugheit. Und ich
sehe einfach was es alles so gibt. Das einfach ohne
Sinn ist. Der Tisch ist es am Ende. Der mich vor dem
endgültigen Untergang rettet. Der mir klarheit gibt. Was
sinnvoll ist. Und was ich besser bleiben lasse. Dieser
Raum und sein Universum. Das Endlose und Unfass-
bare in allen Dingen. Die Klugheit eines Tisches. Die
Klugheit einer Wand. Die Schönheit des Universums. In
den Stunden wo alles still ist. Und der Blick stimmt. Und
es so ein Tisch ist, der einem einfach die Augen öffnet.
Dieser Tisch, wenn er von der Klugheit des Lebens re-
det. Von dem Universum in allen Dingen. Und all diesen
Fettlwülsten, diesen Bergen von Fleisch es einfach klar
wird, wie überflüssig sie sind. Und das Klarheit und Klug-
heit das alles nicht nötig hat. Es ist der Tisch, der dies-
en Körper fragt: "Bin ich nur Fleisch. Oder bin ich das
Leben?" Und es bin ich der sich fragt: "Was bin ich. Und
was ist dieser Tisch. Was ist das Leben?" Es ist Leben
so die Stunden und Stunden in diesem Kerker. Und ich
bin die Welt, durch die all das fließt. Dieses Universum,
das da ist. Das Phantasie ist, das alles ist. Da nichts
ist. Und diese Welt die sonst nichts hat. Sie ist einfach
verloren. Ohne dieses Universum. Ohne all diese Ge-
danken die ihm einen Sinn geben. Und es Leben las-
sen. Und leben lassen. Und Leben lassen! Und immer wie-
der Leben lassen. Bis der Wärter kommt mit dem Essen.
Oder ein Arzt wegen einer Injektion. Damit ich überlebe
und dieses Universum nicht stirbt. Dieses Unendliche al-
les Umfassende. Das dann gehen würde. Das nicht mehr
da wäre. Einfach so wie es war. Wie es gelebt hat. Un-
scheinbar. Unerkannt. Allein und unendlich! Dieser eine
Mensch in diesem Kerker: "Gefangen und Gekreutrigt. Von
Lügen, Dummheit und Verleumdungen?" Infiziert vom Leben.
Von all dem was auf Ihm abgeladen wurde: "An Krankheit
und Falschheit!"

Dann sehe ich wieder diese Zeit vor mir. Diesen Hinterhof.
Dieses Gebäude. Und diese Wohnung. Und was das alles
war. Und was es da alles gab. Es war so ein Sport mit ein-
em Glas die Fliegen zu fangen. Die Fliegen saßen an der
Wand. Und die Kunst war sie mit dem Glas zu fangen. Der
Vater war natürlich der Geschickteste. Allein schon durch
seine Größe. Aber ich war auch ziemlich gut. Ich meine, ich
fing immer welche. Oder das Zeichnen. Er konnte wahnsin-
nig gut zeichnen. Ein paar Striche und er hatte ein Gesicht.
Das konnte er! Mit den Kindern spielen und Zeichnen. Im-
mer auch irgendwie mit Phantasie. Lebendig mit Ideen. Ich
meine, das fangen von Fliegen ist normalerweise eine ba-
nale Sache. Aber mit ihm war es interessant. Anders! Ein-
fach schön! Es war mehr als das Fangen von Fliegen. Wie
auch immer es mehr war. Aber es war mehr. Ich war auch
immer derjenige den er mit nahm auf Ämter und so. Ich
wurde geschickt, wenn etwas gebraucht wurde aber kein
Geld da war. Also wurde ich in das Geschäft geschickt.
Und ich bekam es auch immer. Warum und wieso erfuhr
ich erst später. Es gab da, oder es hatte wirklich eine Ur-
sache .Warum ich und kein Anderer. Hin und wieder kam
auch die Tante zu Besuch. Die Schwestrer meiner Mutter.
Eine hübsche und sehr attraktive Frau. Die dann auch im-
mer ein paar Tage blieb. Immer wieder über die Jahre.
Auch nach dem Tod der Eltern. Und immer war ich der
um den sie sich besonders kümmerte. Warum und wie-
so wurde mir auch erst später klar. Und liegt wohl da-
ran, das es in dieser Zeit zuviel gab, das mich beschäf-
tigte. Ich war oft bei anderen Familien. Wobei ich mich
jetzt auch richtig erinnere. Es war nur eine Familie mit
vielen Kindern. Die andere Familie waren so Kleinbau-
ern. Sehr nette und interessante Leute. Sonst zog ich
den ganzen Tag durch das Dorf. Durch die Gemarkung.
Ich war eigentlich überall. Damals, war das noch alles
sehr interessant. Es gab eine menge Bäche und Weiden
und Gebüsch. Und alles hatte so etwas Geheimnisvol-
les. Ich ging Morgens los. Mit sauberen Sachen. Und
total verdreckt kam ich Heim. Ich war immer, mit ein
paar andern zusammen. Also wen ich total verdreckt
war ging ich Heim. Es waren so ein paar alte verfallene
Scheunen, die Geheimnisvoll waren. Ein Haus an dem
wir immer vorbei gingen, das etwas Besonderes für uns
war. Es war nie jemand zu sehen. Und die Tür war an-
ders als bei anderen Häusern. Also die Haustür. Die
obere hälfte hatte eine Rundung. Davor stand ein riesiger
Birnenbaum. Es war ein kleiner Weg der zu ihm führte.
Und nur an der anderen Seite war noch ein anderes Haus.
Klein fast winzig. Das alles hatte etwas interessantes.
Wie auch immer. Das war alles interessant. Aber was
mich beschäftigt, ist immer das was Zuhause war. Wenn
es auch nur ein oder zwei Stunden am Tag waren. Also
ich meine von der Nacht abgesehen. Dann hat sich
das Leben auf diesem Gang abgespielt. Und an der
Mauer. Die den Hof umfasste. Auf der ich als dreijäh-
riger schon rumgerant bin wie ein Akrobat. Und die war
drei meter hoch. Und vielleicht 40 cm breit. Wenn die
Nachbarn uns auch nicht mochten. Und das taten Sie.
Ich meine, sie mochten uns nicht. Aber wenn dieser
dreijährige auf der Mauer hin und herrannte. Das ließ
sie den Atem anhalten. Aber, das war selten. Also
das die Geschwister zusammen waren. Und ich kann
sagen, das ich sie kaum kannte. Wir schliefen im
gleichen Bett. Und das war es dann. Oder das ist
vielleicht etwas übertrieben. Aber eins stimmt, wir
waren alle sehr früh selbstständig. Wenn Erwachse-
ne das Leben so langsam als ernüchternd und unge-
recht kennen lernen. Dann war das bei uns 20 Jahre
zu früh. Es war alles zu früh. So früh, das von der
Kindheit nicht viel übrig blieb!

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.09.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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