Sodbrennen - 10. Telefonieren im Zeitalter des Internet

Das Telefon klingelt. Ich starre drauf – keine Nummer im Display, ich lasse es klingeln.

Wissen Sie, das Telefon ist ja eine tolle Erfindung.

Man kann über eine große Entfernung miteinander in Kontakt treten und auch über eine ganz kurze – und spart sich so ein persönliches  Treffen.

Ich wickle lieber Dinge über das Telefon ab als über direkten Kontakt, klar. So weit haben Sie sich das schon gedacht.

Aber, alles was ich per Email erledigen kann, wird ganz sicher nicht am Telefon geregelt.

Es ist nicht so, dass ich das Telefon nicht ausstehen kann, aber ich liebe es auch nicht. Es ist einfach da – für den Notfall – oder wenn ich aus eigener Motivation heraus jemanden anrufen möchte. Klaus zum Beispiel!

Apropos Klaus, der kann das eben nicht gewesen sein, denn er weiß, dass ich niemals ans Telefon gehe, wenn mich jemand überraschend anruft – ich hasse nämliche Überraschungen (ich glaube, ich erwähnte es bereits beiläufig).

Mein Telefon soll nur dann klingeln, wenn sich vorher jemand per Email oder sms mit mir dazu verabredet hat und es wichtig ist. Und ich hebe nur ab, wenn ich die Nummer im Display erkennen kann.

Wissen Sie, was ich ganz schlimm finde? Wenn Isolde anruft. Die trickst mich nämlich oft aus.

Erklärt mir, sie müsse was wichtiges mit mir besprechen – und dann quakt sie mir stundenlang ins Ohr. Ich hasse diese Lust am Labern. Isolde redet, um zu reden; sie lebt, um zu reden; sie atmet, um zu reden.

Überhaupt kann ich es nicht begreifen, wie Menschen am Telefon derart lange reden. Was kann man sich schon groß zu erzählen haben?

Und dann habe ich gehört, dass manche Menschen sich am Telefon zu einem Treffen verabreden (machen Sie sich gerade lustig über mich? Lesen Sie doch erst mal weiter!) und nachdem sie sich auf Ort und Zeit geeinigt haben, wird noch unendlich viele Minuten Smalltalk gehalten.

Können Sie mir das erklären?
Wo ist da der Sinn? Ich meine, wenn man sich doch ohnehin bald sieht, warum muss man da noch lange am Telefon quatschen? Hat das nicht Zeit bis zum Treffen? Oder haben diese Menschen Angst, sie könnten es bis dahin vergessen?

Man hat sich doch dann gar nichts mehr zu sagen.

Stelle mir das komisch vor. Man trifft sich, um sich anzuschweigen, denn das Pulver wurde bereits am Telefon verschossen.

Wenn ich nur wüsste, wer da eben angerufen hat.

• Autorensteckbrief (Infos & weitere Beiträge)
• Mail an Katja Heinrich senden

  Katja Heinrich als Lieblingsautorin markieren

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen