Ingrid Grote

DAS ABSOLUTE LOCH

 

Wattzek taumelte nach einer seiner grandiosen Sauftouren heim.

Er trug eine fast leere Buddel Bier in der Hand und sang laut vor sich hin: We are the Champions, we are the Champions...

 

Er erreichte schwankend die morsche Holzbrücke, die über das kleine murmelnde Bächlein führte, nahm einen letzten Schluck aus der Buddel – und warf einer alten Gewohnheit folgend die leere Buddel in hohem Bogen in das leise vor sich hin plätschernde Gewässer.

 

Aber anstatt im Bächlein zu verschwinden, gab es einen kurzen Blitz, die Buddel verschwand plötzlich einen Meter über der Wasseroberfläche und ward nicht mehr gesehen.

 

Wattzek wunderte sich nicht groß darüber, denn genau an der gleichen Stelle hatte er vor einem Jahr eine wunderbar psychodelische Begegnung gehabt in Form einer geilen Frau, die aussah wie Julia Roberts, aber leider war alles im Sande verlaufen – samt einer Weltformel, an die er sich absolut nicht mehr erinnern konnte.

 

Am nächsten Morgen allerdings machte er einen Test. Er schnappte sich die große Bratpfanne (die seine Frau ihm des öfteren über die Rübe zog, wenn er von seinen Sauftouren nach Hause kam), marschierte zum Brücklein und warf sie ins Bächlein hinein.

Und tatsächlich: Auch die Bratpfanne verschwand, bevor sie das Wasser berühren konnte.

 

Es war eine Sensation! Wattzek hatte auf seinem verkommenen Grundstück ein absolutes Loch entdeckt. Dieses Loch schluckte alles, was man zu schlucken wünschte. Welch eine Offenbarung! Es schluckte geheime Akten, es schluckte Gifte, es schluckte verfängliche Liebesbriefe, es schluckte wirklich alle Sünden der Menschheit.

 

Und vor allem schluckte es Atommüll.

 

Die Wirtschaft der großen und auch der kleineren Industrieländer reagierte in Blitzesschnelle und brachte flugs neben supergroßen Kernkraftwerken auch Minianlagen auf den Markt, so dass jeder Autofahrer mit Atomkraft fahren und die strahlenden Minibrennstäbe an jeder Atomtanke entsorgen konnte.

 

Die Welt wurde daraufhin zu einem Ort, der in gewisser Weise nicht viel schöner war als vorher, der aber nicht mehr von Klimaschwankungen und Wetterkatastrophen geplagt wurde – und der außerdem viel sauberer war.

 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~

 

Wattzek indess ließ sich erstens von seinem ätzenden Eheweib scheiden (das Eheweib bekam eine grandiose Abfindung, welches es den Schmerz vergessen ließ, so einen Prachtburschen wie Wattzek verloren zu haben) und zweitens in Las Vegas nieder. Dort umgab er sich mit einer Art Harem, in dem allerdings nur Frauen vorkamen, die Julia Roberts ähnlich sahen – allerdings hatten diese alle viel kleinere Münder und viel größere Brüste...

 

Sein Glück war vollkommen. Aber trotzdem verspürte Wattzek eine seltsame Sehnsucht nach seiner alten Heimat, und deswegen machte er nach einem Jahr eine Nostalgiereise zu seinem Ursprung, beziehungsweise zum Ursprung seines Glückes.

 

Als erstes suchte er die Dorfkneipe heim, soff sich dort die Hacke voll und machte sich dann taumelnd auf den Weg nach Hause. Oder zumindest dorthin, wo jetzt eine Art Schrein stand, in dem er als Wohltäter der Menschheit verehrt wurde.

Der Weg war mittlerweile zu einer achtspurigen Autobahn ausgebaut worden, doch im Augenblick herrschte kaum Verkehr.

 

Und wieder gelangte er an das morsche Brücklein, das über das murmelnde Bächlein führte. Das Bächlein war natürlich sehr viel sauberer als früher, und man konnte schemenhaft das absolute Loch sehen, das man mittlerweile absolut verbreitert hatte, um noch mehr Müll darin abzuladen.

 

Und wieder wollte Wattzek die leere Buddel in das leise murmelnde Gewässer hineinwerfen, beziehungsweise in das Loch...

 

Aber bevor er dazu kam, schoss etwas aus dem Loch heraus. Es war sehr hart und traf ihn an der Hand, die immer noch die Flasche hielt.

Flasche auf Flasche, das ergab ein lautes Klirren und sehr viele Splitter.

 

AUA!!!! WAS? Häääh?“ Wattzek war zwar leicht benommen, aber er konnte gerade noch der großen Bratpfanne ausweichen, die aus dem Loch herausgeschossen kam – und zwar genau auf ihn zu...

 

ENDE

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.09.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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