Verena Krenn

Die letzte Schlacht der Wikinger

Der Klang der Trommeln schallte über das leichenübersäte Land und allein das Wehklagen der Verbliebenen durchdrang den monotonen Rhythmus.

Viele Krieger waren in dieser Nacht gefallen, sowohl feindliche, wie auch jene aus den eigenen Reihen, doch was hatte es gebracht?

Noch immer war kein Sieg in Sicht, allein die Aasgeier gaben ihre Freudenschreie kund, da auf sie ein wahres Festmahl wartete.

Wie eine schwere, undurchdringbare Decke lag Nebel in der Luft. Ein Nebel, der nicht ausreichte, um das schreckliche Bild zu verhüllen. Es schien das schlimmste Gemetzel zu sein, das jemals stattgefunden hatte.

Tyr, der Kriegsgott, hatte wie ein Sturm in den Herzen der Männer gewütet und sie zu unbedachtem Tun verleitet. Nun also, war endlich alles so gekommen, wie prophezeit. Schon lange war ihnen dieses Schicksal beschieden gewesen, selbst die Runen hatten von dem sinnlosen Hinwegscheiden der Nordmänner gewusst. Wo aber war Odin geblieben? Hatte er sie verlassen?

Haggard stand wie eine Statue da, breitbeinig und stark. Allein der Schweiß auf seiner Stirn zeigte, wie erschöpft er war und wie ihm das alles zu schaffen machte. Das rötliche Haar fiel in sein schweißnasses Gesicht, der Bart war verklebt von Blut und Dreck. Die Hälfte seiner Männer war gefallen, die andere lag verletzt danieder. Freunde, Brüder, Nachbarn. Es gab kaum noch jemanden, der auf den Beinen stand. Warum das alles? Wie hatte sich das anfängliche Schlachtglück so wenden können?

Der Jarl spürte eine ohnmächtige Wut in sich aufkeimen. Eine Wut, die ihn beinahe zur Raserei trieb. Wo war Odin? Der Allvater, der Gott der Asen?

Haggard schrie. Er verfluchte die Schicksalsgöttinnen, die ihm solches Leid gebracht hatten. Das schlimmste an alledem war aber die Tatsache, dass er selbst noch lebte. Welche Schmach! Wenn er wenigstens von einem Schwert durchbohrt worden wäre! Wie sehnte sich sein altes Herz doch nach den Hallen von Asgard! Wie dürstete es ihm nach dem göttlichen Met, den er nur an Odins Tafel bekommen würde!

Der Wikinger spürte, wie Tränen seine Sicht trübten. Schon jahrelang hatte er keine Tränen mehr vergossen. Das ziemte sich einfach nicht für einen Nordmann. Und doch, hier, an diesem Ort, tat er es. Wohl mochte es an seinem Alter liegen, dieser Hauch von Schwäche, den er zeigte.

Er beweinte seine Männer, tapfere, beherzte Männer, sein eigenes Schicksal und das Ende einer Zeit. Jeder wusste, dass sie, die Nordmänner, ab heute der Vergangenheit angehören würden. Die Christen hatten ihnen nicht nur das Wort ihres verfluchten Gottes gebracht, sondern auch Feuer und Schwert. Wie hasste er doch dieses primitive Volk! Wie lächerlich war es doch, nur an einen einzigen Gott zu glauben! Und sie hatte man Barbaren geschimpft!

Entschieden wischte er sich die Tränen fort und ließ erneut einen haaresträubenden Ruf erklingen. Nay, er würde nicht aufgeben. Niemals. Solange noch Luft seine Lungen füllten, würde er kämpfen. Gleichgültig, ob er sterben würde, oder nicht, er würde zumindest ein paar dieser verabscheuungswürdigen Christen mit in den Tod nehmen. Das war das letzte, was ihm zu tun blieb. "Für Odin!" Mit einer Kraft, die er sich nicht mehr zugetraut hatte, nahm er seine Axt und stürmte los. Er stürmte dem Ende entgegen und dem Anfang. Dem Ende auf dieser Welt und dem Anfang in Walhalla.

 

Diese Geschichte entspricht nicht den historischen Gegebenheiten, soll sie auch nicht. Sie ist schon ein paar Jährchen alt und wurde aus einer Laune heraus geschrieben.Verena Krenn, Anmerkung zur Geschichte

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