Klaus Lutz

Der Arztbesuch 29


Wenn ich versuche dieses Leben zu sehen. Dann versuche
ich nicht zu sehen, was dieses Leben ist. Oder, was es
sein könnte. Oder was mir bleibt. Dann versuche ich
etwas anderes. Und das versuche ich heraus zu finden,
was ich da versuche. Was das ist, was ich da versuche.
Es ist anders, als all das was bisher war. Aber was das
ist. Was ich will, weiß ich nicht. Und wohin das führt,
weiß ich auch nicht. Ich weiß nur Eins: "Die Grenzen
meines Körpers habe ich erreicht!" Es war alles was
es gab. Alles was möglich war. Das ich in mich hinein
gestopft habe. Immer jede Sekunde war ich am Kauen.
Und am reinstopfen. Und all das zusammen ist dieses
Gewicht. Das, was ich heute habe. Und mehr geht nicht
mehr. 250 Kilo ist die Grenze. Es war eben den ganzen
Tag nur das Eine: "Kauen und Kacken!" Aber was wäre ge-
wesen. Ich meine, wie wäre das Leben gewesen, wenn ich
statt dessen mein Denken entwickelt hätte. Meine Birne!
Wenn ich daraus etwas gemacht hätte. Was für ein Men-
sch wäre ich dann heute? Wie wäre dann mein Leben ge-
wesen? Wäre es mehr, als Kauen und Kacken gewesen? Ich
weiß es nicht. Ich weiß nur Eins. Ich versuche jetzt
die Welt neu zu sehen. Und wie ich das versuche, ist
so neu, das ich nicht weiß was ich da versuche. Aber
ich versuche Es. Ich liege auf dieser Pritsche. Und
jede Bewegung badet mich in Schweiß. Jede Bewegung,
ist die Bewegung von all diesem Gewicht. Jede Bewegung
ist Schwerstarbeit. Die mich aufstöhnen und röcheln
läßt. Und meinen Puls auf 300 Schläge ansteigen läßt.
Die Lippen von mir blau verfärbt. Und mich ins Schwin-
deln und Trudeln bringt. Und jede Sekunde sagt mir:
"Nimm Abschied!" Klopft auf meine Schulter. Und weiß
es, meine Zeit ist abgelaufen. Und welcher Wille es
auch ist. Es ist ein eiserner Wille. Mit dem ich immer
wieder hier sitze. In diese Tasten hinein klopfe. Mit
dem Wissen, jede Sekunde zählt. Es ist dieser Versuch.
Das, was ich versuche. Wo ich nicht einmal weiß, was ich
versuche. Das ist es, was mich Leben läßt.

Dann sehe ich diese Nacht. Trinke einen Tee. Sehe mich
in dieser Zelle um. Eingesperrt! Verwahrt! Vor der Welt!
Wegen der Gefahr die ich darstelle. Wegen der Sicher-
heit der Welt. Und ich denke: "Dieser Anblick von mir.
Er löst es auch im mir aus. Nur Schrecken und Angst!"
Ein Körper und Fleischfetzen, die an Ihm hängen. Und
alles sonst. Was nicht mehr ist. Kein Erektion mehr.
Keine Gedanken mehr. Keine Liebe mehr. Nur noch Fleisch,
Fleisch, Fleisch. Deswegen muß ich ihn ausführen die-
sen Versuch. Dieses neue Leben, von dem ich nichts weiß.
Wo ich es versuche. Irgendwas! Und nicht einmal weiß,
was ich versuche. Und es nur weiß: "Es ist besser als
nichts!" So sehe ich die Nacht. Die Gitter des Fensters.
Das Dunkel. Den Himmel. Diese Hände, die den Tisch
fast bedecken. Diese Finger, die wie Fremde auf diese Tasta-
tur einhauen. Wie ein Maler, der Blind geworden ist. Und
Farben mischt. Und malt. Für Bilder, die nur noch er sieht.
Für Bilder, von denen nur noch er weiß. Erinnerungen,
die nur noch er kennt. So bewege ich diese Finger. Und
hoffe auf einen Satz. Mit dem alles einen Sinn bekommt.
Und der dieses ganze Chaos ordnet.

Dieses Leben, das seine Grenzen erreicht hat. Und alle
Grenzen hat fallen sehen. Und nun ohne alle Grenzen
ist. Aber stehen geblieben ist. Sich nicht mehr bewe-
gen kann. Deswegen versuche ich dieses neue Leben.
Deswegen versuche ich etwas. Von dem ich nicht einmal
weiß, was ich versuche. Aber ich versuche es. Ich ver-
suche nicht all das zu wissen, was ich nicht weiß. Ich
versuche nichts, von dem Leben zu erfahren das schon
Wissen ist. Ich versuche etwas anderes. Von dem ich
nicht weiß was ich versuche. Ich gehe durch dieses
Leben und weiß nicht was ich versuche. Aber ich versu-
che es. Ich denke über alles nach was ich sehe höre
und lese. Kann sein es ist wichtig, für das was ich
versuche.

Aber dann sehe ich meine Realität. Und das ist es
immer. Die Frage: "Warum und für was lebst Du noch?"
Und was soll das alles? Das Leben und all diese Ge-
danken. All diese Interessen. Und all diese Versu-
che. Und all das bringt mich ins Zweifeln. Und sagt
mir: "Es stimmt! Was soll das alles?" Und warum und
wieso? Aber dann sehe ich diesen Körper. Die Fettwül-
ste, die bis auf dem Boden hängen. Über die Ameisen
laufen. Und Spinnen. Und Fliegen. Und dann denke
ich mir, versuche etwas im Leben. Auch wenn Du nicht
weißt, was Du vesuchst. Und Dir nie darüber klar
wirst, was das ist. Aber versuche es. Auch wenn Du
nicht weißt, was Du versuchen willst. Lebe es. Auch
wenn es nur ein Versuch bleibt. Aber, es ist alles
besser als das. Alles, ist besser als ein Leben, das
nur noch Kauen und Kacken ist.

Dann denke ich an Athen. An diese Altstadt. An die
vielen kleinen Geschäfte. Die Kneipen die Resatu-
rants. An Retsina. Und an Tage, die nie enden dürf-
ten. Und an Sonnenuntergänge. Und Sonnenaufgänge.
Die mich das Beste ahnen lassen. Und mir etwas zei-
gen. Unaussprechlich und Groß. Allwissend und Lie-
bend. Einzigartig und Wunderbar. Die Stille und Leben.
Den Gedanken und Leben. Das Wissen und Leben.
Und ich gehe Stundenlang durch diese kleinen Sträß-
chen. Mit Werkstätten aller Art. Geschäften für Alles.
Leute die in Cafes sitzen. Und alles ist da. Es ist da, wo
etwas Neues beginnt. Meine Erinnerung ist da. Mein
Glauben an das Leben ist da. All das, was ich sagen
möchte ist da. Und all das, was ich Denken möchte ist
da. Und ich höre wie dieser Planet singt: "Den ich
bin da. Denn es gibt mich!"

Dann schlage ich ein paar Fliegen auf den Fettwül-
sten Tod. Lege mich auf die Pritsche. Esse den Rest
eines Plätzchens. Versuche mal wieder zu masturbie-
ren. Furze mit einem Donnerhall wie noch nie. Trin-
ke noch einen Tee. Und unterhalte mich mit mir. Und
versuche ein paar nette Gedanken zu finden, bevor
ich einschlafe. Ich denke an Brüste. An Schamhaare.
An Bauchnäbel. An all den Spaß, den es da gibt. Und
dann sehe ich ihn wieder vor mir. Diesen alten Traum.
Ich bin Scheich im Orient. Habe ein Harem von 10000
Frauen. Erledige am Morgen zwei Stunden meine Ge-
schäfte. Und dann, all das was in Harem zu erledigen
ist. Ich lasse meine Phantasie spielen. Die reicht für
10 Millionen Frauen. Aber auch ein Scheich und seine
Möglichkeiten sind begrenzt. EineTatsache, mit der
sich jeder Mensch abfinden muß. Auch ein Scheich.
Und das mehr als 10000 Frauen wohl keinen Sinn er-
geben. Aber im Rollstuhl und ein Flotter dreier. Das
wäre schon was. Klein anfangen. Das ist es. Zuerst
ein flotter Dreier und sich dann steigern. Eine Frau
die auf meinem Gesicht sitzt. Eine die auf mir reitet.
Und an beiden kann ich fummeln. Das wäre es so.
Das Ideal. Also der Anfang des Ganzen. Das An-
fangsideal! Das Leben kann so schön sein. Es fehlt
eben meistens der Mut es zu leben.

Dann denke ich an diesen Yachthafen, wo ich gear-
beitet habe. Den Verkäufer. Der ein paar stinkreiche
Leute hatte. Denen er ein Boopt verkaufen wollte.
Der Typ hört zu wie der Verkäufer erzählt. So im
reinsten Englisch. Und ganz Neureich. This is very
special. A kitchen. The most best. In the most niecest
Corner. Und die Freunde von dem Reichen erzählen.
Bob: "i haven`t seen you more or less a year!" Yeah
that`s true. I`ve had holjdays. I´ve been in Thailand.
Yeah Thailand! Fucking nice. Fuckin beautiful girls.
It´s such a good fuck and a fucking good time. Und
der Andere. Yes i know it´s a fucking good land. And
fucking good girls. It´s always good. Die ganze Situa-
tion war lustig. De Verkäufer war in Ordnung. Aber
irgendwie Neureich, mit all dem Gehabe. Und all die
Jungs waren Stinkreich, ohne jedes Gehabe. Ich
stand da. Und hätte losbrüllen könnnen vor Lachen.
Der Verkäufer, hätte den ganzen Mist lassen können.
Er hätte einfach nur sagen müssen: "It´s a fucking
good boat. Take it!" Und er wäre das Ding los gewe-
sen. Diese Jungs die sich einfach nur gesagt haben:
"Liebe und tu was Du willst!" Und dieser Neureiche
Anständige moralische Mensch. Der sich gesagt hat:
"Liebe und mache so viel Kohle wie möglich!"

Fucking good girls! And a fucking good time. Liebe
und tu was Du willst! Von Novalis ist das glaube ich.
Aber egal, es ist gut!

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.09.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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